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Die Industrie in Russlands besetzten Gebieten schwächelt. Rufe an den Kreml werden laut. Dieser müsse mehr Geld in die Ukraine stecken.

Moskau – Russlands Wirtschaft bekommt immer größere Probleme. Nicht nur melden mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit ganze Branchen im Inland finanzielle Schwierigkeiten und fordern staatliche Hilfe. Die jüngsten Beispiele dabei sind die Luftfahrt und die Energiebranche – konkret geht es hier um Kohle- und Ölunternehmen. Die Holzverarbeitung leidet ebenfalls. Auslöser für all das gibt es mehrere – Saudi-Arabien zum Beispiel treibt die Ölproduktion an, was die Preise drückt. Außerdem wenden sich Handelspartner teilweise von Russland ab, weil sie Sanktionen fürchten. Und dann wäre da noch der Ukraine-Krieg selbst. Die besetzten Gebiete bringen keinen Gewinn.

Metallhersteller brauchen dringend Kreml-Hilfe – neue Schwachstelle in Russlands Wirtschaft

Jetzt werden auch noch Wirtschaftszweige in den besetzten Gebieten, die eigentlich der Ukraine gehören, zur Belastung für den Kreml. Ein Beispiel dafür sind metallurgische Anlagen und Kokereien in den besetzten Gebieten Donezk und Luhansk. Diese arbeiten derzeit im Minus und verlangen zusätzliche staatliche Unterstützung.

Wladimir Putin in Magnitogorsk.Wladimir Putin in Magnitogorsk (Symbolfoto). Die Industrie in Russlands besetzten Gebieten schwächelt. Rufe an den Kreml werden laut. Dieser müsse mehr Geld in die Ukraine stecken. © IMAGO / ZUMA Press

Die Gründe dafür: eine sinkende Nachfrage, fallende Preise und dafür rasant steigende Produktionskosten. Valery Scherin, Chef von Soyuzmetallservis, sprach dazu bereits die Warnung aus, die regionalen Metallhersteller hätten einen „verzweifelten Bedarf“ an einer Intervention des Kremls. Projektionen hätten ergeben, dass die Nachfrage allein im Jahr 2025 um zehn bis 15 Prozent einbrechen soll. Das habe Scherin auf einer Veranstaltung eines wirtschaftlichen Komitees mitgeteilt, berichtete das ursprünglich russische Portal Moscow Times.

Das heißt: Massenhaft Erzeugnisse bleiben liegen und könnten nicht verkauft werden. Gleichzeitig werden Schlüsselprodukte immer billiger. Die Energiekosten in der Produktion steigen währenddessen stetig. Die Kunden wenden sich nach Kasachstan, weil der Ankauf billiger ist. Scherin fordert ein Limit auf Importe von Metallprodukten, das sogar für „freundlich gesonnene“ Länder gelten soll. Außerdem müsste es Transportrabatte geben: Es sei derartig teuer, Metall aus der Donbass-Region an den Schwarzmeerhafen Novorossiysk zu bringen, dass der Weg bereits Profite aufzehre. Russlands Industrie- und Handelsministerium aber gab an, dass Unternehmen in Donezk und Luhansk bereits von massiven Staatshilfen profitieren.

Kreml-Geldspritze für besetzte Gebiete – Milliarden aus Russlands Kriegskasse fließen in die Ukraine

Das ist keinesfalls untertrieben. Schon im Mai 2022 hatte Russland damit begonnen, Hilfsprogramme für die beiden selbsternannten Volksrepubliken auszuführen. Die Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, sprach hier im Speziellen vom staatlichen Programm „Restauration und sozio-ökonomische Entwicklung der DPR, LPR, Saporischschja- und Kherson-Regionen“.

Am 29. Dezember 2023 hatte der Kreml das Programm angekündigt. In dessen Rahmen sollte pro Jahr eine Summe über eine Billion Rubel (10,76 Milliarden Euro) in die besetzten Gebiete fließen. Diese Summe wurde 2023 angeblich voll ausgegeben. Spannend daran: Der Kreml kündigte das Programm kurz vor Ablauf desselben Jahres an, für das es bereits gelten sollte.

Da große Teile des Programms unter Geheimhaltung stehen, geht die Stiftung Wissenschaft und Politik davon aus, dass ein „signifikanter“ Teil davon für militärische Zwecke genutzt wurde, zum Beispiel für die Errichtung von Verteidigungsstrukturen – und das nach Möglichkeit mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit. Kreml-Diktator Wladimir Putin selbst gab übrigens eine höhere Summe an: In der russischen Zeitung Vedomosti sprach er von 1,2 Billionen Rubel, die Russland allein 2023 an die besetzten Gebiete abzweigen musste.

Besetzte Ukraine-Gebiete als Klotz am Bein – Russlands Wirtschaft fehlen so Milliarden

Dabei gibt es mehrere Probleme für den Kreml. Das geringste davon ist noch die öffentliche Meinung innerhalb Russlands. Bei der Bevölkerung kommen die massiven Investitionen in die besetzten ukrainischen Gebiete nicht gut an, da das Geld logischerweise für Investitionen im eigenen Land fehlt.

Das wesentlich größere Problem ist, dass der Kreml in der Ukraine nicht nur eine „normale“ Wirtschaft für die Zukunft fit machen oder gewöhnlichen Städtebau betreiben will. Er muss für die Sicherheit der Anwohner gegen Kriegsschäden sorgen und entsprechend Verteidigung aufbauen. Außerdem muss die russische Regierung die lokalen Investitionen innerhalb der ukrainischen Gebiete befeuern. Das passiert aktuell durch verschiedene Programme zur Reduzierung von Steuern. Allerdings warnt das Royal United Services Institute (RUSI) davor, dass diese Mühen auf kurze Sicht keine wirtschaftlichen Früchte tragen werden.

Steuereinnahmen aus besetzten Gebieten reichen kaum aus – Minusgeschäft für Putin

Im Gegenteil. Die Investitionen in die besetzten Gebiete übersteigen den Gewinn derzeit massiv. Zwischen Januar und September 2024, so berichtete die russische Nachrichtenseite RBC, hat Russland Steuern in Höhe von 118 Milliarden Rubel aus den besetzten ukrainischen Gebieten eingesammelt. Das entspricht einer Menge von 1,3 Millionen Euro. Die Summe übersteige die gesamten Steuereinnahmen von 2023. Ein Großteil dieser Einnahmen stammte aus den beiden Regionen Luhansk und Donezk, während Saporischschja und Kherson deutlich weniger Geld abwarfen. Angesichts der großflächigen Zerstörungen in diesen Gebieten ist das kaum verwunderlich.

Die Fördergelder sollen auch in den kommenden Jahren weiter fließen. Laut der Moscow Times sieht Russland zwischen 2025 und 2027 noch eine Summe von rund zehn Milliarden US-Dollar vor, die beim Wiederaufbau helfen sollen. Die Stimmen aus der Industrie lassen jedoch vermuten, dass das nicht ausreichen wird.