Frankreich tänzelte am Rande einer Niederlage, als Delphine Cascarino tat, was in der Pause von ihr gefordert wurde: Erst bereitete sie den Ausgleichstreffer vor, ehe sie innerhalb von vier Minuten selbst zwei Tore erzielte. So schnell kann es gehen. „Wir müssen sie manchmal etwas anfeuern, damit sie ihr ganzes Potential zeigen kann“, sagte Frankreichs Trainer Laurent Bonadei nach dem 5:2-Erfolg gegen die Niederlande, durch den sich „Les Bleues“ den Gruppensieg bei der Fußball-EM sicherten und an diesem Samstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM der Frauen, im ZDF und bei DAZN) im Viertelfinale auf Deutschland treffen.
Cascarino, die als Kind Rugby spielte, bevor sie zum Fußball wechselte, war sowohl gegen England (2:1) als auch gegen die Niederlande Schlüsselspielerin. Mit ihrem Tempo, ihren Dribblings und Distanzschüssen sorgt sie für ständige Gefahr auf dem rechten Flügel. Cascarino gehört mit neun Meisterschaften und sechs Champions-League-Titeln zu den erfolgreichsten Spielerinnen im französischen Kader.
Trotzdem scheint sie manchmal zu vergessen, wie gut sie ist. „Ich habe den Eindruck, dass ich mehr an sie glaube als sie an sich selbst“, hat ihre Trainerin bei Olympique Lyon, Sonia Bompastor, einst über Cascarino gesagt: „Wenn ich mit ihr spreche, versuche ich, ihr Selbstvertrauen zu stärken, indem ich sie an ihre Qualitäten erinnere.“
„Ich muss ein Risiko eingehen“
Bei der WM vor zwei Jahren fehlte Cascarino wegen eines Kreuzbandrisses. Jetzt scheint sie wieder zu ihrer Form gefunden zu haben, die sie 2020 in die FIFA-Weltauswahl brachte. Auch, weil sie nach 15 Jahren im gleichen Verein das Gefühl hatte, etwas Neues zu brauchen.
„Wenn ich mich verbessern will, muss ich ein Risiko eingehen und mich verändern“, erklärte sie kürzlich im Interview mit „The Women’s Game“. Also wechselte sie zu San Diego Wave in die US-amerikanische NWSL. Der Schritt scheint das zu sein, was Cascarino brauchte. Sie sei dadurch „erwachsen“ geworden und habe auch athletische Fortschritte gemacht: „Ich laufe jetzt viel mehr.“
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Die 28 Jahre alte Außenstürmerin ist das, was im Fußball gerne als „komplette Spielerin“ bezeichnet wird. Sie ist körperlich stark, hat eine gute Technik und noch bessere Übersicht. Entweder findet sie eine Mitspielerin oder die richtige Lücke, um selbst abzuschließen. Manchmal ist aber auch sie ratlos. „Dann nutze ich meinen Körper, um eine Bewegung vorzutäuschen“, sagte Cascarino vor der EM zu „The Athletic“: „Es ist eine Gewohnheit. Mein Körper macht, was er will, und manchmal funktioniert es.“
Cascarino ist keine Frau der großen Worte, sie versucht lieber, auf dem Platz ihre Leistung zu bringen. Wenn sie redet, dann eher über die Mannschaft als über sich. Einmal hat sie sich vor der EM aber doch zu einer Kampfansage hinreißen lassen. Ohne ihre Zwillingsschwester Estelle, die am Knie verletzt ist und nicht im EM-Kader steht, versprach sie: „Ich werde für zwei spielen.“
Die deutsche Defensive sollte gewarnt sein. Nur eine Delphine Cascarino ist schon schwer zu verteidigen.