paris 1paris 6

Mein Sommerkurzurlaub führte mich nach Frankreich, genauer gesagt, in die Banlieue von Paris. In den Medien werden die Vorstädte oftmals als gefährlich, kriminell und verwahrlost dargestellt. Manche dieser Städte bieten jedoch außergewöhnliche Architektur von Weltrang. Es sind gerade Sozialwohnungsbauten (HLM), die atemberaubend entworfen und errichtet wurden. Ich habe die Bewohner als sehr angenehm erlebt, es gab keinen Ärger, auch nicht, als ich im Rahmen der Unterstützung der LGBTQ+-Community eine Pride-Flagge um den Bauch trug.

Da ich den Eurostar seit der Modernisierung als sehr eng empfinde und sich auch Verspätungen in den letzten Wochen häuften, beschloss ich, die Reise mit dem PKW anzutreten. Ein einfaches Hotel in der Vorstadt Rosny-sous-Bois, ca. 15 Kilometer vom Stadtzentrum Paris entfernt, war schnell gefunden.

Ich war zu früh zum Hotel-Check-In; daher fuhr ich als erstes nach Noisy-le-Grand.

Zu Fuß erreichte ich den Bahnhof des RER E, Rosny-Bois-Perrier nach ca. 1,1 Kilometern. Der sich an der Strecke Paris – Mulhouse befindliche Bahnhof wurde 1971 eröffnet und seit 1999 wird er von der RER Linie E bedient. Seit dem 13.06.24 endet auch die Metro – Linie 11 hier. Die Stationen der Metro-Linie wurden nahezu alle modernisiert und es fahren dort ausschließlich Fahrzeuge der Baureihe MP 14. Im Gegensatz zu den Herstellerangaben, dass diese Züge leiser als ihre Vorgänger sein sollen, empfinde ich diese Baureihe als sehr laut…

Ich nahm den RER E bis nach Val de Fontenay und stieg dort in den RER A, um nach Noisy-le-Grand – Mont d´Est zu gelangen. Ich fuhr mit Zügen der Baureihen Z50000 und MI 09. Beide Fahrzeugtypen sind sehr laufruhig und im Inneren von den Fahrgeräuschen sehr leise, markant ist jedoch die Klimaanlage wahrzunehmen.

Für die beiden Tage kaufte ich mir jeweils eine Tageskarte, die für alle Zonen außer den Flughäfen gültig ist. Da ich einen Navigo-Pass besitze, konnte ich die Tageskarte für 12 Euro direkt per App oder am Automaten entsprechend aufladen. Eine Einzelfahrkarte hingegen kostet 2,50 Euro. Selbst auf den kleineren Bahnhöfen gibt es noch Servicepersonal und teilweise auch Verkaufsschalter. Leider gibt es auf dem Netz des RER sehr viele Baustellen, vergessen wir nicht, es ist eines der meistbefahrenen Netze der Welt und im Laufe der Jahrzehnte in die Jahre gekommen. Gleisbauarbeiten, Erneuerung der Leit- und Sicherheitstechnik und die Modernisierung der Bahnhöfe werden noch viele Jahre andauern. Teilweise wird Bus-Ersatzverkehr angeboten. Dies habe ich bereits während meines Pfingsturlaubs gemerkt, als ich in Créteil mein Hotel hatte und mit dem Bus nach Sartrouville fahren musste, um von dort mit dem RER A St. Lazare oder La Défense (und von dort weiter mit der Metro Linie 1) zu erreichen. Damals war der Ersatzverkehr vorbildlich! Es wurden Busse in dichtem Takt eingesetzt und es gab sehr viel Servicepersonal, welches uns zu den Bussen delegierte.

Noisy-le-Grand hat mehr als 71.000 Einwohner. Die Stadt galt lange als sozialer Brennpunkt; ich habe davon nicht wirklich etwas gemerkt. Hier stand die Besichtigung der „Espaces d´Abraxas“ auf dem Programm. Der vom spanischen Architekten Ricardo Bofill (1939 – 2022) entworfene und aufgrund der Bauform als „Versailles für das Volk“ bezeichnete Sozialwohnungskomplex bietet über 600 Wohnungen auf 19 Etagen und hat eine Gesamthöhe von 64 Meter. Dank Internetrecherche konnte ich Kontakt zu einem Bewohner dieses Gebäudes knüpfen, der regelmäßig Führungen durch das Quartier anbietet. Zusammen mit einer Gruppe besichtigten wir das Quartier und konnten danach von der 17. Etages die Aussicht genießen, es war eine tolle Exkursion. Merci beaucoup, Monsieur Samir Rouab!

Anschließend ging es ca. 1 Kilometer weiter zu den „Arènes de Picasso“ an, die aufgrund ihrer Bauweise von manchen Bewohnern auch „Camemberts“ genannt werden. Die nach dem Entwurf des 1942 geborenen spanischen Architekten Manuel Núñez Yanowsky zwischen 1977-84 gebauten Sozialwohngebäude haben 18 Etagen und sind knapp 61 Meter hoch.

Ich war von beiden Komplexen einfach nur fasziniert und finde es bedauerlich, dass in Deutschland eine solch einzigartige Architektur nie realisiert wurde… Nach dieser umfangreichen Exkursion in die Postmoderne ging ich zur RER-Station und fuhr von dort nach Athis-Mons, wo sich in einem Museum ein Exemplar der Concorde befindet. Mit der Metro Linie 7 fuhr ich bis Villejuif Louis Aragon, von dort mit der T7 bis Athis-Mons Port de l´Essonne. Hier befindet sich das „Musée Delta“, die Concorde mit der Typenbezeichnung F-WTSA, ein Prototyp, ist sogar innerlich zugänglich, es hat mich sehr fasziniert, wie eng dieses Flugzeug doch ist; auch das Cockpit ist rustikal ausgeführt. Ich nahm auch noch an einer Führung teil. Der Eintritt von 5 Euro ist mehr als günstig, für das, was hier geboten wird.

Die T7 wird mit Fahrzeugen des Typs Alstom Citadis 302 befahren; die Linie ist derzeit 11,2 km lang und besteht aus 18 Stationen. Sie wurde am 16.11.2013 freigegeben.

Mit dem Bus 264 fuhr ich zur RER – Station Juvisy und weiter ging es mit der Linie C bis Bibliothèque Francois – Mitterrand. Dieser Streckenabschnitt wird teilweise erneuert, die Oberleitung aus den 1930er–Jahren wird gegen eine moderne Konstruktion ausgetauscht. Mein Zug machte dem Namen „Express“ alle Ehre, da hier bis zu meinem Ziel alle Bahnhöfe ohne Halt durchfahren wurde! Mein Zug war ein Fahrzeug der Baureihe Z 20500, welche seit 1988 im Einsatz ist. Die Linie soll ab 2033 mit neuartigen Zügen der noch zu entwickelnden Baureihe Z2N-NG funktionieren.

Während meiner Fahrten mit der Metro – Linie 6 gab es Verzögerungen aufgrund eines Ausfalls der Signaltechnik. Ich hatte Glück und konnte mit einem Zug der Baureihe MP73 fahren; derzeit sind noch 16 Züge im Einsatz – das Ende dieser seit 1974 eingesetzten Baureihe ist für Dezember 2025 vorgesehen. Am Abend fuhr ich mit der Linie 11 zurück ins Hotel. Tatsächlich sind die neuen Züge der Baureihe MP14 sehr laut, es klingt, als ob an den Rädern etwas Metallisches schleift. Während der Zug auf dem Neubauabschnitt sehr ruhig fuhr, schaukelte er sich im Bereich des alten Linienteils mehrfach auf.

Am nächsten Tag fuhr ich nach dem Frühstück mit dem RER E bis nach La Defense; ich wollte unbedingt die Verlängerung von St. Lazare bis nach Nanterre – La Folie einmal gefahren sein. Vor der Eröffnung der Verlängerung am 6. Mai 2024 endete die Linie in Haussmann-St. Lazare. Ich fuhr hier mit Zügen der Baureihen Z 50000.G. An der Porte-Maillot legte ich einen Zwischenstopp ein und war von der Architektur dieser Haltestelle fasziniert. Fünf (!) Rolltreppen pro Bahnsteig, die eher an übergroße Lüftungsschächte erinnern, hohe Decken – das Ganze wirkte auf mich sehr futuristisch…

Gegen Mittag fuhr ich zum Bahnhof Montparnasse und ging knapp einen Kilometer zum Wohnkomplex „Les Echelles de Baroque‟; dieses 1985 fertiggestellte Gebäude besteht aus 274 Wohnungen und wurde ebenfalls von Ricardo Bofill entworfen. Zwischen den Säulen wurden Spiegelglasscheiben eingebaut; das Ganze wirkt sehr futuristisch. Davon habe ich einige Fotos angefertigt. Ich ging einmal um den ganzen Komplex herum, um diese für mich Sci-Fi-mäßig anmutende Architektur zu genießen. Danach lief ich, quasi direkt parallel zur Hochbahn der Linie 6 bis Passy, die Brücken üben auf mich aufgrund ihrer Bauweise eine Faszination aus. Ich schaute mir die Konstruktionen im Detail an und danach spazierte ich an der Seine und fuhr mit der Metro ein bisschen umher. Den Eiffelturm sah ich mir an; dann standen noch die Champs-Elysées und das Marais-Viertel auf dem Programm. Am Abend besuchte ich die LGBTQ+ – Bar „Cabaret des Merveilles“ und später auch noch „La Boîte“. Ich fand das Ambiente sehr angenehm und auch die Getränke zu je drei Euro (Mineralwasser mit Minzegeschmack 0,25 L / Bier 0,25 L) mehr als fair. Beide Bars sind fußläufig vom Bahnhof Châtelet , bzw. St. Michel zu erreichen (in Richtung Hôtel de Ville).

Nach einem Spaziergang durch das Viertel der Sorbonne, wo sich auch das Panthéon befindet, fuhr ich noch ein bisschen mit den Metro – Linien 11 und der 7b, Letztere hat die Prototypfahrzeuge „MF88“ im Einsatz, die aufgrund technischer Probleme bereits nächstes Jahr, nach 33 Jahren Einsatz, durch „MF19“ ersetzt werden sollen.

Spät Abends fuhr ich dann ins Hotel , wo ich schnell einschlief. Am nächsten Vormittag ging es wieder in Richtung Heimat.

Ich bedanke mich bei Frau Lore de Chambure für die Übersetzung der Konversation, sowie bei Jean-Marie für die Erklärung bezüglich der Oberleitungsbauarten.

Fotos

• Ein Zug der Baureihe MI09 im Bahnhof Val de Fontenay auf dem RER A. Dieser Zug brachte mich nach Noisy-le-Grand. Erstmals 2011 gelangten diese Züge zum Einsatz und lösten die Baureihe MS61 ab.

• MF 77 auf der Metro – Linie , Haltestelle „Jussieu“. Diese von 1977-86 gebaute Serie muss noch ein paar Jahre durchhalten. Zwar sollen die Züge der Linie 13 schon ab 2027 durch MF19 ersetzt werden, die Linien 7 und 8 sollen voraussichtlich erst ab 2031 umgestellt werden. MF77 wirken sehr futuristisch, vom Fahrkomfort recht angenehm, nur in Kurven neigen sie zum Quietschen und je nach Gleislage schaukeln sie sich auf und rumpeln.

paris 2paris 3

• Z 50000 sind nicht nur auf zahlreichen Transilien-Linien im Einsatz, sondern auch auf dem RER E . Während Einheit 143 in Rosny Bois Perriere hält, rauscht ein paar Sekunden später Einheit 302 Richtung Paris durch den Bahnhof. Es sind sehr angenehm leise Züge.

paris 4paris 5

• Als Erstes stand in Noisy-le-Grand die Besichtigung der „Espaces d´Abraxas“. Der vom spanischen Architekten Ricardo Bofill (1939 – 2022) entworfene und aufgrund der Bauform als „Versailles für das Volk“ bezeichnete Wohnkomplex wurde 1977-83 erbaut.

• Ebenfalls ein Wohnkomplex sind die „Arènes de Picasso“ , die aufgrund ihrer Bauweise von manchen Bewohnern auch „Camemberts“ genannt werden. 1978-85 wurden sie errichtet.

paris 7paris 8

• Zwei Züge der Baureihe Alstom Citadis 302 auf der Linie T7.

• Im „Musée Delta“ befindet sich eine Prototyp – Concorde mit der Typenbezeichnung F-WTSA.

paris 9paris 10

• Mittlerweile sind die Züge der Baureihe RER NG weitläufig im Netz der Linien D und E anzutreffen. Einheit 018 im Bahnhof Val de Fontenay des RER E. An der erst letztes Jahr eröffneten Haltestation Porte Maillot konnte ich Triebzug 036 aufnehmen. Diese Station ist Teil der Erweiterung des RER E in Richtung Nanterre.

paris 11

• In der Nähe des Bahnhof Montparnasse befindet sich der 1985 fertiggestellte Wohnkomplex „Les Echelles de Baroque‟; dieses von Ricardo Bofill entworfene Gebäude beinhaltet 274 Wohnungen.

paris 12paris 13
paris 14paris 15

• Die Konstruktion der Hochbahn der 1909 eröffneten Metro-Linie 6 und ihrer Brücken mit teilweise beachtlicher Spannweite faszinierten mich. Ob neue Brücken auch so lange halten werden , darf bezweifelt werden.

Die Konstruktion dieses markanten Brückenzuges (der Hochbahnstrecke) dürfte nach dem „Cremonaplan“ erfolgt sein. Dieser wurde von Antonio Luigi Gaudenzio Giuseppe Cremona entwickelt und 1872 veröffentlicht. Er dient bei statisch bestimmten Fachwerken der zeichnerischen  Bestimmung der Stabkräfte zur Bemessung der Beschaffenheit der Stäbe. Die Konstruktion ist wahrlich effizient , sie ermöglicht große Spannweiten, ohne Zwischenpfeiler, wie auf dem Bild oben links zu sehen ist. Ähnliche Konstruktionen finden sich auch bei den Linien 2,5 und 10. Auch wenn diese Linien nicht mit Gummireifenantrieb umgerüstet wurden, so sind Fahrgeräusche und  Erschütterungen im Bereich der Brücken sehr moderat.

paris 16paris 17

• An der Haltestelle Suzanne Lenglen an der T2 traf ich auf zwei Züge des Typs Citadis 302 von Alstom.

paris 18paris 19
paris 20paris 21

Während meines Pfingsturlaubs konnte ich in Cergy, Nanterre und Créteil einige interessante Gebäude sehen:

• Die „bunten Türme“ von Nanterre, auch als „Tours Aillaud“ bekannt, wurden 1973-81 erbaut. Es handelt sich hier um Sozialwohngebäude. Der höchste Turm ist über 100 Meter und mehr als 30 Stockwerke hoch.

• Die größte Bahnhofsuhr befindet sich am Bahnhof Cergy St. Christophe. Die 1985 fertiggestellte „Horloge Deslandes et Huchez“ hat ein Zifferblatt mit einem Durchmesser von 10 Metern.

• Der Wohnkomplex „Belvédére St. Christophe“ vom spanischen Architekten Ricardo Bofill und 1986 fertiggestellt, beinhaltet Sozialwohnungen, außerdem auch Studentenappartements.

• 1969-74 wurde in Créteil der Sozialwohnungskomplex „Les Choux“ nach dem Entwurf des Architekten Gérard Grandval erbaut. Aufgrund ihrer Gebäudeform und der hervorhängenden Balkons haben diese Gebäude den Spitznamen „Blumenkohl“ erhalten.

Aurélien Bieniek