Wie viele alte Bauernhäuser im Wallis wurde auch dieses Gebäude in traditioneller Blockbauweise aus Holz erstellt. Wie viele alte Bauernhäuser im Wallis wurde auch dieses Gebäude in traditioneller Blockbauweise aus Holz erstellt.

Christoph Teurer

Mit viel Feingefühl für alte Bautradition und einer guten Portion Bescheidenheit sanierte der Luzerner Architekt Roman Hutter für eine Berner Familie ein altes Stallgebäude im Goms. Nach dem Umbau zeigt sich das Haus als vorbildliche Symbiose aus skandinavischer Einrichtungskultur und kreativem Handwerk.

Es ist der schöne Traum von einer intakten Schweiz. In der Weltferne des Dorfes, umgeben von den Walliser Alpen, spürt man ihn noch. Aus dem Hahn plätschert frisches Quellwasser in den Trog. Geranien blühen üppig vor den Sprossenfenstern. Lärchen und Tannen wachsen an den Berghängen bis zur Baumgrenze. Der Biokäse der Bergbauern aus der Region zählt zu den besten im Land.

Die alte Stallscheune liegt an einem sanft abfallenden Südosthang auf rund 1350 Metern Höhe in der Gemeinde Gluringen im Goms. Seit der ersten Erwähnung im Jahr 1203 ist der Name gleich geblieben. Auch das Ortsbild hat sich über Jahrhunderte nur wenig verändert. Zu Recht erhielt das Dorf einen Eintrag ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz (Isos).

Von einer erhabenen Schönheit ist die noch völlig intakte Häuserfront, die im Sommer von satten Wiesen gerahmt wird. Der Bauherr Pascal Imoberdorf verbrachte seine Kindheit in Obergoms. Inzwischen wohnt der Geomatik-Ingenieur mit seiner dänischen Frau Ditte, einer diplomierten Pflegefachkraft in der Onkologie, und den beiden Kindern schon seit vielen Jahren in Bern.

Die Familie aus Bern nutzt das ehemalige Stallgebäude als Ferienhaus. Die Familie aus Bern nutzt das ehemalige Stallgebäude als Ferienhaus.

Christoph Teurer

Mit seiner Heimat ist er aber nach wie vor eng verbunden, denn seine Eltern, viele Verwandte und Freunde leben hier. Das archaische Gebäude auf dem 100 Quadratmeter grossen Grundstück wurde früher von mehreren Geschwistern als Kuh- und Rossstall genutzt. Da die bäuerlichen Familien viele Kinder hatten, wurde früher oftmals klein parzelliert. So besass jede Partei an der neun Meter langen Giebelseite zum kleinen Garten einen Scheunenanteil mit Zugang über eine eigene Treppe.

Behutsame Sanierung

Im Jahr 2017 hatte Imoberdorf die Möglichkeit, das Gebäude zu erwerben, um es später für sich und seine Familie als Ferienhaus zu nutzen. Als Architekt kam für ihn nur Roman Hutter infrage, den er von Jugend an kannte, mit dem er gemeinsam in die Schule ging und dessen Arbeit er sehr schätzt. Für seine behutsamen Sanierungen bekam der Kreative schon mehrere renommierte Architekturpreise. Seit 2010 führt Hutter das inzwischen zwölfköpfige Architekturbüro RHA in Luzern.

Mit besonderer Sorgfalt versuchen er und sein Team, die tradierte Bauweise und das Besondere der Örtlichkeit in die Entwürfe einfliessen zu lassen. «Architektur ist kein Instrument der Selbstverwirklichung. Ein gesundes Mass an Bescheidenheit tut dem Verfasser, dem Bauherrn und dem Bauwerk gut», sagt der Architekt. So beliess er die rurale Fassade bis auf ein kleines Fenster unter dem Giebel in ihrem Urzustand. Die Sanierung stand unter dem Leitgedanken, die Eingriffe auf ein Minimum zu beschränken.

Bauleitung und Ausführung wurden an Holzbau Weger im nahe gelegenen Münster vergeben. Das Familienunternehmen ist auf den Umbau alter Gebäude aus der Region spezialisiert. Der Betrieb dämmte auch das Dach neu und deckte es mit dünn gespaltenen Schindeln aus Lärche dreifach überlappend ein. «Das hält locker sechzig bis siebzig Jahre», meint Imoberdorf. Die Gestaltung ist das Ergebnis einer perfekten Zusammenarbeit zwischen dem Architekten, den Handwerkern und den Bauherren.

Vieles blieb beim Alten

Von Anfang an stand für das Paar fest, den Stall nicht für Wohnzwecke auszubauen, sondern so zu lassen, wie er ist. Skiausrüstung, Wanderschuhe, Schlitten und Gartengeräte finden hier Platz. Bis auf eine grobe Kiesschüttung, eine neue Drainage und Fundamente für einen kleinen Technikraum, wo die Erdwärmepumpe installiert ist, blieb alles beim Alten.

Die architektonisch logische Konsequenz war, das Haus über die ehemalige Scheunentreppe zu begehen, um in das Obergeschoss zu gelangen. Die dritte Stiege, die an die Remise zum Nachbarn grenzte, wurde entfernt – ablesbar an den hellen Stellen der Balken. Die mittlere liess Roman Hutter leicht versetzen. Über ein Podest gelangt man jetzt in den kleinen Flur und das Gästezimmer. Daran schliesst sich der grosszügige Wohn- und Essbereich mit einer zweizeiligen Küche an.

Die verschiedenen Holzelemente schaffen einen angenehmen Kontrast in den Innenräumen. Die verschiedenen Holzelemente schaffen einen angenehmen Kontrast in den Innenräumen.

Christoph Teurer

Die Türen der Ober- und Unterschränke in der Küche leuchten in frischem «Reseda-Grün». Die Türen der Ober- und Unterschränke in der Küche leuchten in frischem «Reseda-Grün».

Christoph Teurer

Spektakulärer Blickfang ist der gemauerte Giltsteinofen aus Speckstein. «Er hält die Wärme zwölf bis fünfzehn Stunden lang, wird aber nie heiss. Meine Grossmutter hatte schon so einen», erzählt der Bauherr freudig. Roman Hutter entwarf den nach oben schmal zulaufenden Speicherofen. Im Winter kann man sich auf der Sitzbank daneben wunderbar den Rücken wärmen.

Spektakulärer Blickfang im Wohn- und Essbereich ist der Specksteinofen. Spektakulärer Blickfang im Wohn- und Essbereich ist der Specksteinofen.

Christoph Teurer

Der kommunikative Allraum profitiert vom Lichteinfall der sechs Fenster an der Giebelseite zur Strasse und zwei weiteren an der südwestlichen Längsseite. Die Klappläden waren in bestem Zustand und wurden sorgfältig renoviert.

Roman Hutter schlug vor, an einer Ecke zur Dorfstrasse eine Loggia «abzuzwacken», die bis unter das Dach reichen sollte. Mit dieser raffinierten architektonischen Idee schuf er einen geschützten Aussenbereich, an dem die Geschichte des Gebäudes ablesbar ist, denn hier blieben die alten Blockhölzer von innen sichtbar. Als Geomantik-Ingenieur fiel es Pascal Imoberdorf nicht schwer, sich die räumlichen Veränderungen vorzustellen, und er war davon begeistert.

In der zur Dorfstrasse halboffenen Loggia ist das alte Gebälk sichtbar geblieben. In der zur Dorfstrasse halboffenen Loggia ist das alte Gebälk sichtbar geblieben.

Christoph Teurer

Ein Dachüberstand schützt den Eingang vor dem Wetter. Ein Dachüberstand schützt den Eingang vor dem Wetter.

Christoph Teurer

Im Sommer avanciert dieser Raum im Raum zum Lieblingsplatz, wo die Familie auch gerne einmal durch das hier offene Fenster mit den Nachbarn plaudert. Zusammen mit der Galerie über dem Essplatz schuf der Architekt ein lichtdurchflutetes Domizil mit Blickbeziehungen in die Berge und den Ortskern, die man von aussen so nicht vermuten würde.

Minimalistischer Stil

Die meisten Wände und Decken liess Hutter mit furnierten Sperrholzplatten aus Birke verkleiden. Auch die meisten Schränke und Regale wurden daraus gefertigt. Einen Kontrast dazu bilden die Fensterrahmen, Türen und Dielenböden aus heimischer Lärche. Durch den stringenten Innenausbau strahlen die Räume eine wohltuende Ruhe aus. Das entsprach auch dem Wunsch des Paares, das einen minimalistischen Einrichtungsstil mit wenigen ausgesuchten Designmöbeln bevorzugt – mit hellem Holz, klaren Formen und freundlichen Farben.

Man spürt Dittes skandinavischen Einfluss in Stilfragen. Sie ist in Odense auf der Insel Fünen mitten in der dänischen Ostsee in einem kunst- und designinteressierten Haushalt aufgewachsen. Ihr Vater hat mehrere Häuser renoviert, auch ihre Mutter ist sehr kreativ. Ditte entschied sich beim Essplatz für die stilbildende Pendelleuchte «The Bouquet» aus gefaltetem Papier des dänischen Lampenherstellers Le Klint. Dazu passt die Lyngby-Vase aus Porzellan perfekt. Die Reliefstruktur charakterisiert diesen dänischen Designklassiker.

Helle, hohe Räume und Wände aus furniertem Sperrholz prägen den minimalistischen Charakter des Hauses. Helle, hohe Räume und Wände aus furniertem Sperrholz prägen den minimalistischen Charakter des Hauses.

Christoph Teurer

Um den Tisch stehen drei Eames Plastic Side Chairs DSX. Den handgewebten Teppich aus Schweden mit einem dekorativen Muster aus den zwanziger Jahren bekam Ditte von ihrem Vater geschenkt. An Meeresfarben erinnern «Reseda-Grün» und «Kokos-Blau», die in vielen Räumen immer wieder auftauchen wie bei den Vitra-Stühlen, dem Sofa oder in der Küche. Die Türen der Ober- und Unterschränke sind aus farbigen Vollkernplatten gefertigt. Die schwarzen Griffe dazu sind ein schöner Kontrast.

Traditionelle Baukunst

Im Dachgeschoss liegen das Bad und das Elternschlafzimmer. Hier setzten die Bauherren mit schwarzen Elementen wie den Leuchten oder der eisernen Vorhangstange spannende Akzente. Die lichtgraue Leinenbettwäsche von Christian Fischbacher harmoniert mit den duftigen Vorhängen. In dieser monochromen Farbwelt kann das Paar wunderbar abschalten und entspannen.

Wie der Rest des Hauses ist auch das Schlafzimmer schlicht gehalten. Wie der Rest des Hauses ist auch das Schlafzimmer schlicht gehalten.

Christoph Teurer

Im Dachgeschoss gibt es ein kleines Badezimmer für die Schlafräume. Im Dachgeschoss gibt es ein kleines Badezimmer für die Schlafräume.

Christoph Teurer

Daneben befindet sich das Reich der Kinder. Auch im Kinderzimmer hatte Roman Hutter die Idee, das «Vorleben» der uralten Balken sichtbar zu machen. Das neue Fenster über der Sitzbank gibt den Blick auf das Gebälk im Vorraum frei und ist eine Hommage an die beeindruckende traditionelle Baukunst der Vorfahren.

Dieser Artikel erschien im «NZZ Residence», dem Magazin für Wohnen und Immobilien.

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