Der US-Präsident Donald Trump soll nach russischen Luftangriffen auf die Ukraine vor etwa einer Woche Bundeskanzler Friedrich Merz angerufen haben, um sich über den weiteren Umgang mit Kremlchef Wladimir Putin zu beraten. Das berichtet die US-amerikanische Zeitung „Wall Street Journal“ (WSJ) unter Berufung auf zwei mit dem Gespräch vertraute Personen.

Demnach hat Trump am späten Abend des 11. Juli zum Hörer gegriffen und Merz auf dessen Handy angerufen, nachdem er Videoaufnahmen des russischen Angriffs auf ukrainische Städte und die Zivilbevölkerung gesehen hatte. Der Bundeskanzler sei überrascht gewesen, heißt es weiter. Merz habe schnell erkannt, dass Trump die Geduld mit dem russischen Präsidenten verloren habe. Trump habe am Telefon gesagt, dass er jetzt bereit sei, das Angebot von Merz, Patriot-Luftabwehrsysteme für die Ukraine zu kaufen, anzunehmen.

Andere Regierungschefs scheiterten

Bereits seit Wochen mahnen europäische Regierungschefs, dass Putin ernsthafte Friedensverhandlungen im anhaltenden Ukrainekrieg hinauszögere und nicht wirklich an einer Kriegsbeendigung interessiert sei. Stattdessen versuche der Kremlchef Zeit zu schinden, um weitere Gebiete in der Ukraine zu erobern.

Merz hat den richtigen Ansatz gefunden. Jetzt kann er mit Trump über sein Handy sprechen und Scheckbuchdiplomatie betreiben.

Nico Lange, Politikberater und CDU-Politiker

Frankreich, Großbritannien und schließlich auch Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz führten allerhand vertrauliche Gespräche und verstärkten ihr Engagement bei der US-Regierung, um Washington zu einem härteren Kurs gegenüber Moskau zu bewegen. Doch Trump blieb bei seinem bisherigen Kurs – trotz anhaltender russischer Großangriffe auf ukrainische Städte und die Zivilbevölkerung.

Am Montag betonte Trump dann bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, dass er „sehr, sehr unzufrieden“ mit Russland sei. Wenn es in 50 Tagen keinen „Deal“ über einen Frieden in der Ukraine gebe, würden die USA gegen Länder wie China, Indien und Brasilien „Zölle in Höhe von etwa 100 Prozent“ verhängen. Auch ein umfangreiches Waffenpaket für die Ukraine wurde angekündigt, das von den Nato-Ländern finanziert werden soll.

In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der britischen BBC zeigte sich der US-Präsident außerdem „enttäuscht“ über den Kreml-Chef. „Aber ich habe noch nicht völlig mit ihm abgeschlossen“, fügte er hinzu.

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Merz soll einen guten Draht zu Trump haben

Friedrich Merz soll nach seinem Besuch im Weißen Haus am 5. Juni „fast jede Woche“ mit Trump gesprochen haben, so das WSJ.

Zum US-Präsidenten soll der Bundeskanzler einen leichteren Umgang gefunden haben, als frühere deutsche Regierungschefs, berichtet die Zeitung unter Berufung auf enge Mitarbeiter des CDU-Politikers. Ein Faktor sei gewesen, dass Merz umfangreiche Finanzmittel für US-Waffen zusagen konnte, nachdem er das deutsche Grundgesetz geändert hatte, um eine praktisch unbegrenzte Kreditaufnahme zu ermöglichen, so das WSJ. Dieser Kniff sei Merz´ Vorgängern nicht gelungen.

Im Oval Office im Weißen Haus überreichte Friedrich Merz Donald Trump ein Faksimile der Geburtsurkunde seines Großvaters Friedrich (später Frederick) Trump.

© dpa/Michael Kappeler

Auch dem deutschen Politikberater und Publizisten Nico Lange zufolge habe Merz einen guten Draht zum US-Präsidenten. „Merz hat den richtigen Ansatz gefunden, und jetzt kann er mit Trump über sein Handy sprechen und Scheckbuchdiplomatie betreiben“, sagte der Militärexperte dem WSJ. „Anders als Macron und andere kann er seinen Worten auch Taten folgen lassen.“

Waffenlieferungen an die Ukraine: Ließ Merz Hegseth auffliegen?

Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass das Pentagon unter Verteidigungsminister Pete Hegseth eine Einstellung der US-amerikanischen Lieferungen von Patriot-Luftabwehrsystemen und anderen Präzisionswaffen an die Ukraine verkündete. Auf Bitte des Bundespräsidenten telefonierten Merz, Trump und Hegseth daraufhin am 3. Juli miteinander.

Nach Angaben von Personen, die mit dem Gespräch vertraut waren, soll der Bundeskanzler dabei gesagt haben: „Ich habe angerufen, um Ihnen zum vierten Juli zu gratulieren und Ihnen ein Angebot zu machen“, berichtet das WSJ. Merz habe vorgeschlagen, dass Deutschland zwei Patriot-Systeme für die Ukraine kaufen würde, nachdem die USA ihre Exporte ja nun eingestellt hätten. Trump wiederum soll nach Angaben der Insider von der Pentagon-Entscheidung überrascht worden sein und gefragt haben: „Pete, was ist hier los?“

Netzwerker Merz und Dealmaker Trump

Friedrich Merz und Donald Trump haben vor ihrer politischen Karriere jeweils in der Privatwirtschaft beachtenswerte Karrieren hingelegt. Der Bundeskanzler war als studierter Jurist zunächst als Wirtschaftsanwalt tätig und war in einer Vielzahl von Konzernen und wirtschaftsnahen Interessenverbänden in leitenden Funktionen aktiv. Während seiner langjährigen Tätigkeiten als Top-Lobbyist handelte sich der CDU-Politiker den Ruf eines versierten Netzwerkers ein.

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Donald Trump inszenierte sich vor seiner politischen Karriere gerne als Selfmade-Milliardär, obwohl er als Sohn eines erfolgreichen Immobilienunternehmers und Multimillionärs ein beträchtliches Vermögen geerbt hat. Kurz vor seiner ersten Präsidentschaft im Jahr 2016 taxierte das „Forbes“-Magazin seinen Reichtum auf etwa 4,5 Milliarden US-Dollar. Trump versteht sich selbst als Dealmaker und wird nicht müde, diese Rolle auch bei der Frage nach Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu besetzen.