Wirtschaftswachstum stärken, Bürokratie abbauen, in Infrastruktur investieren – friedlich bleibt die Debatte darüber, wofür das Land Berlin Geld (nicht) ausgeben soll, solange sie in Schlagworten verläuft.

Bevor der Senat am kommenden Dienstag den Landeshaushalt verabschiedet, hat die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) 15 Maßnahmen „für solide Landesfinanzen“ formuliert. Das Papier liegt dem Tagesspiegel vor – und berührt Streitpunkte in der schwarz-roten Koalition.

Tagesspiegel Checkpoint: Berlins beliebtester Newsletter

Der schnellste Berlin-Überblick von Montag bis Samstag.

Zum Beispiel die Frage, wie sich das Land mehr Einnahmen sichern kann. Berlin gebe deutlich mehr aus, als es einnehme, kritisiert die IHK. Steuererhöhungen seien dagegen das falsche Mittel, heißt es im Papier. Stattdessen will die Berliner IHK unter anderem die Gebühren für Bewohnerparkausweise von 85 Cent auf zehn Euro im Monat zu erhöhen.

Auch der ADAC will ein neues Konzept fürs Parken, die CDU bleibt still

Das würde zusätzliche Einnahmen von rund 22,9 Millionen Euro pro Jahr bedeuten, rechnet die IHK. Die jetzige, im Vergleich ungewöhnlich günstige Gebühr (Hamburg: 5,40 Euro pro Monat, Bremen: 6,25 Euro pro Monat) bringe mit jährlich 2,1 Millionen Euro weniger ein als ihre Erstellung koste (7,2 Millionen Euro pro Jahr).

Solche Privilegien für den privaten Autoverkehr seien angesichts Konkurrenz um Flächen in der Stadt und angespannter Landesfinanzen „nicht mehr zeitgemäß“, urteilt die Berliner IHK. Zuletzt hatte mit dem Berliner ADAC die Vertretung der Autofahrer:innen mehr Tempo bei höheren Gebühren gefordert – ein von der CDU angekündigtes Konzept zur Parkraumbewirtschaftung liegt aber weiterhin nicht vor.

Berlin hat kein Einnahmen-, sondern im Wesentlichen ein Ausgabenproblem.

Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin

Trotz weiterer Vorschläge für mehr Einnahmen, Berlin hat „im Wesentlichen ein Ausgabenproblem“, resümiert die Hauptgeschäftsführerin der Berliner IHK, Manja Schreiner. „Unsere Erwartung ist, dass vor allem an den konsumtiven Ausgaben gespart wird“, sagt Schreiner, „und unsere Befürchtung, dass genau das nicht passiert.“

Die vom Bund neu geschaffenen Kreditmöglichkeiten für die Länder (Berlin etwa darf nun pro Jahr zusätzlich Kredite von 780 Millionen Euro aufnehmen) dürften nicht zweckentfremdet werden, um sich das Sparen zu ersparen und den Haushalt kurzsichtig zu konsolidieren – zu Lasten von zukunftsgerichteten Investitionen etwa in die Hochschulen, fordert Schreiner. Hochschulen und Senat streiten sich seit Monaten um geplante Kürzungen.

Kostenlose Kitaplätze für alle? „Teurer Sonderweg“

Sparpotenzial sieht die IHK dagegen in Berlins Kostenlos-Politik im Bildungsbereich. Mit der Verständigung, Kitas, Schulessen und Schülertickets beitragsfrei zu halten, haben die Sozialdemokraten trotz Spardruck ein Prestigeprojekt gegenüber der CDU durchgesetzt. Sozialpolitisch nachvollziehbar, aber einen „teuren Sonderweg“, nennt das die IHK.

Außerdem zahle das Land Berlin, wo es auch den Bund zur Kasse bitten könne: Der hält für SGB II-Berechtigte Mittel für Schulmittagessen bereit. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren rund 23 Prozent der Berliner Minderjährigen im Januar 2025 leistungsberechtigt.

Berliner Wirtschaft: Landeshaushalt ist in Schieflage

Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) attestiert dem Land ein Ausgabenproblem. Berlin habe das zweitgrößte Haushaltsdefizit (2024: drei Milliarden mehr Ausgaben als Einnahmen) aller Bundesländer.

Die Schulden seien aufgrund zahlreicher Krisen seit der Coronapandemie auf einem Allzeithoch – die Zinsausgaben dürften laut Finanzplanung deshalb von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 1,6 Milliarden Euro 2028 steigen. Auch die Landesunternehmen haben mehr Schulden gemacht, kritisiert die IHK.

Geschrumpft seien dagegen die finanziellen Rücklagen: Von acht Milliarden Euro Ende 2022 auf aktuell rund eine Milliarde Euro. 

Der Vorschlag der Berliner IHK: Statt Kostenlos-Politik für alle, sollen sich Familien mit höherem Einkommen beteiligen. Eine Antwort auf die konfliktträchtige Frage, wo die Einkommensgrenze dabei liege, erspart man sich – ebenso wie den Verweis auf die zusätzliche Bürokratie, die damit entstehen dürfte.

Private Investoren für die Infrastruktur

Schließlich schlägt die Berliner Wirtschaft auch vor, wo das Geld für notwendige Investitionen in die Infrastruktur herkommen soll: Statt sich für Bau und Instandhaltung von Schulen und Straßen nur neu zu verschulden, soll Berlin demnach auch auf privates Investorenkapital setzen. Bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPPs) kooperieren Land und Privatwirtschaft, um öffentliche Projekte und Aufgaben zu realisieren.

In Berlin geschieht das etwa beim Stadtmarketing. Die Stadt Köln hat nach diesem Modell Schulen saniert und betreibt diese seitdem in Kooperation mit Unternehmen. Heißt zum Beispiel: Unternehmen kaufen Schulgebäude oder Grundstücke vom Land, finanzieren Bau oder Sanierung, das Land zahlt ihnen danach Miete. Für die Unternehmen sind neben langen Mietlaufzeiten auch teils hohe Rendite attraktiv.

Allein aus der Berliner Haushaltskasse ließen sich die bis 2035 nötigen 100 Milliarden Euro an Investitionen in die öffentliche Infrastruktur jedenfalls nicht zahlen, so die Berliner IHK. Zwar kann die Landesregierung auf Kredite aus dem Infrastruktursondervermögen des Bundes zurückgreifen.

Die Berliner Wirtschaft mahnt aber, dieses Geld für zusätzliche Investitionen zu nutzen – während Schwarz-Rot plant, mit dem Geld auch Finanzierungslücken bei bestehenden Projekte zu schließen.

Und was plant Berlins schwarz-rote Regierung? Neuverschuldung in Milliardenhöhe CDU und SPD verständigen sich auf Haushaltsentwurf Berliner Haushaltsmisere Zurück auf dem Weg zu höheren Schulden Berliner Unis können gegen Kürzungen vorgehen Gutachten hält Hochschulverträge für rechtlich bindend

ÖPPs beim Neu- und Ausbau von Autobahnen, die die Berliner IHK auf Landesebene zum Vorbild empfiehlt, hatten den Bund allerdings Hunderte Millionen Euro an zusätzlichen Nachträgen gekostet. Auch die Frage, ob Liegenschaften nach dem Bau wieder in Landeshand übergehen, könnte für Konflikte sorgen.