Wolfsburg. Wenn Stephan Lerch, Trainer des VfL Wolfsburg, am Samstagabend das EM-Viertelfinale zwischen Frankreich und Deutschland verfolgt, kann er womöglich zwei statt drei „seiner“ Fußballerinnen beobachten. Bundestrainer Christian Wück lässt sich zwar nicht in die Karten schauen, aber viel spricht dafür, dass nach Janina Minge und Sarai Linder nun mit Sophia Kleinherne eine dritte Wolfsburgerin in die DFB-Abwehr rückt. Der VfL-Neuzugang von Eintracht Frankfurt ist zwar gelernte Innenverteidigerin, hat aber im Verein und im Nationalteam auch schon außen in der Viererkette agiert – und könnte auf der rechten Seite die gesperrte Carlotta Wamser (Leverkusen) ersetzen.
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Ob sich Wück für diese Variante entscheidet oder gar auf Dreierkette umstellt – offen. Klar ist nur, dass gegen die Wucht und die Geschwindigkeit der Französinnen die deutsche Defensive erheblich besser agieren muss als im bisherigen Turnierverlauf. Das weiß und sieht auch Lerch – aber als Vereinstrainer hütet er sich natürlich, dem Kollegen auf der DFB-Bank Ratschläge zu geben. „Es ist ganz schwer einzuschätzen“, sagt der VfL-Coach mit Blick auf das Viertelfinal-Duell diplomatisch. „Ich drücke die Daumen und hoffe, dass es positiv ausgeht. Mit einem klaren Tipp tue ich mich aber ein bisschen schwer.“
„Auch in der Lage, Frankreich zu besiegen“
Einen Hauch von Analyse wagt er aber dennoch. „Die Konstanz, die vielleicht jetzt auch hilfreich wäre, konnte ich bisher jetzt nicht so sehen in den Auftritten der deutschen Mannschaft.“ Das mache eine Prognose schwer möglich. Man habe gesehen, dass die Deutschen im Spiel nach vorn „vieles leisten können“, aber „die Anfälligkeit gepaart mit der Offensiv-Power der Französinnen“ könne durchaus Sorgen machen: „Es wird darum gehen, dass diese Stärke sozusagen ein bisschen weggenommen wird – und dann ist die deutsche Offensive auch in der Lage, Frankreich zu besiegen.“
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Das letzte Duell dieser beiden Nationen bei einem großen Turnier war das EM-Halbfinale 2022, das damals Alexandra Popp entschied – eine Art „Showcase“-Auftritt der VfL-Stürmerin, denn ihre beiden Treffer zum 2:1-Sieg stehen sinnbildlich für Popps Entschlossenheit im Abschluss, der sie über ihre gesamte Karriere auszeichnete und auszeichnet. Aus dem Nationalteam ist die 34-Jährige mittlerweile zurückgetreten, die EM verfolgt sie mit wechselndem Interesse.
Diesmal fiebert Popp vorm Fernseher mit
Das 2:1 der DFB-Elf gegen Dänemark sah Popp vor Ort im Stadion, das 1:4 gegen Schweden habe sie im TV „nicht komplett gesehen, da war ich anderweitig unterwegs“, denn „wenn ich was anderes geplant habe, mache ich das auch“, verriet sie dem MDR. Aber das Spiel am Samstagabend „schaue ich mir selbstverständlich“ an. Das deutsche Team sei zwar Außenseiter, doch „es ist noch nichts verloren“, auch wenn klar ist: „Bei den Franzosen kommen ganz schön schnelle Lokomotiven auf einen zu.“
Neben Minge, Linder und Kleinherne stehen mit den Neuzugängen Cora Zicai und Stina Johannes zwar weitere VfLerinnen im deutschen EM-Kader. Zum Training in Wolfsburg werden sie erst Anfang August erwartet – unabhängig davon, ob das DFB-Team gegen Frankreich rausfliegt oder im Turnier bleibt. Auch das Holland-Duo Lineth Beerensteyn/Caitlin Dijkstra, das bereits in der Gruppenphase scheiterte, kommt nicht früher zurück. „Mit ihnen haben wir telefoniert, um sie ein bisschen abzuholen und ihnen einen kleinen Fahrplan mitzugeben“, sagt Lerch. „Wir haben eher den Gedanken, dass die Spielerinnen die Zeit nutzen sollen, um ein bisschen runterzufahren – körperlich und mental.“ Dasselbe gilt auch für die VfL-Norwegerinnen Thea Bjeld und Justine Kielland, die am Mittwoch ihr Viertelfinale gegen Italien mit 1:2 verloren haben.
AZ/WAZ