Irgendwann stößt ein Einfamilienhaus eben an seine Grenzen. Die Kinder sind ausgezogen, die Hälfte des Hauses ungenutzt Räume zu vermieten geht aber nicht, weil keine getrennte Treppe existiert. Vielleicht wird auch die Treppe an sich im Alter zu beschwerlich. Oder aber die Kinder wollen gar mit Enkelkindern wieder einziehen. Um für all solche Eventualitäten gewappnet zu sein, beauftragten die Besitzer*innen einer Doppelhaushälfte in Aachen Aretz Dürr Architektur (Köln). Sie sollten das Haus zukunftstauglich machen.
Der Bestand aus den 1960er Jahren sei ein charmant und mager gebautes Haus, aber in ausgezeichnetem Zustand, so die Architekt*innen. Daher bauten sie es nicht um, sondern stellten eine Erweiterung an die Giebelseite. Wobei Erweiterung in diesem Fall keineswegs bloß baulich gemeint ist, sondern auch programmatisch. Denn das Haus kann nun sowohl horizontal als auch vertikal geteilt werden. Aufgrund seiner Hanglage war es zuvor nicht barrierefrei erreichbar. Über einen Steg schließt das Obergeschoss des Anbaus jetzt direkt ans Straßenniveau an und bietet einen zweiten Zugang, etwa für eine Einliegerwohnung. Für die Energieversorgung wird die bestehende Haustechnik genutzt.
Vorerst dient den Bauherr*innen das Haus H // 46, so der Projektname, allerdings als Erweiterung ihrer eigenen Wohnbedürfnisse. Oben ist momentan ein Atelier eingerichtet, das untere Geschoss bezeichnen Aretz Dürr als Gartensaal. Der knapp vier Meter hohe Raum ist im Gegensatz zum Obergeschoss unbeheizt und ungedämmt. Er funktioniert wie ein klassischer Wintergarten, als energetischer Pufferraum. Die Wände bestehen lediglich aus Aluminium-Wellblech, die Fenster sind einfachverglast. Aufgrund der Südausrichtung wird es im Winter warm, die einfachen Betonbordsteine für den Boden bieten genügend Speichermasse, erklärt Sven Aretz.
Und an heißen Sommertagen? Da zieht man die außenliegenden Vorhänge zu, die eigentlich aus dem Gewächshausbau stammen. Sie bestehen aus einem Gewebe, in das Alustreifen eingearbeitet sind. So reflektieren sie das Sonnenlicht und bleiben dennoch transluzent. Der Raum hat Werkstattcharakter. Dafür sorgt unter anderem das hangseitige Halbgeschoss, unter dem sich reichlich Stauraum bietet. Für die Bauherr*innen sei dieser Gartensaal zum Alleskönner im Alltag geworden. Hier werde durchaus gebacken oder der morgendliche Kaffee getrunken, unabhängig von der Jahreszeit. Künftig soll noch eine Sauna eingebaut werden. Die Architekt*innen sprechen von einem Bindeglied, denn der Raum schließt an die Terrasse als auch an den Keller und die Küche im Erdgeschoss des Bestands an.
Die Bauweise ist bei Aretz Dürr gewohnt schlicht und schlank. Sie ließen ein Holzskelett auf acht mal sieben Meter errichten, mit klar nachvollziehbaren Details. Fassaden entwirft das Büro gewissermaßen gar nicht. Vielmehr definieren sie geschlossene und offene Seiten. Der Grundriss ist die beste Fassade, sagt Aretz dazu. Das äußere Gesicht ergibt sich als logische Konsequenz. Da sie aber auf möglichst einfache Konstruktion achten, könne man die Fassade auch jederzeit austauschen Stichwort Eventualitäten.
Im aktuellen Zustand sind die geschlossenen Flächen wie bei früheren Projekten schon in hinterlüftetes Wellblech gehüllt. Die offene Südseite bekam eine zweite Schicht, die für anpassbaren Sonnenschutz sorgt. In paradigmatischer Weise hatten Aretz Dürr dieses Prinzip bei ihrem Anbau in Biberach umgesetzt. Angesichts der damaligen Radikalität ging das Büro mit dem Aachener Projekt fast schon locker um. An der Giebelseite befindet sich ein einzelnes Fenster! (mh)
Fotos: Luca Claussen
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Das Projekt erinnert auch an einen Anbau in Berlin von Supertype Group.
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