Eine junge Frau sitzt mit dem Rücken zur Kamera

Stand: 20.07.2025 15:40 Uhr

Jeder Fünfte unter 18 Jahren hat mit psychischen Problemen zu kämpfen. Das Warten auf eine Therapie kann dauern. Denn bisher fehle eine Bedarfsplanung für junge Menschen, sagt die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen.

von Kristina Hoffmann

Angststörungen, ADHS, Depression und Drogenmissbrauch: In einer Schulklasse mit 25 Schülerinnen und Schülern haben laut Bundespsychotherapeutenkammer im Durchschnitt fünf mit solchen Problemen zu kämpfen. 2025 haben Forscher der Universität Leipzig dazu in einer systematischen Internetrecherche herausgefunden, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland im Schnitt sechs Monate auf eine langfristige Therapie warten. Ohne therapeutische Hilfe können sich manche Erkrankungen sogar chronifizieren, also verfestigen. Die Folge: Kindern und Jugendlichen ist der Schulabschluss nicht mehr möglich oder der Start in die Ausbildung fällt schwer.

Wartezeit in Niedersachsen sehr unterschiedlich

Eine durchschnittliche Wartezeit für einen Therapieplatz in Niedersachsen zu beziffern, sei schwierig, sagt Götz Schwope von der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen. In manchen Landkreisen ist die Wartezeit für Kinder und Jugendliche deutlich kürzer als sechs Monate. Vor allem akute Fälle, bei denen die jungen Menschen besonders belastet sind, bekommen schnell eine Therapie. Innerhalb von 24 Stunden werden zum Beispiel Patienten behandelt, die suizidgefährdet sind. Oft dauere es aber auch länger, sagt Schwope. Drei Monate Wartezeit seien keine Seltenheit. Auch, weil nicht klar ist, wie hoch der Bedarf bei Kindern und Jugendlichen ist. Der Bedarf an Psychotherapeuten für einen Ort oder einen Landkreis wurde vor 26 Jahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen ermittelt und festgelegt. Ohne besonderen Fokus auf junge Menschen. Zudem gebe es für viele junge Patientinnen und Patienten keine wohnort-nahe Versorgung, viele wenden sich daher an Therapeuten in der nächstgrößeren Stadt.

Die wichtigsten Anlaufstellen bei Depression

  • Telefonseelsorge: anonyme, kostenlose Beratung rund um die Uhr; Tel. (0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222
  • Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“: kostenlose Beratung von Mo bis Sa, 14 bis 20 Uhr, Tel. 116 111. Elterntelefon: Mo bis Fr, 9 bis 11 Uhr sowie Di und Do, 17 bis 19 Uhr unter (0800) 111 05 50
  • Muslimisches Seelsorgetelefon: (030) 44 35 09 821
  • Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe: Mo, Di und Do, 13 bis 17 Uhr sowie Mi und Fr, 8.30 bis 12.30 Uhr. Tel. (0800) 334 45 33. Die Deutsche Depressionshilfe bietet einen Selbsttest sowie eine Übersicht zu regionalen Angeboten.
  • Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Krankenkassen: 116 117.
  • Ambulanz der psychiatrischen Abteilung einer Klinik vor Ort – in jedem Fall bei Suizidgedanken.

Corona-Pandemie nicht immer der Grund für Anstieg

Auch die Corona-Pandemie hat laut einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zu einem Anstieg der psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen geführt. Dass Kinder und Jugendliche nicht in die Schule konnten, zu Hause einsam waren und oft viel Zeit am Handybildschirm verbracht haben, hat sie Situation verschlimmert. Laut der Studie sind 40 Prozent der jungen Menschen nach Corona psychisch belastet. Dieser Trend sei zwar rückläufig, heißt es von der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen. Doch ein Vor-Corona-Niveau sei noch nicht erreicht.

Psychotherapeuten: Es braucht mehr Präventionsangebote

Die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen fordert daher eine eigene Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche. Außerdem sollte es bessere Präventionsangebote geben, zum Beispiel Gruppengespräche auch ohne ernsthafte Krankheit. Dann können junge Menschen bereits bei einer Krise niedrigschwellig ein Gesprächsangebot bekommen, ohne eine endgültige Diagnose abzuwarten. Denn nur weil der Therapieplatz frei ist, ist nicht unbedingt in den ersten Wochen eine endgültige Diagnose zu stellen. Dafür brauche es Geld vom Land, sagt Schwope.

Eine junge Frau steht in einem Zimmer am Fenster.

Die Versorgung weist landesweit Lücken auf. Psychotherapeuten schlagen Alarm und fordern Lösungen von der Politik.

Kreativunterricht am Westküstenklinikum Heide

Bis zu sechs Monate müssen psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche im Schnitt auf einen Therapieplatz warten – auch in schwierigen Fällen. Warum sind die Wartezeiten so lang?

Eine Frau sitzt hält sich die Hände vor das Gesicht.

Depressionen können unterschiedliche Ursachen haben. Nicht immer sind die Symptome eindeutig. Die Behandlung sollte möglichst früh beginnen.