Alarmstufe MDMA
–
Fast alle getesteten Ecstasy-Tabletten sind aktuell zu stark dosiert
Sa 19.07.25 | 08:22 Uhr | Von Yasser Speck
Bild: picture alliance/dpa/Philip Dulian
Die Zahl der Drogentoten ist auf einem Höchststand. Bei „Rave the Planet“ und dem Fusion-Festival landeten zahlreiche Teilnehmende im Krankenhaus, teilweise in Lebensgefahr. Eine Expertin klärt auf, wo die aktuellen Risiken liegen. Von Yasser Speck
Bei der Techno-Parade „Rave the Planet“ kamen am vergangenen Wochenende mehrere Personen unter lebensgefährlichen Umständen ins Krankenhaus. Meist ging es dabei laut einem Feuerwehrsprecher um alkohol- oder drogenbedingte Probleme.
Auch auf dem Fusion-Festival mussten vor einigen Wochen mehrere Personen mit Herzproblemen in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Auch sie hatten Drogen konsumiert, die zu hoch dosiert oder zu rein waren.
Mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt
Laut Berliner Feuerwehr mussten beim „Rave the Planet“ 13 Personen in lebensbedrohlichem Zustand und 27 Personen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden. Als lebensbedrohlich gelte der Zustand beispielweise, wenn jemand beatmet werden müsse, hieß es.
Hauptursache seien Vergiftungen durch Alkohol und Drogen, sagte Sprecher Dominik Pretz der Deutschen Presse-Agentur (DPA) am Montag. Zu den sogenannten Partydrogen zählen zum Beispiel Ecstasy-Pillen, Kokain, Ketamin und Mephedron.
Welche Drogen die Verletzten auf dem „Rave the Planet“ konsumiert hatten und in welcher Menge, das lässt sich aktuell nicht sagen. Auch wie stark die Drogen dosiert sind, die im Umlauf waren, lässt sich aktuell nicht ermitteln. Einen kleinen Einblick in die Reinheit der Drogen bietet in Berlin das Drugchecking-Projekt.
Augustine Reppe ist bei der Vista gGmbH unter anderem zuständig für das Projekt Drugchecking in Berlin. Beim Drugchecking können Konsumentinnen und Konsumenten ihre Drogen auf den Reinheitsgrad, mögliche Verunreinigungen und den Wirkstoffgehalt überprüfen und analysieren lassen. Vista führt das Projekt gemeinsam mit der Schwulenberatung Berlin und der gGmbH Fixpunkt durch.
In den vergangenen zwei Jahren hätten sie rund 3.500 Substanzen analysiert, so Reppe. „Für etwa die Hälfte der Substanzen, also rund 1.700, haben wir Warnungen herausgegeben“, sagt sie. Die Substanzen, vor denen sie warnen, können auf der Website von Drugchecking Berlin [drugchecking.berlin/aktuelle-warnungen] eingesehen werden.
Auf dem Fusion-Festival kamen mehrere Menschen mit Herzproblemen ins Krankenhaus, weil sie zu reines Kokain konsumiert haben sollen. Das gab die Universität Rostock nach dem Festival bekannt. Die Uni Rostock ist auf der Fusion unter anderem am Drugchecking beteiligt. Augustine Reppe kann in Berlin keinen Trend zu immer reinerem Kokain erkennen. Das liege aber vor allem auch daran, dass sie nur einen kleinen Einblick in die in Berlin konsumierten Drogen bekommt.
Kokain mit 73 Prozent Reinheit
„Es hört sich erstmal nach viel an, dass wir in zwei Jahren 3.500 Proben analysiert haben, aber letztlich ist es ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Reppe. Sie bekämen nur einen ungefähren Überblick davon, was Konsumentinnen und Konsumenten aktuell erwerben und wie die Zusammensetzung sei. In den vergangenen sechs Monaten hätten sie etwa 190 Kokainproben analysiert. Der durchschnittliche Reinheitsgrad lag bei 73 Prozent.
Ab wann der Wirkstoffgehalt gefährlich werde, sei individuell für jede Person anders, so Reppe. Das hänge mit der Dosierung und körperlichen Konstitution zusammen. Konsumentinnen und Konsumenten müssten Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von über 90 Prozent eben viel geringer dosieren als mit niedrigerem Reinheitsgrad. „Aber dafür benötigen sie Informationen zum Wirkstoffgehalt. Diese Informationen sind wichtig und können Drogennotfälle verhindern“, so die Expertin.
Drugchecking-Informationen „können Not- und Todesfälle verhindern“
Beim Drugchecking werden natürlich auch Ecstasy-Pillen analysiert. „In den vergangenen sechs Monaten haben wir für fast alle getesteten Ecstasy-Tabletten Warnungen herausgegeben. Ab 200 Milligramm MDMA pro Tablette sprechen wir dann sogar von einem Alarmwert“, erläutert Reppe.
Drogenkonsum sei per se nie ungefährlich. Besonders bedenklich werde es allerdings, wenn Konsumentinnen und Konsumenten nicht wüssten, was in der Droge sei und welche Streckmittel enthalten seien. Konsumentinnen und Konsumenten könne man am besten schützen, indem man Drugchecking-Projekte weiterhin anbieten und ausbauen würde, so Reppe. „Die Informationen, die Konsumentinnen und Konsumenten beim Drugchecking erhalten, können Not- und Todesfälle verhindern.“
Drogentote in Berlin auf Höchststand
Im vergangenen Jahr sind 294 Menschen in der Hauptstadt durch den Konsum illegaler Drogen gestorben – ein neuer Höchststand. Gerade bei unter 30-jährigen Menschen war ein besonders starker Anstieg zu erkennen. In der Altersgruppe stieg die Zahl der Drogentoten um 14 Prozent an im Vergleich zum Vorjahr.
Die Zahlen hatte der Bundesbeauftragte für Sucht- und Drogenfragen, Hendrik Streeck, bei einer Pressekonferenz gerade Anfang Juli vorgestellt. Deutschlandweit sei die Zahl im Gegegnsatz zu Berlin allerdings leicht gesunken.