Die DFB-Frauen haben Frankreich vor allem dank einer beeindruckenden Mannschaftsleistung besiegt. Der Erfolg dürfte auch Eindruck bei Spanien, auf das Deutschland am Mittwoch (21 Uhr) im EM-Halbfinale trifft, hinterlassen haben. Mit Sarai Linder fällt aber noch eine Spielerin aus.
Eine frühe Rote Karte, schon wieder – diesmal für Kathy Hendrich. Dazu wieder ein Elfmeter – die Französin Grace Geyoro traf zum 1:0. In diesem Moment hatte wohl kaum noch jemand im mit mehr als 34.000 Zuschauenden ausverkauften St. Jakob-Park einen Pfifferling auf Deutschland gesetzt. Nur die DFB-Frauen, die glaubten an sich. Nach dem Platzverweis anscheinend sogar noch mehr als zuvor. Nie war eine „Jetzt-erst-Recht“-Stimmung deutlicher zu spüren als am Samstagabend in Basel.
Das Gefühl, das wir gestern hatten, ist etwas ganz Besonderes. Und das wird uns keiner mehr nehmen.
DFB-Sportdirektorin Nia Künzer
„Es ist schwierig zu überlegen, was wäre wenn“, sagte Sportdirektorin Nia Künzer am Tag danach. „Wir hatten schon zu Beginn des Spiels gezeigt, dass wir es Frankreich sehr schwer machen wollen. Dass es uns dann gelingt, über so einen langen Zeitraum zu bestehen, das finde ich schon bewundernswert.“
Die Spielerinnen hätten ein sehr intensives Spiel gezeigt und dazu besonders viel kommuniziert. „Das Gefühl, das wir gestern hatten, ist etwas ganz Besonderes. Und das wird uns keiner mehr nehmen.“
Rote Karte hatte auch etwas Gutes
Die Rote Karte war zwar ein Schock. Die Mannschaft – und alle an der Seitenlinie und auf den Tribünen – rückten danach aber noch einmal enger zusammen. Der DFB-Tross ging emotional mit – auch Künzer selbst riss es hier und da von ihrem Platz. Immer wieder feuerten die Spielerinnen auf dem Platz aber auch gestenreich das Publikum an; und die Fans gingen darauf jedes Mal lautstark ein.
Wück hatte vor dem Spiel auf eine defensivere Grundordnung umgestellt, zuvor aber auch schon erklärt, nicht alles umwerfen zu wollen. Der aktive und offensive Spielstil birgt immer Risiken – wie zuletzt gegen die Schwedinnen (1:4). Nun konnte man immer wieder mit ansehen, wie es sich die DFB-Frauen zweimal überlegten, welches Risiko sich lohnen könnte.
Nia Künzer fieberte in Basel auf der Bank mit.
Dadurch hielten die Deutschen die Abstände zwischen den beiden Viererketten extrem eng. Frankreichs Nationaltrainer Laurent Bonadei stellte fest, dass sich kaum Räume aufgetan hatten. Und die Französinnen konnten so kaum einmal ihr gefürchtetes Tempospiel aufziehen.
Nüsken, Hendrich und auch Linder fehlen
Das aufreibende Spiel wirkt allerdings auch in anderer Weise nach. Gegen Spanien werden Nüsken (wegen der zweiten Gelben Karte) und Hendrich fehlen. Außerdem wird Sarai Linder am Mittwoch laut DFB definitiv fehlen. Die Verletzung der Außenverteidigerin habe sich als Kapsel-Band-Verletzung herausgestellt. Ob Linder, die gegen Frankreich früh ausgewechselt worden war, in einem möglichen EM-Finale spielen könnte, sei „derzeit noch offen“.
Mentalität schlägt Talent – das haben wir gegen Frankreich bewiesen. Und wir werden den Spanierinnen definitiv einen heißen Kampf bieten.
Bundestrainer Christian Wück
Positive Nachricht: Rechtsverteidigerin Carlotta Wamser steht nach ihrer Sperre ab sofort wieder zur Verfügung. „Das tut uns sehr gut“, betonte Wück. Andere Spielerinnen hatte leichtere Blessuren davongetragen.
Und Wück hatte schon kurz nach dem Viertelfinale erklärt: „Die medizinische Abteilung muss jetzt Hochleistung liefern, um in diesen wenigen Tagen wieder alle auf 100 Prozent zu bekommen. Dass sie auf 100 Prozent waren, hat man gesehen – oder sogar noch mehr. Das war schon eine außergewöhnliche kämpferische Leistung über 120 Minuten.“
Wie lange wird Hendrich gesperrt?
Dass Wück gegen Spanien auf Hendrich verzichten muss, ist klar. Aber wie würde es bei ihr mit einer Endspielteilnahme aussehen? Nach einer Tätlichkeit, als solche wird auch ein Haareziehen gesehen, würde sie normalerweise für zwei Spiele gesperrt.
Der DFB vertritt aber die Ansicht, dass es sich gar nicht um ein solches Haareziehen gehandelt hat. Künzer erklärte, Hendrich hätte gar nicht zu ihrer Gegenspielerin geguckt und habe sich, als sie zu Griedge Mbock Körperkontakt aufnehmen wollte, in deren Haaren verfangen. „Es ist ihr wichtig, dass sie nicht bewusst nach den Haaren gegriffen und nicht gezogen hat“, erklärte Künzer. Von der UEFA gebe es noch keine weiteren Informationen.
„Mit Kadernominierung alles richtig gemacht“
Wück ist vor dem Duell mit den Spanierinnen ohnehin nicht bange. Die EM-Debüts von Sophia Kleinherne und Franziska Kett, aber auch der Einsatz von Giovanna Hoffmann hätten gezeigt, dass „wir mit der Kadernominierung alles richtig gemacht haben“. Er ziehe den Hut vor den Neulingen. Er wisse, dass er „ohne Bedenken“ auf alle Spielerinnen im Kader zurückgreifen könne.
Welches Personal auch immer zur Verfügung stehen wird, der Bundestrainer ist sich sicher: „Wir werden den Spanierinnen definitiv einen heißen Kampf bieten.“ Das Spiel gegen Frankreich hat eindrucksvoll gezeigt, was mit Konzentration, Laufbereitschaft und taktischer Disziplin möglich ist.
Nicht viel Zeit bis zum Spanien-Spiel
Künzer ist überzeugt davon, dass die Erfahrungen jede einzelne Spielerin weiterbringen werden. Für ihre Karriere, aber auch „auf den nächsten Step Richtung Spanien“. Zunächst gelte es nun, richtig zu regenieren. Die Physiotherapeuten und die Eistonnen lassen grüßen.
Aber viel Zeit bleibt nicht mehr bis Mittwochabend. Auch wenn die Atmospäre in Basel die DFB-Frauen nun schon zum zweiten Mal zum Sieg getragen hat, hat das „Heimspiel“ in Zürich einen großen Vorteil. Spanien hat zwar einen Tag mehr zur Vorbereitung und das Viertelfinal-Spiel gegen die Schweiz (2:0) schon in der regulären Spielzeit entschieden. Für Deutschland fällt aber ein Reisetag weg.
Nach dem in vielerlei Hinsicht besonderen Erfolg gegen Frankreich gibt es nur eine Strecke zurückzulegen. „Wir machen uns auf den Weg in die Köpfe der Spanierinnen“, kündigte Künzer an. Und dann darf es auch gern ohne Platzverweis klappen.