Saftig erstrahlende Blaubeeren und Orangen, abstrakte Diamanten und ein großer schwarzer Rabe, der aus einem blau-grünen Ei schlüpft – dieses Motiv ziert seit Ende Juni den bisher tristen, grauen Bahnhof in Zuffenhausen. Graffitis in diesem Stil findet man in Stuttgart an sämtlichen Ecken, Haltestellen und Häusern. Chris Ganter hat bereits zahlreiche graue Betonwände in Stuttgart verschönert. Bekannt ist er auch unter seinem Künstlernamen „Jeroo“.
In Stuttgart ist er mittlerweile der wohl gefragteste und bekannteste Graffiti–Künstler. Aber auch weltweit zieren seine Kunstwerke etliche Wände. Gesprayt hat er bereits international – von Frankreich, über Glasgow bis nach Los Angeles.
Graffiti-Festival am Bahnhof in Zuffenhausen
Der Brückenpfeiler am Bahnhof in Zuffenhausen ist Jeroos neuestes Projekt. Den Pfeiler verwandelte er innerhalb von drei Tagen in ein buntes Kunstwerk. Doch das war erst der Startschuss einer ganzen Reihe an Werken, die dort entstehen. Bis zum 21. Juli sollen nach und nach auch die anderen Pfeiler von verschiedenen Graffiti-Künstlern besprüht werden
Die Idee, den Bahnhof in Zuffenhausen in einen überdimensionalen Kunst-Rundgang zu verwandeln, hatte Chris Ganter selbst. Weil er schon viel für die Deutsche Bahn gearbeitet hat, weiß er „da hat man ein offenes Ohr für Kunst“. Seine Initiative fand schnell Anklang bei der Bahn und so veranstaltete Jeroo ein Mini-Graffiti-Festival in Zuffenhausen. Dafür kuratierte er diverse Graffiti-Künstler aus Süddeutschland, die auch die anderen Pfosten mit ihren Kunstwerken verschönern. Am 21. Juli findet dann die Finissage des Projekts statt.
Vom illegalen Sprayer zum gefragten Graffiti-Künstler
Dass Chris Ganter heute von seinen Graffiti-Aufträgen leben und sogar selbst auf Auftraggeber zugehen kann, ist seiner 33-jährigen Berufserfahrung zu verdanken. Inspiriert durch den großen Bruder eines Freundes ist er im Alter von zwölf Jahren in die Szene der ersten Graffiti-Sprayer in Stuttgart geraten. Geübt hat er jahrelang nur Schriftzüge und hat seinen Graffiti-Namen „Jeroo“ überall verbreitet.
Seine Übungsflächen waren damals nicht alle legal und die Polizei ertappte ihn einige Male auf frischer Tat: „Es gab Hausdurchsuchungen, ich habe zwei, drei Nächte auf der Wache verbringen dürfen. Da ist noch gar nicht davon zu sprechen, wie es zuhause aussah. Mein Vater ist Richter gewesen, der fand das alles andere als witzig. Da gab es richtig Ärger damals“, erzählt Ganter mit einem Lachen. Nach zehn Jahren kamen dann die ersten kleinen Aufträge.
Davon leben konnte er jedoch noch nicht. Hauptberuflich arbeitete er als Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium und unterrichtete Sport und Englisch. Nach zehn Jahren erfüllte er sich dann seinen lang ersehnten Traum und stieg zu 100 Prozent in seine Graffiti-Aufträge ein. Über die Jahre hat Jeroo mittlerweile einige große Projekte realisiert. Manche davon, wie das in Zuffenhausen, erledigt er in drei Tagen, für andere hingegen sprayt er auch zwei oder drei Monate lang.
Wiedererkennungswert durch knallige Motive und abstrakte Designs
Seine Graffitis haben Wiedererkennungswert. Bei einem Streifzug durch Stuttgart sieht man die knalligen Naturmotive, die häufig große Vögel wie Pfauen, Raben oder Flamingos mit gigantischen Kugeln, abstrakten geometrischen Designs und vielen Details vereinen, immer wieder. Seine Inspiration für die Motive zieht der Künstler aus der Natur, aber auch von anderen Künstlern oder Fotos auf Pinterest.
Im Großraum Stuttgart hat sich Chris Ganter durch seine auffälligen Designs mittlerweile einen Namen gemacht: „Auch wenn ich eigentlich keine Werbung mache – die Graffitis stehen allein als Werbung. Die Auftraggeber kommen von sich aus auf mich zu“, berichtet er. So hat Jeroo in Stuttgart schon für die Netze BW, den VfB oder für Bosch gesprayed. Sein bester Auftraggeber? „Für die Ironie ist es ganz klar die Deutsche Bahn. Früher war die Deutsche Bahn der Feind, man wollte Züge ansprühen und die haben einen gejagt, und heute ist es mein bester Auftraggeber“, erzählt Chris Ganter lachend.
Traumprojekt in weiter Ferne?
Der Sprayer weiß es zu schätzen, dass die Deutsche Bahn ihm in Stuttgart so sehr vertraut. Allgemein sei Stuttgart sehr offen für Sprayer und lasse ihnen große Freiheiten. Die Stadt sei hinterher, graue Flächen in Kunstwerke zu verwandeln. Ein Traumprojekt, das er noch gerne realisieren würde: „Ich bin seit Jahren dran, den Abluftstutzen von Stuttgart 21 klar zu bekommen“.
Das Go von der Deutschen Bahn habe Chris Ganter bereits, die Stadt Stuttgart sei kein Fan davon und bevorzuge eine andere Gestaltung, etwa eine Begrünung. „Ich habe schon einen tollen Entwurf geliefert, aber der hängt noch ein bisschen in der Luft.“ Aber auch wenn dieses große Projekt noch in den Sternen steht, erfreut er sich auch immer wieder an seinen bereits entstandenen Graffitis. Am stolzesten ist er dabei auf Murals, an denen viele Menschen vorbeikommen wie beispielsweise den beiden großen Brückenpfeilern in Heslach.