Lieferando plant, rund 2.000 Fahrerstellen bundesweit abzubauen, was etwa 20 Prozent der gesamten Flotte entspricht. Die Entlassungen sollen ab Jahresende erfolgen, wobei Hamburg aufgrund seiner Größe besonders betroffen sein wird. Auch in kleineren Märkten wie Wiesbaden, Lübeck oder Bochum wird Lieferando künftig stärker mit Subunternehmen zusammenarbeiten, die die Auslieferung übernehmen.
Deutschlandchef Lennard Neubauer begründet diesen Schritt mit der sich „immer rasanter und tiefgreifender“ ändernden Wettbewerbslandschaft und den Erwartungen der Kunden an „zuverlässigen Service und kurze Bestellzeiten“. Er betonte, dass mancherorts die derzeitigen Strukturen dies nicht ausreichend sicherstellen könnten. Der Prozess der Sozialplanverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat soll so schnell wie möglich beginnen und bis Ende des Jahres, spätestens im ersten Quartal 2026, abgeschlossen sein.
Lieferando, das zum niederländischen Lieferdienst Just Eat Take Away gehört, hat seine Fahrer bisher fast ausschließlich fest über die Tochtergesellschaft Takeaway Express angestellt. Auch künftig sollen die meisten Fahrer fest angestellt bleiben; lediglich rund fünf Prozent des Liefervolumens sollen an spezialisierte Drittanbieter ausgelagert werden. Dieses Konzept wurde bereits in Berlin getestet und soll dort in einigen Bezirken fortgesetzt werden. Neubauer hob hervor, dass ein strenger Auswahlprozess für Flottenpartner laufe, um sicherzustellen, dass die Rider dort fest angestellt und entsprechend bezahlt werden.
In der Lieferbranche ist die Zusammenarbeit mit Subunternehmen gängige Praxis, wie auch bei Wettbewerbern wie Uber Eats und Wolt. Arbeitnehmervertreter kritisieren oft ausbeuterische Verhältnisse und weit verbreitete Scheinselbstständigkeit, was auch zur EU-Plattformrichtlinie geführt hat, die Scheinselbstständigkeit im Plattformgeschäft unterbinden soll. Die Tatsache, dass Lieferando die Fahrer meist direkt beschäftigte, stieß bisher auf Zuspruch bei Arbeitnehmervertretern.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert die geplanten Entlassungen scharf. Mark Baumeister, Referatsleiter NGG Gastgewerbe, bezeichnete die Entwicklungen als „schlimm“ und „von langer Hand geplant“. Die NGG kritisiert zudem, dass die Betriebsräte vorab keine Informationen über den geplanten Stellenabbau erhalten hätten und dass ausgerechnet Städte mit Betriebsräten betroffen seien. Die betroffenen Beschäftigten wurden bereits per E-Mail informiert.
Die NGG fordert die Politik auf, ein Festanstellungsgebot analog der Fleischindustrie für Lieferdienste durchzusetzen und die Entlassungen zurückzunehmen. Baumeister warnte vor einer weiteren „Prekarisierung“ und „Verschlechterung der Arbeitsbedingungen“ bei Lieferdiensten, insbesondere beim Marktführer. Die Gewerkschaft, die bereits seit Jahren für einen Tarifvertrag mit mindestens 15 Euro Grundlohn und tariflichen Zuschlägen kämpft, hatte erst kürzlich zu Warnstreiks in Hamburg aufgerufen und weitere Arbeitsniederlegungen in ganz Deutschland angekündigt. Seit dem 17. Juli 2025, 17 Uhr, läuft zudem ein Warnstreik in der Rhein-Main Region.