Berlin – Die neue Bundesregierung steckt in einer brisanten Strom-Falle: In den nächsten Jahren wird der Stromverbrauch in Deutschland drastisch steigen. Doch der Ausbau des dafür nötigen Leitungsnetzes wird bis 2045 rund 600 Milliarden Euro verschlingen.

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Viel zu teuer, heißt es im Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche (52, CDU). Die Ministerin will daher umsteuern, den ungezügelten Ausbau von Solar- und Windanlagen zügeln. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss sich viel stärker am Ausbau des Stromnetzes orientieren“, so Reiche zu BILD. „Das spart Geld für Unternehmen und Verbraucher.“

Im vergangenen Jahr verbrauchten Deutschlands Firmen und Haushalte insgesamt 464 Terawattstunden (TWh) Strom. In fünf Jahren könnten es schon 670 TWh sein. Das wäre ein Plus von fast 45 Prozent. Bis 2035 gilt sogar eine Verdopplung auf 1000 TWh als möglich.

► Begründung: Es gibt immer mehr stromfressende Rechen- und Serverzentren, E-Fahrzeuge, Wärmepumpen.

Das Problem: Deutschland will bis spätestens 2038 komplett aus der Kohlestrom-Erzeugung aussteigen. Doch um den erwarteten Strombedarf zu decken, reichen Sonne, Wind, Biomasse etc. nicht aus bzw. würde der Ausbau des Stromnetzes eben viel zu teuer werden.

Reiche will daher – genau wie Vorgänger Robert Habeck (55, Grüne) – Gaskraftwerke bauen. Aber die Zeit dafür wird immer knapper.

Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (52, CDU)

Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

„Wir brauchen Gaskraftwerke, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint“, so Reiche. Diese „Dunkelflaute“ dauere oft Wochen. „Aber auch dann muss unsere Stromversorgung sicher sein.“ Reiche will noch in diesem Jahr mit der Ausschreibung von ersten Gaskraftwerken starten, bekommt dafür aber Kritik vom Koalitionspartner.

Unterstützung kommt aus der Industrie: BDI-Vize Holger Lösch zu BILD: „Die bisher extrem ambitionierte und teure Planung der Energiewende muss stärker an realen Nachfrage- und Kostenentwicklungen ausgerichtet werden.“

Konzernbosse wie BMW-Chef Oliver Zipse (61) warnen vor einem Strom-Crash. Wenn – wie von der EU vorgeschrieben – ab 2035 nur noch E-Autos hergestellt werden dürfen, reiche das Stromnetz nicht, so der Konzernchef zu BILD: „Ich fürchte, dass wir glauben, wir in Deutschland könnten in zehn Jahren jedes neue Auto mit Strom laden. Aber das ist unmöglich.“

BMW-Chef Oliver Zipse

BMW-Chef Oliver Zipse (61)

Foto: HECTOR RETAMAL/AFP

Um das deutsche Stromnetz für einen 100-prozentigen E-Auto-Anteil fit zu machen, „brauchen wir 30 bis 40 Jahre“, so Zipse. Es werde völlig übersehen, dass das sehr teuer werde.