Donald Trump will sein konservatives Weltbild in den USA weiter etablieren. Bei seiner Stammwählerschaft rennt er offene Türen ein, doch an den Toren der Universitäten scheiterte er bislang. Ein neues Gesetz in Ohio nimmt jetzt doch massiv Einfluss auf das Leben am Campus – durch die Hintertür.

Gouverneur Mike DeWine unterzeichnet an einem Freitag Ende März 2025 das umstrittene Gesetz SB1, das das Campus-Leben an den Universitäten des US-Bundesstaates Ohio stark verändern wird. Konkret sollen alle Programme und Clubs geschlossen werden, die sich um Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion – Diversity, Equity, Inclusion, kurz DEI – drehen. Zudem werde die „intellektuelle Vielfalt“ im Unterricht stark eingeschränkt, heißt es im Gesetz. 90 Tage haben die großen Colleges Zeit, die Anforderungen anzupassen, sonst werden staatliche Finanzierungen drastisch gekürzt.

Doch nicht nur die Studierenden sind betroffen, auch an den Fakultäten werden die Zügel angezogen. „Wenn die Fakultät eine Gewerkschaft hat, wird festgelegt, dass sie nicht für ihre Rechte streiken darf“, erklärt der amerikanische Investigativjournalist Theo Peck-Suzuki im Gespräch mit ntv.de. „Das widerspricht eigentlich dem ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung.“ Geregelt ist hier die Freiheit der Rede und der Presse.

Diskriminierung neu gedacht

Auch wenn man das neu erlassene SB1-Gesetz der republikanischen Trump-Regierung zuschreiben kann, liegt der Grundstein im Streit um die DEI-Programme schon Jahre zurück. „In Trumps erster Amtszeit 2016 stand er als Präsident auch dem Bildungsministerium mit dem „Office of Civil Rights“ vor“, erklärt Peck-Suzuki. Der „Civil Rights Act“ von 1964 ist ein bedeutendes US-amerikanisches Gesetz, das Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion verbietet. Feste Quoten gibt es nicht, doch viele Universitäten haben Programme, um die Chancengleichheit zu fördern.

„Wer sich von einer Universität diskriminiert fühlt, kann im „Office of Civil Rights“ eine Beschwerde einreichen“, sagt der Journalist. Diese Beschwerde werde dann geprüft und die Universität im Zweifel abgemahnt. Durch die erste Trump-Regierung fand ein Umdenken der Diskriminierung statt. „Einfach erklärt, hat Trump dem „Office of Civil Rights“ gesagt: Wenn sich ein weißer Mann beschwert, dass er durch eines der DEI-Programme einen Nachteil erfahren hat, muss die Universität dieses Programm abändern“, bricht es Peck-Suzuki runter.

Plötzlich haben die DEI-Programme nicht mehr für marginalisierte Gruppen gekämpft, sondern standen unter Beschuss aus der breiten Masse. Die Universitäten haben dann in Folge einer Abmahnung schnell nachgegeben, aus Angst vor finanziellen Sanktionen durch den Staat. SB1 geht noch einen Schritt weiter.

Auswirkungen auf den Campus

An der Ohio University in der liberalen Kleinstadt Athens im Südosten Ohios, das für seine LGBTQ-Offenheit bekannt ist, waren die Auswirkungen des neuen Gesetzes sofort zu spüren. Die DEI-Programme, wie das Pride-Center und das Women’s Center, wurden geschlossen und auch Veranstaltungen wurden gestrichen. „Das „Black Alumni Weekend“ wurde abgesagt. Das konnten sehr viele Leute vor Ort nicht nachvollziehen“, sagt Peck-Suzuki. Die Veranstaltung dient als Netzwerktreffen für schwarze, ehemalige Studierende und wird normalerweise jährlich feierlich von der Universität ausgerichtet. In diesem Jahr musste sie als Folge von SB1 privat organisiert werden.

Seit das neue Gesetz zu Beginn des Jahres angekündigt wurde, hat es viel Protest gegeben. „Ich bin mit vielen anderen Studierenden, Mitgliedern des Lehrkörpers und der Gemeinde zum Ohio Statehouse gefahren, um zu protestieren“, erzählt Audrey Ansel im Gespräch mit ntv.de. Sie ist Aktivistin und Studentin an der Ohio University und hat bei öffentlichen Anhörungen vor dem Obersten Gerichtshof gesprochen.

„An nur einem Tag haben 200 Bürgerinnen und Bürger vor Ort protestiert und weitere 800 haben schriftlichen Protest eingereicht“, erinnert sie sich. „Kein anderes Gesetz hat so viel Gegenwind bekommen. Es ist unglaublich unbeliebt unter Studierenden, Professoren, Gewerkschaftsmitgliedern und Bürgern und Bürgerinnen“, sagt Ansel. Genutzt hat es am Ende nichts. Laut Peck-Suzuki leider wenig überraschend: „Meiner Meinung nach war es vorhersehbar, dass die DEI-Programme keine Chance hatten, trotz der vielen Aktivisten und Proteste. Die Universitäten hatten kein wirkliches Interesse, dagegen zu kämpfen, aus Angst vor monetären Konsequenzen.“

Integration ersticken

Der Staat greift durch dieses Gesetz aktiv in den Universitätsbetrieb ein und setzt die konservative Linie von Trumps „Project 2025“ unter Androhung von Sanktionen genau da um, wo Integration und queeres Leben bislang unter der jungen, akademischen Elite des Landes aufgeblüht sind. Eine Wählerschaft, bei der Trump bislang wenig Zulauf hat und die seiner Vorstellung eines konservativ-traditionellen Amerikas kritisch gegenübersteht, sind Studierende und Fakultätsmitarbeiter. Das macht sie zu einem Ziel der Trump-Regierung.

Erst im Mai hatte Trump der Elite-Universität Harvard vorschreiben wollen, keine ausländischen Studierenden mehr anzunehmen. Sollte die Universität dem nicht Folge leisten, wollte er die staatliche Finanzierung einstellen. Eine Richterin hat Trumps Forderung vorerst gestoppt. Der nächste Kampf um die Hoheit in den Hörsälen wird aber vermutlich kommen.