Im Verfahren gegen den mutmaßlichen Drogenhändler im Leipziger Mordfall Jesse L. haben sowohl der Beschuldigte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Das bestätigten beide Seiten auf MDR-Nachfrage.

Das Landgericht Leipzig hatte den inzwischen 33-Jährigen Ende Juni wegen des Handelns mit Cannabis unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit bleibt der Verurteilte von einem Gefängnisaufenthalt verschont.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Mörder wollte an Drogen kommen

Für das Gericht steht fest, dass der Mann am 11. Januar 2022 in seinem Spätverkauf-Laden in Leipzig-Mölkau fünf Kilogramm Marihuana an das spätere Mordopfer Jesse L. übergab. Als sich Jesse L. in den Räumen des Spätis aufhielt, filmte er sich auf einem Sofa sitzend zusammen mit einem Hund. Das Video mit einer Länge von fünf Sekunden stellte Jesse auf die Videoplattform Snapchat. Es war sein letztes Lebenszeichen. Kurz darauf wurde er von seinem Bekannten Max D. auf einem Feld bei Schkeuditz in der Nähe des Flughafens Leipzig/Halle erschossen. Max D. wollte so an das Marihuana kommen und mit dem Verkauf seine Schulden loswerden.

Späti-Betreiber weiterer Drogenbesitz nicht nachzuweisen

Nicht nachgewiesen werden konnte dem damaligen Späti-Betreiber der Besitz von großen Mengen weiterer Betäubungsmittel, konkret ca. 20 Kilogramm Marihuana und ca. vier Kilogramm Methamphetamin. Die Drogen waren in einem Kellerraum des Hauses in Leipzig-Mölkau gefunden worden, in dem sich der Spätverkauf befand. Um zu klären, ob die Räume von dem Angeklagten genutzt wurden, betrieb das Gericht einen großen Aufwand. Es lud zahlreiche Zeugen, darunter den Vermieter, den Hausmeister sowie Polizeibeamte, die an der Durchsuchung beteiligt waren.

Freispruch in Sachen Drogenlager

Der Vorbesitzer des Ladengeschäfts wurde nach mehrmaliger vergeblicher Ladung von der Polizei vorgeführt. Keiner der Zeugen konnte mit Sicherheit sagen, dass die im Keller gefundenen Drogen dem Angeklagten gehörten. Auch dass sich in dem Keller ein Foto eines jungen Mannes befand, der ihm ansatzweise ähnlich sieht, überzeugte die zwei Berufsrichterinnen und die beiden Schöffen nicht.

Erschwerend kam für die Kammer hinzu, dass die Polizei nach dem Fund der Drogen keine daktyloskopischen Spuren und keine DNA-Spuren in dem Kellerraum sicherte. Da sich darin auch zahlreiche Gegenstände des Vorbesitzers befanden und nicht klar war, wer Zugang zu dem sehr vollgestellten Raum hatte, wurde der Angeklagte in diesem Punkt freigesprochen.

Dealer und Mordopfer: befreundet oder kaum gekannt?

Unbeantwortet bleibt nach dem Urteil auch die Frage, in welchem Verhältnis der Späti-Betreiber zu Jesse und dessen Mörder Max stand und ob es Hinterleute gab. Der Angeklagte gibt an, Jesse kaum zu kennen. Ein guter Freund von Jesse L. sagte dagegen als Zeuge aus, der Angeklagte und Jesse seien befreundet gewesen und hätten einen gemeinsamen Urlaub geplant.