Im Jahr 2023 konnten sich 15 % der Erwerbstätigen in der EU keinen einwöchigen Urlaub außerhalb ihres Heimatlandes leisten. Auch wenn dieser Prozentsatz auf den ersten Blick nicht sehr hoch erscheinen mag, so entspricht er doch rund 42 Millionen Arbeitnehmern.
In jeder der vier großen EU-Volkswirtschaften (Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien) konnten sich laut den vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) veröffentlichten Eurostat-Daten über 5 Millionen Arbeitnehmer keinen einwöchigen Urlaub leisten.
„Eine Auszeit mit der Familie oder Freunden ist wichtig für unsere körperliche und geistige Gesundheit und ein grundlegender Bestandteil des europäischen Sozialvertrags“, kritisiert EGB-Generalsekretärin Esther Lynch die Situation.
Die Urlaubsarmut von Arbeitnehmern nimmt in der gesamten EU zu, und zwar bereits das dritte Jahr in Folge.
Im Jahr 2022 gaben 40,5 Millionen Erwerbstätige an, dass sie sich keinen einwöchigen Urlaub außerhalb ihres Heimatlandes leisten können. Diese Zahl stieg auf 41,5 Millionen im Jahr 2023 – ein Anstieg um über eine Million Arbeitnehmer in nur einem Jahr. Der Anteil der betroffenen Arbeitnehmer stieg von 14 % auf 15 %.
„Die Ergebnisse sind das Ergebnis einer zunehmend ungleichen Wirtschaft, in der Arbeitnehmer aufgrund steigender Kosten für Unterkunft, Transport und Lebensmittel in Verbindung mit sinkender Kaufkraft und Spekulation gezwungen sind, auf ihren Urlaub zu verzichten“, erklärt der EGB.
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Die Daten zeigen ein starkes Gefälle bei der Erschwinglichkeit von Urlaub in der EU, insbesondere zwischen Ost-/Südeuropa und West-/Nordeuropa.
Rumänien führt die Liste an, wo sich 32 % der Arbeitnehmer einen einwöchigen Urlaub nicht leisten können. Dicht dahinter folgen Ungarn (26 %), Bulgarien (24 %), Portugal und Zypern (beide 23 %) sowie die Slowakei (22 %).
Die nordischen Länder – Finnland, Schweden und Dänemark – sowie die Niederlande, Luxemburg und Slowenien melden mit 5 % bis 7 % die geringste Urlaubsarmut.
Die Tschechische Republik, Österreich und Belgien melden Urlaubsarmutsquoten von 10 % oder weniger.
Trotz ihres wirtschaftlichen Gewichts melden selbst die größten Volkswirtschaften der EU ein besorgniserregendes Ausmaß an Urlaubsarmut. Unter den großen Vier der EU liegen Spanien (18 %) und Italien (17 %) über dem EU-Durchschnitt von 15 %. Frankreich (12 %) und Deutschland (11 %) liegen zwar unter dem Durchschnitt, aber beide liegen immer noch über 10 %.
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Absolute Zahlen sind aussagekräftiger als Prozentzahlen. In jedem der vier großen EU-Länder konnten sich im Jahr 2023 über 5 Millionen Arbeitnehmer keinen Urlaub leisten. In Italien lag die Zahl bei 6,2 Millionen, gefolgt von 5,8 Millionen in Deutschland, 5,6 Millionen in Spanien und 5,1 Millionen in Frankreich.
Über 3,5 Millionen Arbeitnehmer in Rumänien und Polen konnten sich ebenfalls keinen Urlaub leisten. In Ungarn und Portugal lag diese Zahl bei mehr als 1,5 Millionen.
In Österreich und den Niederlanden konnten sich mehr als 550.000 Arbeitnehmer nicht einmal einen einwöchigen Urlaub leisten, obwohl sie angestellt sind oder ein Unternehmen haben.
„Nachdem sie das ganze Jahr über hart gearbeitet haben, ist dies das Mindeste, was sich arbeitende Menschen leisten können sollten, das darf nicht zu einem Luxus für einige wenige werden“, betont Lynch.
„Die Zahlen zeigen jedoch, dass es in Europa einen Mangel an hochwertigen Arbeitsplätzen gibt und dass unser Sozialvertrag durch die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit weiter zerbröckelt.
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Es besteht ein mäßig starker negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil der Arbeitnehmer, die sich keinen einwöchigen Urlaub fern von zu Hause leisten können, und dem jährlichen Nettoverdienst. Das bedeutet, dass mit steigendem Nettoeinkommen der Anteil der Arbeitnehmer, die sich einen solchen Urlaub nicht leisten können, tendenziell abnimmt.
Da die Korrelation jedoch nur mäßig ausgeprägt ist, deutet sie auch darauf hin, dass dieser Zusammenhang in einigen Ländern nicht so stark ist oder nicht so eng mit dem allgemeinen Trend übereinstimmt.
Irland (43.897 €) beispielsweise hatte 2023 eines der höchsten Jahresnettoeinkommen in der EU, dennoch ist die Urlaubsarmut vergleichsweise hoch. Im Gegensatz dazu ist in Slowenien die Urlaubsarmut unter Arbeitnehmern gering, obwohl die Einkommen ähnlich hoch sind wie in Ländern, in denen sich mehr Menschen einen Urlaub nicht leisten können.
Beim Vergleich von Arbeitnehmern (im Alter von 15 bis 64 Jahren) und der Allgemeinbevölkerung ab 16 Jahren stellt Euronews Business eine starke Korrelation fest: Je höher der Anteil der Arbeitnehmer ist, die sich keinen Urlaub leisten können, desto höher ist er tendenziell auch in der Gesamtbevölkerung.
Im Jahr 2023 lag der Anteil der Menschen, die sich keinen einwöchigen Urlaub leisten können, in der Gesamtbevölkerung zwischen 11 % in Luxemburg und 60 % in Rumänien, während der EU-Durchschnitt bei 29 % lag.
Dies lässt darauf schließen, dass die Quote in der Allgemeinbevölkerung fast doppelt so hoch ist wie bei den Arbeitnehmern.
Experten, mit denen Euronews Business sprach, stellten fest, dass die Unterschiede zwischen den Ländern weitgehend mit der Stärke ihrer Volkswirtschaften zusammenhängen.
Die Höhe des verfügbaren Einkommens spielt eine Schlüsselrolle, da es sich direkt auf die Fähigkeit der Menschen auswirkt, Geld für den Urlaub auszugeben – vor allem, wenn man die Zahlen für die allgemeine Bevölkerung betrachtet.