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Johannes Strate im Park. © Ansgar Klostermann
Revolverheld im Kurpark Wiesbaden.
Vom Support namens Brunke muss man nur wissen, dass es sich weder um den 113-jährigen Bischof (Adalbert) noch den 39-jährigen kanadischen Käferkundler handelt, die sich neben einem Franziskaner und NS-Opfer (Thaddäus) und einem lebenden Dichter (Timo) mangels Vorname und Wikipediaeintrag für Brunke selbst als Kandidaten aufdrängen. Der Rest des Abends im Kurpark bis hin zum vollen Flow und einem Himmel voll übergroßer, bunter Luftballons gehörte nämlich Revolverheld, und die nutzten ihre Zeit so effektiv wie Berufsgenosse Lucky Luke, der Mann, der schneller zieht als sein Schatten.
Bis zum Tsunami von 2004 hießen Revolverheld Tsunamikiller. Das war, als Schlagzeuger Jakob Sinn noch modelte und diese Mittvierziger von heute ihr Studium der Kulturwissenschaft runternudelten, um die langen Semesterferien dann sinnvoller zu verwenden: zum Musikmachen und Trampen, immer die Küste hoch bis nach Schweden. Außer Sänger-Frontmann Johannes Strate und Niels Kristian Hansen, der mit Jakob und Co-Gitarrist Kristoffer Hünecke schon die Band Freiraum gegründet hatte, waren Arne Bischoff an den Keys und Chris Rodriguez als Tour-Bassist mit auf der Bühne.
Müheloser Ruhm
Wie erfolgreich Revolverheld im Nu waren und seither blieben (ihr Pariser Olympia-Song liegt kaum ein Jahr zurück), muss den Fans niemand sagen. Mittlerweile scheint der Ruhm aus zwanzig-plus Jahren fast schon zu mühelos, wenn man sich anschaut, wie sie sich 2024 die Freiheit nahmen, Majorlabel Majorlabel sein zu lassen und ihr neues Album „R/H/1“ handgestrickt und nur auf Tour anzubieten.
Der schöne Abend im Kurpark von Wiesbaden und im Rahmen des Rheingau-Musik-Festivals war indes laut Strate, dem Mann mit Thomas Müllers „25“ auf dem Rücken, schlicht den besten Songs gewidmet.
Los ging’s mit dem Song „Spinner“ vom Album „In Farbe“. Da hatten sie die „Best Newcomer“-Phase schon hinter sich und den EM-Song „Helden 2008“ auch und es deutete sich an, wie sie vom Deutsch-Pop her der Schlagerfalle und dem Immergleichen trotzen würden. „Lass dein altes Leben hinter dir/ und geh durch diese neue Tür“, reimten sie da, und: „Das geht raus an alle Spinner/ denn wir sind die Gewinner.“ Klingt gelesen schlagerig, hört sich live aber nicht so an.
Weiter ging es mit „Kein Liebeslied“, „Ich werd‘ die Welt verändern“ und „So wie jetzt“. Letzteres klang nach dem neoklassischen Einspieler eher nach Hardrock, als sei die Band wahrhaftig „Immer in Bewegung“.
Und was machen sie für eine Musik? Ein bisschen war’s, als hätten diese Hamburger in Bremen etwas vom Geist der frühen Beatles aufgesogen und dran festgehalten, anders als die Originale mit ihrer atemberaubenden Entwicklung zu immer neuen Stilen und Klangwelten, aber doch und durchaus respektabel. Nicht jeder hat das Glück, in extrem neuerungsbegabten Jahrzehnten Kunst machen zu dürfen.
Mit „Halt dich an mir fest“ folgte einer ihrer bekanntesten Hits, bevor „Das kann uns keiner nehmen“ auf der Nostalgiewelle surfte, „Sommer in Schweden“ auch und „Immer noch fühlen“ ebenfalls so halbwegs.
Ein guter Abend
Dazwischen und danach Liebeslieder wie „Liebe auf Distanz“ und „Das Größte“, während das Publikum längst in Halbtrance nach den bunten Farbtupfern über seinen Köpfen ausholte. Als Strate zu „Ich werde nie erwachsen“ auch noch das Tamburin in die Lüfte über der Orchestermuschel pfefferte, kamen die informellen Zugaben, bis sich „Lass uns gehen“ und „Deine Nähe tut mir weh“ fast ironisch anhörten. Guter Abend.