Amerika will mit einer Drohnenoffensive seine militärische Vorherrschaft sichern. Doch ist das noch möglich? Russland und die Ukraine entwickeln die Technologie in hohem Tempo weiter.
In der Ukraine zeigt sich der Technologiewettlauf in erbarmungslosem Takt.
Imago
Der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth steht vor dem Pentagon im Video mit dem Titel «Entfesselung der US-Militärdrohnen-Dominanz». Hinter ihm steuern vier Offiziere unterschiedliche kleine Drohnen. «Während unsere Gegner vor uns Millionen von billigen Drohnen produziert haben, steckten wir im bürokratischen Papierkram fest. Nicht mehr», sagt Hegseth. Eine Drohne bringt ihm seine eigene Absichtserklärung: Die Hürden für den Einsatz kleiner Drohnen sollen fallen.
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Die USA wollen zur dominierenden Macht im Bereich Kampfdrohnen werden. «Das ist die Zukunft», so der Verteidigungsminister. «Wir kämpfen um den Sieg.» Laut zuverlässigen Quellen soll als erste Einheit das indopazifische Kommando der Vereinigten Staaten mit amerikanischen Kampfdrohnen ausgerüstet werden. Die Schweizer Armee tastet sich hingegen erst zaghaft an die Technik heran.
Das moderne Schlachtfeld erfordere tödliche Kleindrohnen, schreibt Hegseth in seiner Erklärung. Er verweist auf den Krieg in der Ukraine: Nacht für Nacht attackiert Russland das Land mit Hunderten Drohnen. Moskau hat seine Produktionskapazitäten massiv ausgebaut. Laut dem ukrainischen Auslandgeheimdienst ist das nur dank chinesischer Hilfe möglich, wie ein Sprecher gegenüber «Politico Europa» erklärt. Peking liefere die nötigen Bestandteile – was die Volksrepublik vehement bestreitet. Gemäss dem ukrainischen Sprecher produziert Russland inzwischen jährlich bis zu zwei Millionen kleine taktische Drohnen.
Die Ukraine stellt lediglich eine halbe Million mehr her. Bislang konnte Kiew die Führung im Drohnenkrieg halten. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hofft in diesem Bereich auf einen «Mega-Deal» mit den USA: ukrainische Drohnen gegen amerikanische Waffen. Ob dieses Geschäft zustande kommt, ist unklar.
Ein Monat Rückstand ist fatal
Tatsächlich könnten die USA viel von der Ukraine lernen. Deren Militär und Drohnenindustrie haben ein revolutionäres Modell entwickelt, um Drohnen rasch zu modifizieren, zu produzieren und an die Front zu bringen. Das sei entscheidend, schreibt Charles Ferguson, KI-Redaktor bei Project Syndicate, in einem NZZ-Gastkommentar. Eine neu konzipierte Drohne sei nur wenige Monate lang nützlich: «Die andere Seite entwickelt so schnell wie möglich Gegenmassnahmen, was die Entwicklung neuer Produkte erfordert, die wiederum neue Gegenmassnahmen hervorbringen, und so weiter.» In diesem erbarmungslosen Takt sei schon ein Monat Rückstand fatal. Die USA und das Verteidigungsbündnis Nato seien inzwischen dringend auf ukrainisches Drohnen-Know-how angewiesen: «Ohne die Ukraine und ohne die Modernisierung ihrer eigenen Streitkräfte würden die Nato und die USA in einem Krieg mit Russland oder China verheerende Verluste erleiden – und ihn vielleicht sogar verlieren.»
Die Absichtserklärung des Pentagons zeigt: Die USA wollen ihren Rückstand aufholen und die eigene Drohnenproduktion schnell hochfahren. Es sei ein Prozess- sowie Technologiewettlauf, bei dem die Hersteller direkt mit den Fronttruppen verbunden werden müssten. «Wir werden so trainieren, wie wir kämpfen», schreibt Hegseth in seiner Erklärung. Gemäss zuverlässigen Quellen sollen künftig Offiziere kleine Drohnen «made in America» selbst beschaffen, testen – und bei Eignung auch rasch bewaffnen können. Alle übermässigen Regulierungen sollen fallen: etwa jene zu Lufttüchtigkeit oder Reichweiten. Die Drohnen sollen als Verbrauchsmaterial gelten wie etwa Munition: kostengünstig, schnell, tödlich.
Erste aktive Versuchsformationen soll es bereits ab September geben. Danach soll die amerikanische Industrie die besten Drohnen in grosser Zahl produzieren für den Einsatz ab nächstem Jahr.
Es ist nicht die erste «Drohnenoffensive» der USA. Schon unter Präsident Joe Biden startete das Pentagon ein Vorzeige-Programm für die Massenproduktion günstiger, vernetzter Drohnen, wie das Fachportal «Defence One» vor einem Jahr berichtete. Zehntausende Land‑, Luft- und Seedrohnen sollten bis Ende 2025 in die Pazifikregion geliefert werden – für Tests und als Abschreckung. Die chinesische Führung sollte von einer möglichen Annexion Taiwans ab 2027 abgehalten werden.
Ob die USA in der Drohnenkriegsführung tatsächlich aufholen können, bleibt offen. Derzeit sieht es eher schwierig aus. Vor vier Tagen präsentierte das Pentagon verschiedene Drohnentypen. Früher dauerte der Weg von der Idee bis zum Einsatz bis zu sechs Jahre – heute im Schnitt achtzehn Monate, wie der für Forschung und Entwicklung zuständige Spitzenbeamte im Verteidigungsministerium erklärte. In der Ukraine müssen Drohnen allerdings bereits alle zwei bis sechs Monate weiterentwickelt werden.
Schweiz bietet keine guten Rahmenbedingungen
Die Schweizer Armee macht derweil erst ihre ersten Gehversuche mit kleinen Drohnen. Bis 2027 will sie die nötigen Fähigkeiten in der Truppe aufgebaut haben. Mit einer Task-Force Drohnen plant das Bundesamt für Rüstung Armasuisse zudem, ein «Drohnen-Ökosystem» in der hiesigen Privatwirtschaft zu schaffen. Ob das gelingt, ist fraglich. Die Rahmenbedingungen sind schwierig: Drohnen gelten zwar als Dual-Use-Güter, doch sobald sie einen Sprengsatz tragen, werden sie zum Rüstungsgut – und fallen unter das restriktive Kriegsmaterialgesetz.
Die Softwarefirma Auterion, einst ein ETH-Spin-off, hat deshalb längst ihre Konsequenzen gezogen. «Auterion verliess mit der Militärsparte das Land wegen der Gesetzeslage», sagte Thomas Rothacher, stellvertretender Rüstungschef und Leiter der Task-Force Drohnen, vor kurzem. Heute hat Auterion seinen Hauptsitz in den USA – und gilt als Weltmarktführer für Drohnensoftware.
In Amerika seien die Rahmenbedingungen einfach vorteilhafter, erklärte der Co-Gründer Lorenz Meier dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz»: «In der Schweiz muss man bei Dual-Use-Gütern vorsichtig sein.» Auterion unterstützt bereits die Ukraine in ihrem Abwehrkampf. Vor wenigen Tagen wurde ausserdem bekannt, dass die Firma mit Taiwan eine strategische Partnerschaft eingegangen ist. Ihre Technologie sei in der Ukraine kampferprobt, sagte Meier zur Nachrichtenagentur Reuters: «Durch den Aufbau einer grossen autonomen Flotte kann Taiwan China abschrecken.» Das wäre wiederum ganz im Sinne Washingtons.