EIn vermummter Mann in Kampfausrüstung steht mit einer Waffe vor einem roten Container.

Stand: 21.07.2025 05:15 Uhr

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 sind einige deutsche Rechtsextremisten ausgereist, um auf Seiten der Ukraine gegen Russland zu kämpfen. Nach Recherchen des NDR ist darunter auch ein Mann aus Schwerin.

von Kira Heinrich, Reiko Pinkert und Hannes Stepputat

Bis unter die Augen mit einem Halstuch vermummt, posierte Leon B. in einem rechtsextremen Musikvideo: „Weiß männlich kampfbereit“, heißt der Song. Ernst blickt er in die Kamera, auf dem Halstuch prangt ein Symbol der rechtsextremen Kleinstpartei „Dritter Weg“. Für sie war der 26-jährige Handwerker in der Vergangenheit aktiv. Gemeinsam mit Parteimitgliedern trainierte er Kampfsport in öffentlichen Parks oder reiste mit anderen Anhängern der Partei nach Stettin.

Paypal-Konto von B.s Unternehmen als Annahmestelle für Spenden

Offenbar reiste B. nicht nur nach Stettin, sondern auch an die Front in der Ukraine. Fotos, die dem NDR vorliegen, zeigen ihn mit einem Sturmgewehr bewaffnet in Kampfmontur und Schutzweste. Die Bilder sind augenscheinlich in der Ukraine aufgenommen worden – darauf weisen Waffen und ein militärisches Fahrzeug hin. Sie wurden im Telegram-Kanal des Deutschen Freiwilligenkorps (DFK) gepostet, für das B. mutmaßlich gekämpft haben soll. Im selben Telegram-Kanal lief zeitweise eine Spendensammelaktion für einen ballistischen Kampfhelm – Annahmestelle für Spenden: Das Paypal-Konto von B.s Unternehmen. Seine geschäftliche E-Mailadresse wurde zeitweise auch als Spendenkonto für das DFK genutzt.

Fritz -Reuter-Denkmal vor dem Fritz-Reuter Museum in Stavenhagen

Flugblätter einer rechtsextremen Partei sind in Stavenhagen zu den Reuterfestspielen aufgetaucht. .

DFK ist Teil der ukrainischen Streitkräfte

In der Militäreinheit DFK organisieren sich deutsche Rechtsextremisten, die auf Seite der Ukraine kämpfen. Mittlerweile ist die Einheit Teil des 49. Infanteriebataillons „Karpaten-Sitsch“ und damit der regulären ukrainischen Streitkräfte.

Im Telegram-Kanal des DFK propagieren die Mitglieder offen ihre Gesinnung, teilen Kriegsberichte und Bilder von bewaffneten Soldaten sowie Spendenaufrufe. Einer der Kämpfer des DFK, der sich auch als Gründer des Korps bezeichnet, sagte in einem Interview mit der Parteiwebseite des Dritten Wegs, die Motivation sei der Kampf gegen die „rote Pest“ eines „neobolschewistischen“ Russlands unter Wladimir Putin.

Verfassungsschutz: Dritter Weg will „nationale Revolution“

Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern schreibt über den Dritten Weg in seinem jüngsten Bericht, er wolle die Demokratie in einer „nationalen Revolution“ abschaffen. Die Kampfsporttrainings dienten unter anderem der „Wehrhaftigkeit“ gegenüber politischen Gegnern oder anderen Feindbildern. Im Krieg gegen die Ukraine vertrete die Partei als einzige des rechtsradikalen Spektrums pro-ukrainische Positionen und unterstütze daher ukrainische Nationalisten.

Keine Antwort auf NDR Anfrage

Der NDR hat B., der mittlerweile wieder in Deutschland lebt, auf verschiedenen Wegen Fragen zu seiner Zeit in der Ukraine übermittelt. Geantwortet hat er nicht. Angehörige sagten, sie hätten keinen Kontakt mehr zu B., bestätigten jedoch, dass er in der Ukraine gewesen sei und sich seit mittlerweile vier Monaten wieder in Deutschland befinde. Die ukrainische Botschaft in Berlin ließ eine Anfrage zu Leon B. und zum DFK in der ukrainischen Armee unbeantwortet.

NDR Info: Streitkräfte und Strategien

Die Sendung setzt sich kritisch mit aktuellen Fragen der Sicherheits- und Militärpolitik auseinander.

Das Schweriner Innenministerium erklärte auf Anfrage, aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nichts über Leon B. sagen zu können. Ob weitere Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern in die Ukraine ausgereist seien, konnte die Sprecherin aus Geheimhaltungsgründen nicht sagen.

Aber Leon B. dürfte nicht der einzige deutsche Neonazi sein, der mutmaßlich in das Kriegsgebiet in der Ukraine gereist ist. So hat etwa das Landeskriminalamt Baden-Württemberg Hinweise auf mehrere Rechtsextremisten, „die sich im Kriegsgebiet der Ukraine aufgehalten und sich höchstwahrscheinlich an Kampfhandlungen beteiligt haben“, wie ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart erklärte.

Droht von Rückkehrern Gefahr?

Sicherheitsbehörden und Szenebeobachter sehen darin eine Gefahr. Ein Sprecher von Lobbi, der Beratung für Betroffene rechter Gewalt sagte, Kriegserfahrungen könnten rechtsradikale Frontkämpfer weiter radikalisieren und zu einer „Gewöhnung an potenziell tödliche Gewalt und deren Ausübung“ führen.

Auch der Bundesnachrichtendienst (BND), der deutsche Auslandsgeheimdienst, zeigt sich besorgt: Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, von „Freiwilligen, die aus extremistischen Gründen in der Ukraine kämpfen, geht nach ihrer Rückkehr ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aus.“ Die Rückkehrer seien an Kriegswaffen ausgebildet worden und hätten praktische Kampferfahrung gesammelt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es ihnen gelingt, Kriegswaffen in die EU hinein zu schmuggeln.

Zudem könnten insbesondere Rechtsextremisten durch einen Kampfeinsatz „von einem erheblichen Prestigezuwachs in der Szene profitieren.“ In der Szene werde häufig betont, wie wichtig Menschen seien, die nicht nur redeten, sondern auch zur Tat schritten.

Teilnehmer auf einer Demonstration von Rechtsextremen und Reichsbürgern halten eine Fahne, die an die Reichsflagge erinnert.

Die Demokratie würde dadurch nach wie vor am stärksten gefährdet, heißt es im niedersächsischen Jahresbericht 2024.

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