Der Regenbogenkiez um den Nollendorfplatz in Schöneberg war am Sonnabend bereits Ziel von Tausenden Besucherinnen und Besuchern. Am ersten Tag des Lesbisch-schwulen Stadtfests kamen auch Politiker vorbei – zum Beispiel Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).
Am Stand vom Verband Lesben und Schwule in der Union (LSU) bekam Wegner ein T-Shirt mit der Aufschrift „Dem deutschen Zirkus“ geschenkt – eine Anspielung auf die viel kritisierte Äußerung seines Parteifreunds Friedrich Merz. Der hatte sich damit hinter den Kurs von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zum Christopher Street Day in Berlin gestellt.
Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, bekam am Stand vom Verband Lesben und Schwule in der Union (LSU) ein T-Shirt mit der Aufschrift „Dem deutschen Zirkus“ geschenkt.
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Bei einer Podiumsdiskussion begrüßte die Frauenrechtlerin Seyran Ateş die geplante Einführung der elektronischen Fußfessel in Berlin verteidigt. „Die elektronische Fußfessel wird Leben retten“, sagte Ateş. „Das hätte auch sehr vielen meiner Mandantinnen geholfen“, ergänzte Ateş, die früher als Anwältin gearbeitet hat.
CDU und SPD haben sich Ende Juni darauf verständigt, dass Gerichte das Tragen einer elektronischen Fußfessel bei Fällen von häuslicher Gewalt anordnen können. Die Maßnahme ist Teil der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) und soll Verstöße gegen gerichtliche Kontakt- und Näherungsverbote verhindern. Vorbild ist Spanien, wo die Fußfessel bereits angewendet wird.
Seyran Ateş
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Ateş war am Sonnabend Gast auf dem Podium beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest, zusammen mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), Ex-Sozialsenatorin Elke Breitenbach (ehemals Linke) und Gulya Sultanova, eine russische Bürgerrechtlerin und queere Aktivistin, die im Exil in Estland lebt.
Kritik an Bundeskanzler Merz
Das Motto der auch als Motzstraßenfest bekannten Veranstaltung lautet: „Wir haben viel zu verlieren, unsere Feinde schlafen nicht“.
Stadtfest-Gründer Gerhard Hoffmann kritisierte unter anderem, dass Frauenrechte und queere Rechte durch konservative muslimische Gruppierungen in Berlin unter Druck geraten. Als Beispiel nannte er den Fall der muslimischen Studierendengruppe MedIslam Collective, die bei einer Veranstaltung eine Geschlechtertrennung bei der Sitzordnung vorgenommen haben soll.
Kritik gab es auch für Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der die Entscheidung der Bundestagspräsidenten Julia Klöckner, zum Berliner CSD auf dem Bundestag nicht die Regenbogenflagge zu hissen, verteidigt hatte. „Herr Merz ist nicht für uns“, sagte Hoffmann.
Das Lesbisch-Schwule Stadtfest findet zum 31. Mal statt. Mehrere Senatsmitglieder besuchten die Veranstaltung am Sonnabend, darunter der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Das Fest wird am Sonntag fortgesetzt.
Im Schöneberger Regenbogenkiez wird traditionell am Wochenende vor dem Berliner „Christopher Street Day“ groß gefeiert. Der Veranstalter, der Regenbogenfonds der schwulen Wirte, rechnete im Vorfeld mit mehr als 350.000 Besucher*innen, was das Fest zu Europas größtem Stadtfest für die queere Community mache.
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Auf dem Motzstraßenfest präsentieren sich viele queere Projekte, Initiativen, Vereine, Läden und Parteien und geben Einblick in ihre Arbeit. Auch die Queerspiegel-Redaktion des Tagesspiegel war mit einem Stand vertreten. Das Fest entstand Anfang der 90er-Jahre auch als Reaktion auf die Zunahme rechter Gewalt nach dem Mauerfall.