Ole von Beust eroberte für die CDU direkte nach der Jahrtausendwende das Bürgermeisteramt im sonst „roten“ Hamburg – und holte sogar eine absolute Mehrheit. Am Sonntag wird der Jurist, für den ein WELT AM SONNTAG-Interview eine persönliche Wende bringen sollte – 70 Jahre alt.

Wer Ole von Beust in den vergangenen Monaten bei einer Veranstaltung oder einfach auf der Straße getroffen hat, der erlebt häufig das gleiche Muster: Seine Umgebung reagiert ausgesprochen zugewandt und freundlich auf den früheren Bürgermeister, und er selbst steht dem in nichts nach. Hamburg und von Beust, das passt noch immer. Und so lässt sich auch heute noch erklären, wie der Christdemokrat seine CDU in Hamburg zeitweise zur absoluten Mehrheit führen konnte, bevor er Politikgeschichte schrieb und die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene schmiedete. An diesem Sonntag wird der gebürtige Hamburger, dem viele einen jungenhaften Charme attestieren, 70 Jahre alt.

Mit der aktiven Politik hat der Spross einer alteingesessenen Familie mit Adelshintergrund seit seinem Rückzug nichts mehr zu tun. Seit 2013 betreibt der gelernte Jurist ein Beratungsunternehmen. Er lebt gemeinsam mit seinem 36 Jahre jüngeren Ehemann in Hamburg und auf Sylt. Auf die Frage, was ihn glücklich mache, äußerte er in einem Interview: „Mein Mann, ein skandinavischer Kriminalroman und mein Balkon bei Sonne.“ Entsprechend ruhig wolle er auch seinen Geburtstag feiern.

Eher sporadisch beantwortet von Beust Fragen zu politischen Themen, wobei er sich seiner eigenen Partei gegenüber zuweilen kritisch gibt. Es sei „doch nicht der Markenkern der Union, gegen schwule Ehen oder für Atomkraft zu sein“, sagt er bereits 2013 in einem Interview, das sich auch auf heutige Debatten in der CDU beziehen könnte. Konservativ dürfte kein „diffuses Bauchgefühl“ bleiben, sondern müsse eben „einer Begründung standhalten“. Insgesamt aber sei er „nie traurig gewesen, aufgehört zu haben.“

Zu den Anfängen: Nach Jahren als Oppositionsführer war von Beust in seinem zweiten Anlauf als Spitzenkandidat bei einer Bürgerschaftswahl mit den Christdemokraten 2001 der Machtwechsel in der seit Jahrzehnten von der SPD regierten Hansestadt gelungen. Er schmiedete eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Rechtsstaatlicher Offensive des früheren Amtsrichters Ronald Schill, ein Vorgang, der ihm noch heute von Kritikern vorgeworfen wird. Diese Koalition endete nach zwei Jahren in Schlammschlachten. Schill unterstellte von Beust daraufhin eine Liebesaffäre mit dem damaligen Justizsenator Roger Kusch. Die politische Konsequenz war eine Neuwahl, für von Beust persönlich aber änderten die Vorgänge ebenfalls manches. Zwar versteckte er seine Homosexualität nie, thematisierte sie aber in der Öffentlichkeit auch nicht.

Das übernahm nach den Ereignissen um Schill kurzerhand von Beusts Vater in einem Interview mit WELT AM SONNTAG. Er berichtete darin etwa von dessen erstem Freund. Das Outing vor großem Publikum war laut von Beust nicht abgesprochen. Er reagierte nach eigenen Angaben zunächst „perplex“, war seinem Vater aber später dennoch dankbar. Ansonsten kehrte von Beust zu seinem hanseatisch-zurückhaltenden Umgang mit dem Thema zurück. Es sei eben „Privatsache“. Ausnahmen machte er selten, so als er 2013 die Heirat mit seinem Lebensgefährten bestätigte.

Nach dem Bruch mit Schill befand sich von Beust auf dem Zenit seiner Popularität, die Wahl 2004 gewann die CDU mit absoluter Mehrheit. Vier Jahre später wurde sie erneut stärkste Kraft, brauchte aber einen Partner. Von Beust wählte die Grünen – damals ein ungewöhnlicheres Experiment, als es heute erscheint. Es war die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene. Eine Bürgerinitiative erzwang später einen Volksentscheid, der die geplante Schulreform im Februar 2010 zum Scheitern brachte. Unmittelbar vor der Bekanntgabe des Ergebnisses verkündete von Beust seinen Rückzug zum August. „Es gibt für alles eine Zeit“, sagt er damals. Seinen Entschluss bereute er nach eigenen Angaben nie.