Wenn er keine Medikamente mehr nehmen würde, würde er „wieder Witze machen und Spaß am Leben haben“, glaubt Valentin S. (Name geändert). Doch der 19-Jährige weiß, dass er auf die Antipsychotika, die er derzeit im Isar-Amper-Klinikum bekommt, wohl auch in Zukunft angewiesen sein wird. Wie lange, ist ungewiss. Ärzte haben bei Valentin S. eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert.

Am Morgen des 1. September vergangenen Jahres soll er versucht haben, seinen Vater in der Küche der gemeinsamen Wohnung in Ramersdorf-Perlach mit einem Küchenmesser zu töten, weil er glaubte, der 63-Jährige sei vom Teufel besessen. Für die mutmaßliche Tat, für die sich Valentin S. seit Donnerstag vor der 1. Jugendkammer am Landgericht München I verantworten muss, kann er wegen seiner Krankheit strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb auch keine Anklage bei Gericht eingereicht, sondern eine Antragsschrift. In ihr fordert sie die zeitlich unbefristete Unterbringung des 19-Jährigen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik.

Valentin S. soll seinen Vater am Morgen jenes 1. September 2024 attackiert haben, nachdem dieser in sein Zimmer gegangen war und sich auf seinen Bürostuhl gesetzt hatte. Angeblich war der 63-Jährige, der nur mit seinem Sohn zusammen wohnt, kurz eingenickt, als dieser sich von hinten unbemerkt näherte. Laut Antragsschrift der Staatsanwaltschaft stach Valentin S. seinem Vater mit einem Küchenmesser mit einer fast 20 Zentimeter langen Klinge in den Oberkörper. Dem 63-Jährigen gelang es noch einen Notruf abzusetzen, dann fiel er zu Boden. Valentin S. stach weiter zu und hörte erst auf, als er davon überzeugt war, dass sein Vater an den Verletzungen, die er ihm beigebracht hatte, sterben würde.

Als Rettungskräfte und Polizei vor der Türe standen, hatte sich Valentin S. geweigert zu öffnen. Den Helfern war deshalb nichts anderes übrig geblieben, als die Türe einzurammen. Valentin S. wurde vorläufig festgenommen, sein Vater kam ins Klinikum Bogenhausen. Er hatte 14 Verletzungen am ganzen Körper erlitten. Durch einen der Stiche war der Brustraum geöffnet worden. Ohne die notfallmedizinische Behandlung, so heißt es in der Antragsschrift, wäre der 63-Jährige wohl an den Verletzungsfolgen verstorben.

Als er seinen Vater niedergestochen habe, „war ich wirklich sehr krank“, sagte Valentin S. zum Auftakt des Prozesses zum Vorsitzenden der 1. Jugendkammer, Richter Michael Schönauer. Er habe geglaubt, dass „das Blutvergießen einen Teufels-austreibenden Effekt haben könnte“.

Bereits Monate vor der Tat zeichnete sich offenbar ab, dass der 19-Jährige begann, den Bezug zur Realität zu verlieren. Den Ermittlungen zufolge soll sich Valentin S. Ende 2023 immer mehr zurückgezogen und den Kontakt zu seinen Freunden abgebrochen haben. Auch mit seiner Mutter, die in einer therapeutischen Wohngruppe lebt, habe er nichts mehr zu tun haben wollen, da er den Eindruck gehabt habe, dass diese ihn manipulieren wolle.

Drei Wochen vor dem Messerangriff auf seinen Vater habe er begonnen, „die Bibel intensiv zu lesen“, sagte der 19-Jährige bei seiner Vernehmung.„ Ich habe gedacht, dass ich Gott und Teufel bin und die Sünder bestrafen muss.“ Dies sei „so eine Art Erleuchtung“ gewesen. Dass er sich dies alles eingebildet habe, sei ihm heute bewusst, sagte Valentin S. und fügte hinzu: „Ich denke, dass ich nicht mehr erkrankt und bei klarem Verstand bin.“ Ein Urteil in dem Prozess wird für Anfang August erwartet.