Rubio sprach von einer „politischen Hexenjagd“ des Obersten Richters Alexandre de Moraes gegen Bolsonaro, die auch die USA betreffe. „Ich habe daher die Aufhebung der Visa von Moraes und seinen Verbündeten am Gericht sowie deren unmittelbaren Familienangehörigen mit sofortiger Wirkung angeordnet“, schrieb er auf X.
Unklar blieb zunächst, welche Personen Rubio mit „Verbündeten“ meinte. Brasilianische Medien berichteten von sieben weiteren Richterinnen und Richtern des Obersten Gerichts. Zwei Richter, die während Bolsonaros Präsidentschaft zwischen 2019 und 2023 ernannt wurden, seien demnach nicht von den US-Sanktionen betroffen, ebenso wie ein dritter Richter.
Debatte
Wohin führt Trumps Unberechenbarkeit?
Putschversuch nach Wahlniederlage
US-Präsident Donald Trump hatte sich in den vergangenen Tagen mehrfach für Bolsonaro eingesetzt – er drohte Brasilien ab dem 1. August mit Importzöllen von 50 Prozent. Der rechte Ex-Präsident steht vor Gericht, weil er nach seiner Wahlniederlage 2022 einen Putschversuch gegen die Regierung seines Nachfolgers Luiz Inacio Lula da Silva geplant haben soll.
Anhängerinnen und Anhänger des Ex-Präsidenten hatten im Jänner 2023 die Gebäude des Obersten Gerichts, des Parlaments sowie Lulas Amtssitz in der Hauptstadt Brasilia erstürmt und stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Eine der bekanntesten Anhängerinnen Bolsonaros, Debora Rodrigues, wurde deswegen bereits Anfang Mai vom Obersten Gericht zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Vorgehen erinnerte an US-Kapitolsturm
Das Vorgehen erinnerte an den Sturm von Anhängerinnen und Anhängern von US-Präsident Donald Trump auf das Kapitol in Washington im Jänner 2021 nach Trumps Wahlniederlage. Die 39-jährige Rodrigues erreichte Bekanntheit, da sie beim Sturm auf das Regierungsviertel eine Statue, die für die Justiz in Brasilien steht, mit Lippenstift beschmiert hatte. „Du hast verloren, Idiot“, schrieb Rodrigues auf die Steinfigur – eine Botschaft an Lula.
Die nunmehrige Maßnahme der USA ist eine Reaktion darauf, dass Moraes den Einsatz einer elektronischen Fußfessel für Bolsonaro angeordnet hatte. Das Oberste Gericht Brasiliens reagierte damit auf eine Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft, wonach Fluchtgefahr und Einschüchterung von Behörden bestünden. Mit den Abschlussplädoyers ist der Prozess jüngst in die letzte Phase eingetreten. Es wird erwartet, dass der Ex-Präsident in den kommenden Wochen verurteilt wird und ihm eine Haftstrafe von 43 Jahren droht.
Reuters/Mateus Bonomi
Ex-Präsident Bolsonaro wurde wegen bestehender Fluchtgefahr das Tragen einer Fußfessel angeordnet
Lula: „Willkürlich und völlig grundlos“
Lula kritisierte die „willkürliche und völlig grundlose“ Entscheidung der US-Regierung. Die Einmischung in die Justiz eines anderen Landes sei „inakzeptabel“, schrieb er auf X. Er sei sicher, dass auch Einschüchterungsversuche und Drohungen die Institutionen des Landes nicht davon abhalten würden, sich weiter für den Erhalt und die Verteidigung des Rechtsstaats einzusetzen.
Lula, der mit einem schwierigen Kampf um die Wiederwahl im nächsten Jahr konfrontiert war, hat in den Umfragen einen Aufschwung erlebt, seit Trump seinen Handelskrieg begonnen hat, dessen Hauptlast Fachleuten zufolge die Kaffeeproduzenten und Viehzüchter in den Bolsonaro-Hochburgen wie Sao Paulo tragen werden.
Reuters/Alexandre Meneghini
Viele protestierten gegen die von den USA angedrohten Zölle gegen Brasilien
Auch Lulas Ministerin für institutionelle Beziehungen, Gleisi Hoffmann, nannte die Visumskündigungen „eine aggressive und kleinliche Vergeltung“ und „einen Affront gegen die brasilianische Justiz und die nationale Souveränität“.
Auch Konservative kritisch
Selbst einflussreiche rechte Stimmen haben den Versuch der USA kritisiert, sich durch die Einführung von 50-prozentigen Zöllen in eine der bevölkerungsreichsten Demokratien der Welt einzumischen. Am Samstag bezeichnete die konservative Zeitung „Estado de Sao Paulo“ das Verhalten Trumps als „inakzeptable Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten Brasiliens“.
„Trump hat nicht nur unsere nationale Souveränität angegriffen, sondern auch die Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden größten Demokratien Amerikas beschmutzt“, schrieb die Redaktion der Zeitung.
Bolsonaro: Maßnahmen politisch motiviert
Bolsonaro bezeichnete die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen als „politisch“ und „größte Demütigung“. Er wies auch Befürchtungen zurück, er plane eine Flucht ins Ausland. Neben der Fußfessel muss er sich nachts zu Hause aufhalten und darf keine sozialen Netzwerke nutzen oder Kontakt zu Diplomatinnen und Diplomaten halten.
Der Trump-Stratege Alex Bruesewitz begrüßte Rubios Ankündigung und nannte Bolsonaros Behandlung „krank und falsch“, wie der „Guardian“ berichtete. Bolsonaros Sohn, der Kongressabgeordnete Eduardo Bolsonaro, dankte Rubio für seine Entscheidung. „Vielen Dank für diesen Kampf zugunsten der Meinungsfreiheit, wir glauben an dieselben Werte“, so Eduardo Bolsonaro, der seit Februar in den USA lebt und dort Berichten zufolge Lobbyarbeit für die Situation seines Vaters geleistet hat.