Walter Bronstein ist ein Psychopath. Einer, der seine Frau schlägt, aber nur mit der flachen Hand, das hinterlässt keine Spuren. Er liebt es, andere zu erniedrigen. „Walter ist besitzergreifend und skrupellos. Weil er hat, wovon wir nicht genug haben: Reichtum, Einfluss und Macht“, lässt die Autorin in „Blaues Wunder“ eine ihrer Protagonistinnen über ihn sagen. In Anne Freytags elegantem und bitterbösem Businessroman spielt der Chef des Bankhauses Bronstein & Söhne eine zentrale Rolle.

Anne Freytag: „Blaues Wunder“, 256 Seiten, 24 Euro, Kampa. Foto: Kampa Verlag

Ort der Handlung: seine 72,8 Meter lange, 70-Millionen-Euro-Yacht, auf die er zwei seiner Top-Manager mit ihren Ehefrauen zum „Urlaub auf dem Meer“ eingeladen hat. Auch Bronsteins Ehefrau Rachel und David, der gemeinsame Sohn, sind mit von der Partie.

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Was sich als Luxus-Trip in die Philippinen tarnt, mit Kino, Pool und Hubschrauberlandeplatz an Bord, ist in Wirklichkeit ein knallharter Konkurrenzkampf. Einer der Top-Manager soll an die erste Stelle in Walters Unternehmen vorrücken. Wer wird das Rennen machen?

Ferdinand Mattern, „das kultivierte Alphamännchen, ein Gewinner von Geburt an“? Oder Kilian Dannenberg, „der smarte Stratege, ein Mann, den man tendenziell unterschätzt“? Diejenige, von der diese Charakterisierung stammt, ist Rachel Bronstein. Deren Familie das Bankhaus seit Generationen gehörte, die es aber nicht übernehmen durfte, weil sie kein Sohn, sondern eine Tochter war. Stattdessen ging es in den Besitz von Walter Kleinschmidt, ihres Ehemanns über, der ihren Namen annahm. Ein Deal, zu dem sie von ihrem Vater gedrängt wurde und den sie zutiefst bereut.

Auch Nora Mattern und Franziska Dannenberg haben Kummer. Nora ist sexuell frustriert, Franziska zerfressen von Neid, Wut und Ohnmacht. Nach außen hin wirken alle drei Paare harmonisch und einander zugewandt. „Es ist ein perfektes Dinner auf einem perfekten Boot, mit perfekten Menschen. Nur nichts davon ist echt“, lässt die Autorin Nora während einer Mahlzeit denken. Und Franziska, angesichts der immer stärker werdenden Spannungen, die sich immer schlechter kaschieren lassen, empfinden: „Die Stimmung ist wie eine Zündschnur, die bald ihr Ende erreicht.“

Genau das macht das Lesen so lustvoll und spannend: „Wann kracht es?“ Das tut es am Ende wirklich, bei diesem perfiden Spiel um Begierden, Betrügereien und Bedürfnisse. Aber ganz anders als gedacht.

Erzählt wird im Wechsel aus der Sicht von Nora, Franziska und Rachel. Die am Ende ihren Männern mehr als nur das Wasser reichen und den Rücken stärken können. Freytag lässt Rachel sagen: „Manchmal ist die kleine Schwester von Scheiße eine Chance.“ Und die sollte man nutzen.