Es war das Salz, das Halle einst zu Reichtum, Macht und internationaler Bedeutung verhalf. In einer Zeit, in der das weiße Gold so wertvoll war wie heute Erdöl und Erdgas, machten sich Händler mit ihren Pferdefuhrwerken auf, um das lebenswichtige Gut quer durch Europa zu transportieren. Eine der wichtigsten Handelsrouten jener Zeit führte von Halle (Saale) nach Prag – ein Weg, der heute wiederentdeckt, gepflegt und touristisch erschlossen wird. Genau dieser Wiederbelebung widmet sich der Verein „Alte Salzstraße Halle–Prag“, der nun sein 15-jähriges Bestehen feierte.

Im Festsaal der Halloren, auf dem traditionsreichen Gelände der Saline, wurde an diesem symbolischen Ort nicht nur Geschichte erinnert, sondern auch Zukunft gestaltet. Denn das Projekt ist weit mehr als ein nostalgischer Rückblick – es ist ein lebendiger Beitrag zur kulturellen Vernetzung Europas und zur Stärkung ländlicher Regionen abseits des Massentourismus.

Eine jahrhundertealte Lebensader der Wirtschaft

Bereits vor über 1000 Jahren war Salz ein unverzichtbares Gut für das tägliche Leben. Es konservierte Lebensmittel, sicherte das Überleben und war gleichzeitig ein bedeutendes Handelsprodukt. Die Nachfrage war groß, das Angebot regional begrenzt – und so entwickelten sich europaweit weit verzweigte Handelsrouten, sogenannte Salzstraßen. Während Erdöl- und Erdgasleitungen heute Europa durchziehen, waren es damals diese Straßen, die als Lebensadern die Wirtschaft belebten und ganze Städte wachsen ließen.

Halle gehörte zu den wenigen Orten Mitteleuropas, an denen Salz nicht nur lokal gewonnen, sondern auch für den Fernhandel produziert wurde – gemeinsam mit Lüneburg, der Region um Salzburg, dem polnischen Wieliczka und den Salzgärten an der Adria. Vom Hallmarkt, wo die Halloren in ihren Siedehütten das Salz siedeten, führten mehrere Handelswege in alle Richtungen. Eine der wichtigsten Routen war die Verbindung nach Prag. Entlang dieser Strecke kamen Händler in die Stadt, um Holzkohle, Tücher oder andere Waren gegen Salz einzutauschen.

Diese historische Bedeutung ist heute Grundlage für ein kulturtouristisches Großprojekt: Die Alte Salzstraße soll wieder erlebbar werden – als Ferienstraße, Radweg und kulturelle Achse durch Mitteldeutschland und Tschechien. Sie führt durch Regionen, die vom Massentourismus bislang weitgehend unberührt geblieben sind, und bietet damit neue Chancen für eine nachhaltige Regionalentwicklung.

Von Halles Salzfest bis Lößnitz – gelebte Tradition und neue Wege

Die Idee, die alte Route von Halle nach Prag wieder aufleben zu lassen, entstand 2009 bei einem Treffen engagierter Bürger im Gasthaus „Krug zum Grünen Kranze“. Schon ein Jahr später, 2010, wurde der Verein „Alte Salzstraße Halle–Prag“ im Festsaal der Halloren gegründet. Dieses Datum jährt sich nun zum fünfzehnten Mal – ein Anlass für eine feierliche Rückschau am Gründungsort.

Halles Bürgermeister Egbert Geier lobte das Engagement des Vereins ausdrücklich. „Traditionen wie diese müssen im Bewusstsein gehalten werden“, sagte er. Das Projekt habe ihn auch persönlich überzeugt: Als begeisterter Radfahrer fuhr Geier im Jahr 2023 die historische Route entlang bis ins erzgebirgische Lößnitz, um dort am Salzmarkt teilzunehmen. Umgekehrt kommen Händler aus Lößnitz regelmäßig mit dem Pferdefuhrwerk zum Halleschen Salzfest, wo der historische Salzhandel lebendig nachgestellt wird. Geier kündigte an, dass seine nächste Fahrradtour in das tschechische Slaný führen soll – ein weiterer Ort mit großer Salztradition.

Gerhard Troll, ehemaliger Bürgermeister von Lößnitz, blickte in seiner Rede auf die Anfänge der Stadt zurück. Im „Miriquidi“, dem einst dichten, nahezu undurchdringlichen Urwald des Erzgebirges, wurde einst ein Rastplatz für Pferdefuhrwerke geschaffen – daraus entwickelte sich Lößnitz. „Mit dem Salz kamen auch Strukturen“, so Troll. Die Stadt erhielt schon um 1300 eine Schule, eine eigene Münze und kommunale Selbstverwaltung – in einer Zeit, als viele andere Orte noch unter der Kontrolle von Feudalherren standen. Für Troll ist das ein historisches Beispiel dafür, wie Handel Gesellschaft verändert – und ein Modell, das auch heute noch Gültigkeit habe: „Wir müssen nicht nur Informationen über moderne Medien teilen, sondern echte, tragfähige Strukturen gemeinsam gestalten.“

Salz als Ursprung Halles – und Motor für Europas kulturelle Zukunft

Auch Dagmar Szabados, ehemalige Oberbürgermeisterin Halles, würdigte den Verein und sein Engagement. „Nur wer weiß, wo er herkommt, kann auch wissen, wo er hin will“, sagte sie. Szabados sieht in der Arbeit des Vereins einen wichtigen Baustein für die Entwicklung des geplanten Zukunftszentrums in Halle, das sich mit gesellschaftlichen Umbrüchen und Transformationsprozessen beschäftigt. Genau wie es in Lößnitz durch den Salzhandel zu Bildung, Organisation und kommunalem Selbstbewusstsein kam, solle das Zentrum Orte der Begegnung schaffen, in denen Menschen Erfahrungen austauschen und voneinander lernen.

Szabados warb zudem dafür, den Blick weiter in die Zukunft zu richten: 2034 wird Halle Gastgeberstadt des Hansetags sein – ein großer Erfolg, für den sie sich persönlich stark gemacht hatte. Sie regte an, dass der Hanseverein, dessen Vertreter ebenfalls beim Jubiläum anwesend waren, gemeinsam mit dem Verein „Alte Salzstraße Halle–Prag“ an der Vorbereitung arbeitet. Denn Halles Aufstieg zur Hansestadt wäre ohne das Salz nie möglich gewesen. Die Verbindung zwischen Hanse und Salz sei historisch wie symbolisch – und heute aktueller denn je.

So wird die Alte Salzstraße zu einem Projekt, das weit über Geschichtsvermittlung hinausgeht. Es verbindet Regionen, Menschen und Generationen. Es zeigt, wie aus einem traditionsreichen Erbe eine lebendige Perspektive für die Zukunft entstehen kann – ganz im Sinne europäischer Zusammenarbeit, regionaler Identität und kultureller Vielfalt.