Etwa 750 Menschen haben am Freitagabend gegen die israelischen Bombardements im Gazastreifen, für ein freies Palästina und gegen den jüdischen Staat demonstriert. Die Kundgebung, die die Organisatoren als „Routine“ bezeichneten, hatte durch ihre räumliche Nähe zur Münchner Hauptsynagoge und dem zur gleichen Zeit dort stattfindenden Schabbat-Gebet besondere Brisanz erhalten. Mit einer Menschenkette um die Synagoge demonstrierten mehrere hundert Münchnerinnen und Münchner ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde.

„Schützt unsere Synagoge!“ Dazu hatten unter anderem das Bündnis „München ist bunt“, die „Omas gegen Rechts“, das evangelisch-lutherische Dekanat München sowie weitere Gruppen und Institutionen aufgerufen. Den Schutz übernahmen dann aber doch etwa 150 Beamtinnen und Beamte des Polizeipräsidiums München, darunter das Staatsschutzkommissariat, das Unterstützungskommando (USK) und die Reiterstaffel. Absperrgitter und Kontrollstellen regelten den Zugang zum Sankt-Jakobs-Platz, berittene Polizisten sperrten den Oberanger als Verbindungsstraße vom Rindermarkt, wo die propalästinensischen Gruppen sich trafen, zur Synagoge.

Später begleiteten Polizistinnen und Polizisten auch den Demonstrationszug, der an mehreren Stellen der Synagoge bis auf Sicht- und Hörweite nahe kam. Zwischenfälle seien ausgeblieben, bilanzierte Polizeisprecher Thomas Schelshorn am späten Abend.

Auf dem Jakobsplatz sprachen unter anderem die Shoah-Überlebende und Münchner Ehrenbürgerin Charlotte Knobloch („Wir müssen wieder in Angst und Schrecken leben“), der zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne), Altoberbürgermeister Christian Ude, die frühere evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und die SPD-Stadträtin Micky Wenngatz als Vorsitzende des Bündnisses „München ist bunt“.

Charlotte Knobloch mit Aktionskünstler Walter Kuhn vor der Synagoge Ohel Jakob auf dem St.-Jakobs-PlatzCharlotte Knobloch mit Aktionskünstler Walter Kuhn vor der Synagoge Ohel Jakob auf dem St.-Jakobs-Platz (Foto: Foto: Robert Haas)Altoberbürgermeister Christian Ude kritisierte, dass die propalästinensische Demonstration am Freitagabend genehmigt wurde.Altoberbürgermeister Christian Ude kritisierte, dass die propalästinensische Demonstration am Freitagabend genehmigt wurde. (Foto: Robert Haas)

Kritik am städtischen Kreisverwaltungsreferat war zu hören: Die Route der propalästinensischen „Marschdemo“ hätte so nicht genehmigt werden dürfen. Das sei „vorauseilender Gehorsam“ gewesen, sagte Ude, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Man hätte es in Kauf nehmen sollen, dass Gerichte eine Entscheidung darüber treffen. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, Religionsfreiheit jedoch ebenso.

Das KVR hatte im Vorfeld gesagt, das Polizeipräsidium habe keine Sicherheitsbedenken gehabt, eine Änderung der Route sei deswegen nicht weiter Thema gewesen. Vertreter der jüdischen Gemeinde hatten die Befürchtung geäußert, dass manche Gemeindemitglieder aus Furcht vor Übergriffen den Weg zur Kabbalat Schabbat scheuen könnten. Der evangelische Stadtdekan Bernhard Liess schrieb auf Instagram: „Wenn jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger nur noch unter Polizeischutz ihre Synagoge betreten können, dann ist dies ein unhaltbarer Zustand.“

Solche Bedenken spielten auf dem Rindermarkt keine Rolle. Die Frage, warum man diese Marschroute zu dieser Uhrzeit gewählt habe, hatte „Palästina spricht München“ im Vorfeld nicht beantwortet, ebensowenig die, ob man die Bedenken jüdischer Münchnerinnen und Münchner verstehen könne. Stattdessen hatte „Palästina spricht München“ auf Instagram derartige Fragen als „Diffamierung“ bezeichnet.

Die Menschenkette um die Synagoge sei eine Inszenierung, ein „Theaterstück“ von „Zionisten- und Faschistenfreunden“, wie es ein palästinensischer Redner formulierte, der als „Genosse Aboud“ vorgestellt worden war. Er würde gerne mit seinen „jüdischen Mitstreitern“ in der Synagoge für „ein Ende des Genozids“ beten, sagte er – aber das würde ihm sicher verwehrt. „Zionisten sind die wahren Antisemiten“, behauptete der Redner. Wer an der Menschenkette teilnehme, wolle sich nur von den Verbrechen der eigenen Elterngeneration „freikaufen“. Im Pro-Palästina-Lager existiere dagegen kein Antisemitismus.

Während sie auf Plakaten und in Reden Antisemitismus-Vorwürfe zurückwiesen und von einer „Instrumentalisierung“ sprachen, wandten sich viele Teilnehmer der Palästina-Kundgebung umso entschiedener gegen den Zionismus, also die Hoffnung und den Anspruch vieler Juden, selbstbestimmt in einem eigenen Staat leben zu können. „Zionisten sind Faschisten, Kindermörder und Rassisten“, skandierten die Versammelten auf dem Rindermarkt und während ihres Demonstrationszugs immer wieder.

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„There is only one state: Palestine 48“ lautete eine weitere Parole, die das Existenzrecht Israels bestreitet. Unterstützung gab es dagegen für das Terrorregime der schiitischen Mullahs. „Hände weg vom Iran“ forderte ein Redner der trotzkistischen Splittergruppe „Klasse gegen Klasse“. Sie wird ebenso wie das Netzwerk „Palästina spricht München“, das zu der Kundgebung aufgerufen hatte, vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.

Gefeiert wurde auf der Kundgebung „die palästinensische Widerstandsbewegung“, während das Leid der israelischen Geiseln, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas-Terroristen befinden, als „Lüge“ bezeichnet wurde. Es handle sich dabei „überwiegend um israelische Soldaten“, die „zumeist Kriegsverbrecher“ seien, behauptete eine Rednerin. Was mit israelischen Soldaten passieren solle, wurde während des palästinensischen Demonstrationzugs deutlich, als Hunderte den Slogan eines aktuell umstrittenen britischen Punk-Rap-Duos skandierten: „Death, death to the IDF.“ IDF ist die israelische Armee.