Ein Mann verzaubert die deutsche Sport-Welt!
Florian Lipowitz (24) schickt sich an, bei der Tour de France für eine Sensation zu sorgen. Seit Donnerstag scheint der Traum womöglich Wirklichkeit zu werden: Bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt gleich aufs Podium.
Nach der 12. Etappe ist der 1,81 Meter große und 68 Kilo leichte Profi aus Laichingen in Baden-Württemberg Vierter der Gesamtwertung. 49 Sekunden trennen ihn vom Dritten, dem belgischen Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel (25). Wer ist der Typ, der so unbekümmert die Pyrenäen hochstiefelt und Freitag im Bergzeitfahren über 11 Kilometer den nächsten Schritt Richtung Podest am 27. Juli in Paris machen will?
Florian Lipowitz ist ein beliebter Gesprächspartner
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Die Karriere
Erst seit fünf Jahren ist Lipowitz Radsportler. Davor war er als Biathlet Deutscher Schülermeister. „Ich glaube aber, dass ich im Radsport mehr Talent habe“, sagt er. Durch zwei schwere Verletzungen, eine entzündete Wachstumsfuge im Knie und einen Kreuzbandriss, kam er endgültig zum Radsport. „Das war die erste Sportart, die ich jeweils wieder machen konnte“, sagt er.
Die Familie
Vater Marc fuhr schon mit dem neunjährigen Florian Rad-Marathons. Da kamen schon mal 120 Kilometer am Tag zustande. Auch die Pyrenäen fuhr er schon hoch. „Mama war da im Camper dabei“, sagt er. Auch bei der Tour begleiten die Eltern ihren Sohn mit dem Camper, vielleicht sogar bis Paris. Bruder Philipp (26) war ebenfalls Biathlet und schaut in der dritten Woche voraussichtlich bei der Tour vorbei.
Florian Lipowitz und seine Freundin Toni Weeger
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Die Freundin
Seit gut einem Jahr ist Lipowitz mit Toni Weeger (20) zusammen, die wie ihr Freund dem Radsport verfallen ist. Sie ist Mountainbikerin. „Am vergangenen Wochenende fuhr sie in Andorra. Da startete sie schon 9 Uhr, sodass ich ihren Wettkampf verfolgen konnte“, sagte er.
Sein Team
Red Bull-Bora-hansgrohe ist der einzige deutsche Rennstall in der World Tour. Das Team aus dem bayerischen Raubling ist seit 2022 sein sportliches Zuhause. Für die Tour wurde es allerdings nicht auf ihn oder Primož Roglič (35), den eigentlichen Kapitän, zugeschnitten. Es sind auch zwei Sprinter unter den acht Fahrern. Hoffentlich rächt sich das nicht in den Alpen ab Dienstag.
Verlängert hat Deutschlands bester Profi übrigens noch nicht. Ende des Jahres läuft sein Vertrag aus. Sollte Evenepoel zu Red Bull kommen, wird sich Lipowitz wohl für eines der zahlreichen anderen Angebote entscheiden. Als Nummer 2 zur Tour 2026 und für den Belgier arbeiten, das kann nicht der Anspruch bei seinem Talent sein.
Lesen Sie auchSeine Ziele
„In Paris ankommen“, sagt unsere neue Rad-Hoffnung bescheiden. Das Podium sei sehr weit hergeholt, meinte er vor der Tour. Mittlerweile wird er ganz für sich allein schon mal zumindest mit einem Auge auf Gesamtrang 3 geschielt haben. Auf die Karriere bezogen sollte der Tour-Sieg sein Ziel sein. Sportlich wird er es in den kommenden Jahren sicher draufhaben.
Seine Chancen
Dass Lipowitz mit den Top-Stars mitfahren kann, bewies er in den vergangenen Monaten. Siebter bei der Vuelta 2024 – als Helfer! Dazu Zweiter bei Paris-Nizza und bei der Dauphiné unmittelbar vor der Tour Dritter hinter den Superstars Tadej Pogacar (26/Slowenien), der in Gelb fährt, und Jonas Vingegaard (28/Dänemark) sowie vor Evenepoel. Roglič schon vor der Tour: „Warum sollte ihm das nicht nochmal gelingen?“
Florian Lipowitz (l.) und Primoz Roglič können beide Kapitän sein. Nun aber zeigte sich, dass der Deutsche der Stärkere ist
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Seine Stärken
Ohne Zweifel sind die Berge sein liebstes Terrain. Er hat einen unglaublichen Motor in sich, kommt also auch harte Anstiege sehr gut hoch. Das hat er bei der Vuelta schon bewiesen und bei der Tour war die erste Pyrenäen-Etappe am Donnerstag der beste Beweis dafür, wie wohl er sich im Hochgebirge fühlt. Auch beim Zeitfahren kommt Lipowitz super klar. Die Berge und der Kampf gegen die Uhr – zwei ganz wichtige Bausteine auf dem Weg zu einem Top-Profi.
Seine Schwächen
„Man muss ihm klarmachen und die Zügel ein bisschen anziehen, damit er nicht bei jeder Attacke mitgeht“, sagt sein Sportdirektor Rolf Aldag (56). Das Rennen zu lesen, daran muss Lipowitz noch arbeiten. Das hat viel mit Erfahrung zu tun und die wird im Laufe der Jahre kommen.
Jan Ullrich ist begeistert von Florian Lipowitz
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Der Ullrich-Vergleich
Lipowitz mit Jan Ullrich (51), dem einzigen deutschen Tour-Sieger zu vergleichen, wäre Quatsch. Die Zeiten Mitte der 90-er Jahre bis Mitte der 2000-er Jahre, Ullrichs Hochzeit, waren andere, sie waren aufgrund der Doping-Ära unrühmlich. Abgesehen davon war Ullrich mit 23 Jahren Tour-Sieger, Lipowitz ist jetzt schon ein Jahr älter.
Was beide gemeinsam haben: Ihre schüchterne Art. Dabei hat Lipowitz allen Grund, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Dass er es dennoch tut, macht ihn nur noch sympathischer. Ullrich ist übrigens begeistert von Lipowitz: „Er weiß gar nicht, wie stark er ist.“
Das sagt der Superstar
Pogacar gewann die erste Pyrenäen-Etappe am Donnerstag in Hautacam. Hinter Vingegaard wurde Lipowitz Dritter. Danach sagte der Slowene: „Ein toller Junge! Wir waren am Ruhetag im selben Hotel, haben ein bisschen gechattet. Er ist ein sehr starker Fahrer, der sich in allen Bereichen noch entwickeln kann. Wir werden noch viel von ihm hören und sehen in den nächsten Tagen und Jahren.“