„Nina Chuba war besser als Depeche Mode“, urteilt die 10-jährige Charlotte aus Hohenschönhausen. Noch ganz aufgeregt erzählt sie vom Konzert ihres liebsten Popstars in der ausverkauften Wuhlheide. Depeche Mode war ihr allererstes Konzert. Doch Nina sei netter, besser und cooler als die legendären Briten. Ihr Lieblingssong? „Fata Morgana“. Auf die Frage ob sie traurig darüber sei, dass Featuregast Bill Kaulitz nicht mit auf der Bühne war, antwortet sie: „Wer?“. Sie mag es lieber, wenn Chuba alleine singt. Für ihren Bruder Lennart war es das erste Konzert überhaupt. „Ich fand es auch toll“, sagt er schüchtern.
Das überschwängliche Fazit der Kinder überrascht nicht. Der Abend mit Chuba vereint alles, was ein gutes Open Air ausmacht: Feuershow, Konfetti, Stargäste und vor allem Hits. Zwei Tage vorher musste Chuba eine Show in der Schweiz krankheitsbedingt absagen. Doch um Punkt 20:15 steht sie auf der Bühne, eröffnet mit dem Song „Nina“ den Abend energetisch und bestens gelaunt. In den vorderen Reihen riecht es nach Gras. Eltern tragen ihre Kinder auf den Schultern. Die Mädchen tragen ihre Haare zu Space Buns geflochten, wie Nina Chuba.
Als die Sängerin auf der Bühne rumspringt und tanzt, ist die Menge euphorisiert. Die 26-jährige Wahlberlinerin trägt einen sportlichen Zweiteiler aus Shorts und einem korsettähnlichen Oberteil, dazu hohe Lederstiefel. Ihre ohnehin tiefe Stimme klingt ein wenig rau, was ihr noch mehr Charakter verleiht. Den Song „Wenn das Liebe ist“ performt sie selbstbewusst und charismatisch, der Gesang ist punkiger als sonst. Obwohl er erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, singt das Publikum jedes Wort mit.
Mit Begleitung an Trompete, Posaune und Saxophon stimmt Chuba das vom Reggae inspirierte „Mamashoot“ an, einen bislang unveröffentlichten Song. Den Song widmet sie ihren „Mädels“ im Publikum, er soll ihnen Mut zu sprechen. Passend dazu ist ihre Band vor allem weiblich besetzt. Bei „Farbenblind“ wechselt die Stimmung merklich. Der Song stammt aus der gleichnamigen EP aus dem vergangenen Jahr. Sie klingt nachdenklicher, emotionaler und kantiger als auf dem Debütalbum „Glas“. In den Songs thematisierte sie ihren rasanten Aufstieg.
Chuba blickt stolz ins Publikum
In knapp drei Jahren hat sich die Künstlerin aus dem Prenzlauer Berg von einer Newcomerin zu einem der größten Popstars Deutschlands entwickelt. „Ich weiß noch ganz genau, ich weiß noch, wie es dazu kam/ Zu viel unterwegs, zu viel passiert im letzten Jahr/ Jeden Traum erfüllt, wie soll ich träum’n ohne Schlaf?/ Sag mir, Paradies, was hab‘ ich dir getan?“, singt sie in der zweiten Strophe eindrücklich. Zu Ende des Songs schaut sie stolz und überwältigt ins Publikum. Tränen steigen ihr in die Augen, doch viel Zeit zum Innehalten bleibt ihr nicht.
Begleitet von Sicherheitsleuten bahnt sie sich ihren Weg durch die Menge. Auf einer kleinen Bühne performt sie im hinteren Teil des Publikums. „Oh Gott, stopp, warte, Klaus, ich muss mich kurz beruhigen“ schreit die sichtlich aufgekratzte Sängerin ihrem Pianisten auf der Haupbühne zu. Ihr früherer Song „Nicht Allein“ profitiert von dieser Verletzlichkeit. Er klingt sanfter als ihre oft glatt produzierten Veröffentlichungen. Am bewegendsten ist „Unsicher“. „Ich stolper‘ durch die große, weite Welt, ich bin so unsicher/ Ich bin noch nicht so gut dadrin, ich leb‘ grade zum ersten Mal/ Zum ersten Mal“, singt sie unisono mit ihren Fans. Neben Chubas Bühnenpräsenz überzeugt das Zusammenspiel ihrer jungen Band, die sich energetisch durch Elektronik, Rock, Akustik und Soul spielt.
Zurück auf der Hauptbühne folgen die ganz großen Hits. Die gibt es bei Chuba zu Genüge – oft inklusive Featuregästen. Für „Ich glaub ich will heut nicht gehen“ holt sie sich den Provinz-Sänger Vincent Waizenegger auf die Bühne, für „Ich Hass dich“ den Rapper Chapo102. Selbst die Jüngsten schreien, klatschen und hüpfen die rotzigen Lyrics mit. Doch Chuba schraubt das Energielevel noch höher. Ihren Song „Rage Girl“ widmet sie wieder den Mädels, diesmal den wütenden. Im Remix singt sie gemeinsam mit Esther Graf, Eli Preiss, Kauta, Layla, Kayla Shyx, Marie Bothmer, Rua und Badmómzjay. Chuba holt sie alle auf die Bühne.
Am Ende mündet die selbstermächtigte Performance der Künstlerinnen in gemeinsamen Headbangen zu einer Feuershow und roter Nebelmaschine. Chuba setzt sich entschlossen für Gleichberechtigung in der Musikindustrie ein. Somit ist es nicht verwunderlich, dass ihr Sound vor allem bei den weiblichen Fans gut ankommt. Ihrer eigenen Mutter hat sie eine Zeile ihres größten Hit gewidmet: „Wildberry Lillet“. Den spielt sie als Zugabe. Zum allerletzten Song „Waldbrand“ liegt sich das Publikum glückselig in den Armen. Bevor das Konzert endet, kündigt Nina Chuba ihr zweites Album an. „ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ heißt es. An diesem Abend haben sich ausnahmslos alle lieb: Besonders aber die Mütter und die Mädels.