Wie geht’s weiter am Viktualienmarkt? Das muss der Münchner Stadtrat entscheiden. Im Hintergrund streiten Händler und das Rathaus.
Es ist noch ruhig an diesem Morgen auf dem Viktualienmarkt. Eine Frau zieht ihren Einkaufstrolley übers Kopfsteinpflaster, während sie neugierig auf die üppigen Auslagen der Obst- und Gemüsehändler blickt. Neben ihr haben zwei Touristen die Smartphones gezückt – für ein Erinnerungsfoto an ihren Besuch auf Münchens größtem und bekanntesten Lebensmittelmarkt.
Dass dieses Kleinod im Herzen der Altstadt marode ist und dringend einer Sanierung bedarf, ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Genauso wenig spürt man hier, dass es Streit um die Zukunft und die Kultur des Marktes gibt. Er entwickelt sich zunehmend in eine Art Food-Court mit vielerlei Essensangeboten und zu einem Ort, an dem man sich vorwiegend zum Trinken trifft. Traditionalisten nennen den Viktualienmarkt deshalb auch Fressmeile und Saufmarkt, wenn sie über das zwei Hektar große Gelände nahe dem Marienplatz sprechen.
140 Stände gibt es dort – und einer davon gehört Marco Stohr, der an diesem Morgen ausnahmsweise nicht zwischen Kisten voller Bananen, Brokkoli und Blutorangen steht. Denn der Obst- und Gemüsehändler, der seit 2024 Sprecher der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt (IGV) ist, weilt auf der Empore des Sitzungssaals im Münchner Rathaus, wo es eigentlich um die Sanierungspläne für den über 200 Jahre alten Lebensmittelmarkt gehen soll.
Doch der Kommunalausschuss des Stadtrats vertagt an diesem Donnerstag das Thema kurzerhand in die Vollversammlung. Nun wird sie also Ende Juli über die Renovierung und damit auch über die Zukunft des Viktualienmarkts entscheiden. Aus Sicht von Marco Stohr „muss die Sanierung jetzt endlich mal losgehen, nachdem wir fünfzehn Jahre lang über Konzepte gesprochen haben“, so der Marktsprecher.
Tatsächlich stellte das Kommunalreferat bereits 2011 fest, dass die Bausubstanz der Stände marode und die Technik veraltet ist. Zudem fehlen laut Stohr Lagermöglichkeiten, Aufenthaltsbereiche für Mitarbeiter und vor allem Toiletten. Um diese Mängel zu beheben, wird im Rathaus seit Jahren an einem Sanierungskonzept gefeilt – allein geschehen ist bislang nichts.
Dabei hat der Stadtrat 2018 eine Renovierung des Viktualienmarkts im großen Stil beschlossen. Doch in Zeiten knapper Kassen wird man sich davon nun voraussichtlich verabschieden. Vielmehr zeichnet sich eine abgespeckte Sanierung in mehreren Schritten ab. Laut Sitzungsvorlage für den Kommunalausschuss soll es mit der Abteilung 2 losgehen, also dem Bereich rund um das „Café Nymphenburg“ im Westen des Areals. Dort sollen ab 2027 – zuvor müssen die Stadtwerke München noch eine Fernwärmeleitung verlegen – die Stände saniert und neue Kellerräume angelegt werden, unter anderem für Toiletten und Lager.
Ist dieser Bereich einmal hergerichtet, werden schrittweise die anderen Abteilungen folgen, so der Plan. Für ein solches schrittweises Vorgehen spricht sich auch Marco Stohr aus. Dadurch bliebe nicht nur der Betrieb am Viktualienmarkt ohne allzu große Einschränkungen gewährleistet, sondern der Startschuss wäre auch ein Zeichen an die Händler, „dass endlich was passiert“.
Wie groß der Sanierungsbedarf vielerorts ist, kann Stohr aus eigener Erfahrung berichten: „Mein Keller ist viel zu klein und zu niedrig, die ganze Technik ist kaputt und veraltet. Und jeden Tag stehen hier Leute und fragen nach Toiletten.“ Scheitern könnten die Sanierungspläne freilich noch an einem nicht ganz unwichtigen Punkt – dem Geld. Denn auch die abgespeckte Version schlägt mit geschätzten 20 Millionen Euro zu Buche.