Keine eigenen vier Wände, aber ein Dach über dem Kopf: Immer mehr Menschen in Berlin kommen in Wohnungslosen-Unterkünften unter, weil sie keine eigene Bleibe finden. Bund und Land nehmen dafür viel Geld in die Hand. Die Unterbringung wohnungsloser Menschen in Berlin kostete im vergangenen Jahr über 364,85 Millionen Euro.
Der größte Anteil wurde als sogenannte „Kosten der Unterkunft“ vom Jobcenter und den Sozialämtern getragen. Hier fielen 362,8 Millionen Euro an. Bei Menschen, die einen Leistungsanspruch gegenüber dem Jobcenter haben, übernimmt der Bund einen Teil der Kosten. Anders ist es mit den weiteren zwei Millionen Euro, die durch die ordnungsrechtliche Unterbringung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) anfielen. Dafür kommt das allein Land Berlin auf.
Die Daten gehen aus einer Antwort der Sozialverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Zuvor hatte die „Berliner Morgenpost“ darüber berichtet.
Die Kosten sind nach Angaben der Sozialverwaltung gestiegen: 2023 musste das Land für die Unterbringung wohnungsloser Menschen 352,8 Millionen Euro aufbringen. Im vergangenen Jahr waren es also rund zehn Millionen mehr.
Zum Stand Ende Januar 2024 waren über 47.000 Personen in Berlin wohnungslos. Unter die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen fallen auch anerkannte Geflüchtete, die einen Aufenthaltstitel haben und eigentlich in eine eigene Wohnung ziehen könnten, zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit aber weiterhin in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft leben. Eine eigene bezahlbare Wohnung finden die Betroffenen vielfach aufgrund der allgemeinen Wohnungsnot nicht.
Ausgestaltung der rund 580 Einrichtungen variiert stark
Für die ordnungsrechtliche Unterbringung von Wohnungslosen stehen laut Sozialverwaltung berlinweit aktuell rund 580 Unterkünfte zur Verfügung. Die Ausgestaltung variiert sehr stark: Manche Unterkünfte befinden sich in herkömmlichen Immobilien, teils werden aber auch Hotels oder Hostels angemietet. Manche Unterkünfte haben bestimmte Mindeststandards und werden von einem Wohlfahrtsverband betrieben, andere von einem privaten Anbieter ohne Verabredung zu Qualitätsstandards.
„Anfangs habe ich mich versteckt“ Über das Leben als wohnungslose Frau in Berlin
Die Kosten für die Unterbringung sind auch deswegen so hoch, weil Anbieter teils große Summen für die Vermietung von Unterkünften verlangen können. Nach Tagesspiegel-Informationen treiben sie auch vereinzelt die Kosten in die Höhe, weil sie das für die Geflüchtetenunterbringung zuständige Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sowie die für die Wohnungslosen zuständigen Bezirke gegeneinander ausspielen.
Wohl auch deswegen soll langfristig das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ebenfalls Unterkünfte für Wohnungslose bereitstellen – auch wenn die Bezirke weiterhin für die Verteilung dieser Menschen verantwortlich sind.
Mit der sogenannten gesamtstädtischen Steuerung, die die Berliner Verwaltung stadtweit einführen will, soll zudem die Belegung der Unterkünfte unkomplizierter und dadurch schneller gelingen. Aktuell müssen Sachbearbeiter in den Bezirken bei der Suche nach freie Plätzen teils stundenlang verschiedene Stellen abtelefonieren, um zu erfahren, wo noch Kapazitäten frei sind.
Mehr zur Wohnungslosigkeit in Berlin: 13.000 Minderjährige in Berlin betroffen Familiensenatorin fordert von Sozialsenatorin Kinderschutz-Standards in Notunterkünften Obdachlosenhilfe kostet nur? Wenn Berlin nicht sinnvoll hilft, wird es am Ende noch teurer Neue Aufgaben für das Berliner Landesflüchtlingsamt Behörde soll bald auch für Wohnungslose zuständig sein
Sozialpolitiker Taylan Kurt (Grüne) fordert angesichts der steigenden Wohnungslosigkeit und damit verbundenen Kosten, der Kampf gegen Zwangsräumungen und die Schaffung tausender bezahlbarer Wohnungen müsse „endlich zur Priorität des Senats“ werden. 4000 neue landeseigene Wohnungen stünden mehreren Tausenden Zwangsräumungen pro Jahr gegenüber und seien daher „einfach zu wenig, um den Kampf in Berlin gegen die steigende Wohnungslosigkeit zu gewinnen“.
Berlins Diakonie-Direktorin Ursula Schoen hatte Berlin bereits im vergangenen Herbst im Kampf gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit ein vernichtendes Urteil ausgestellt: „Die bundesweite Vereinbarung und die Selbstverpflichtung zur baldigen Abschaffung der Wohnungslosigkeit ist in Berlin gescheitert“, sagte sie damals. Sie forderte eine Weiterentwicklung des Hilfesystems, denn Menschen ohne Obdach würden das Stadtbild „auf Dauer“ bestimmen.