Cover des Buches vor einem futuristischen Gebäude am Ostsee-Strand

Stand: 21.07.2025 06:00 Uhr

Vielerorts sind die futuristisch anmutenden Bauten von Bauingenieur Ulrich Müther im Norden zu sehen. Am 21. Juli wäre der Architektensohn Ulrich Müther 91 Jahre alt geworden. Autor Holger Vonberg hat ihm ein Buch gewidmet.

von Janet Lindemann

„Als Kind wollte ich ja Urlauber in Baabe werden. Das war mein Berufswunsch, weil wir dort öfter mal gezeltet haben“, erzählt Autor Holger Vonberg. „Eines Tages habe ich tatsächlich Bauklötzer gestaunt, als da in der Düne plötzlich ein Pilz aus Stein stand. Kein Steinpilz, sondern ein Pilz aus Beton.“ Und der war das Panorama-Restaurant mit dem liebevollen Namen „Inselparadies“ in Baabe, Vorzeigeobjekt der DDR – gebaut 1966 von dem Binzer Bauingenieur Ulrich Müther im Auftrag der Handelsorganisation HO.

Unvollendet glich das „Inselparadies“ einem riesigen Steinpilz mit einer Wendeltreppe um den Stiel. „Das hat mich so fasziniert und seitdem tauchte der Name Müther immer wieder auf, und ich bin drüber gestolpert und gerne drüber gestolpert“, so Vonberg. Die Faszination für die utopisch wirkenden Bauten von Ulrich Müther, die sich abheben von den Häusern im Stil der Bäderarchitektur oder den sonst üblichen Betonplatten zu dieser Zeit, ist bei Holger Vonberg bis heute geblieben.

Video:
Ostseebad Binz erinnert an Architekt Ulrich Müther (1 Min)

Zeitzeugen erinnern sich an Ulrich Müther

Der 63-jährige Rüganer schrieb ein Buch mit dem Titel „mutig mutiger Müther“ über die Bauten auf der Insel: „Wir hatten noch keinen Reiseführer zu den Müther-Bauten auf der Insel Rügen. Die Insel Rügen ist das größte Freilichtmuseum mit seinen Bauten. Durch unsere Müther-Wochen kamen immer wieder Leute auf mich zu und haben gefragt: Habt ihr so einen Flyer oder Druckerzeugnisse über seine Bauten und mit Geschichten drumherum?“

Einer seiner wichtigsten Zeitzeugen für das Buch wird Martin Haase aus Groß Stresow im Südosten von Rügen. Holger Vonberg beschreibt ihn als den ungekrönten König an Müthers Betonspritzen, der im Extremfall mehr als 20 Stunden an der Düse stand, bis er sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnte. Das Restaurant „Inselparadies“ in Baabe war eine der ersten Baustellen des heute 89-Jährigen.

Der Bauingenieur Ulrich Müther steht 2004 auf der Treppe des von ihm entworfenen Rettungsturmes in Binz.

Der Bauingenieur schuf weltweit mehr als 70 Schalenbauwerke, darunter den „Teepott“ in Warnemünde. Vor 90 Jahren kam er auf Rügen zur Welt.

„Das Wir stand bei ihm ganz oben“

Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme im Buch zeigt Martin Haase neben Ulrich Müther bei der Verleihung des Verdienstordens „Banner der Arbeit“ in Berlin 1970. Sie werden zum „Botschafter“ für die DDR. Die meisten der mehr als 100 Abbildungen stammen von dem Binzer Fotografen Lutz Grünke. Der heute 71-Jährige war bis 1985 als Statiker und Bauleiter bei Ulrich Müther: „Die Tätigkeit bei Müther war ja immer mit mehreren Nebentätigkeiten verbunden. In meinem Fall war es eben die Fotografie. Das war Ulrich Müther auch bewusst. Das war vielleicht auch ein Kriterium, dass er gesagt hat, nach dem Studium kommen Sie zu mir. Damit hatte er sofort seine Dokumentationsmöglichkeit von den Baustellen, von den fertigen Bauten, von Prozessen und von allem drum und dran. Es ist natürlich ein ziemlich großes Archiv dann übriggeblieben.“

Den Binzer verbindet eine lange Freundschaft mit dem Autor Holger Vonberg. Als langjähriger NDR Reporter führte Vonberg Interviews mit Müther, war in Archiven unterwegs und hat Orte besucht, die von ihm errichtet wurden, wie er erzählt: „Ich habe immer wieder ein Leuchten in den Augen gesehen, weil die Leute sich freuen, dass das in Erinnerung gebracht wird, was Müther getan hat. Müther nicht alleine, sondern immer mit seinen Leuten. Das Wir stand bei ihm ganz oben.“

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Mit einer filigranen Leichtigkeit

Etwa 30 von insgesamt 70 Schalenbauwerke sind nach der Wende verschwunden, abgerissen wie das „Ahornblatt“ in Berlin oder die Schülergaststätte in Bergen-Süd, ein zweigeschossiger Bau mit großem Speisesaal im Obergeschoss, der von Müthers Hyparschalendächern überwölbt war. Im Buch lässt Holger Vonberg auch persönliche Erinnerungen mit einfließen. In der Schülergaststätte bekam er als Steppke für 55 Pfennige manchmal ein nicht sehr schmackhaftes, aber immerhin warmes Mittagessen.

„Es ist einfach nötig, darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig der Umgang mit so Baudenkmalen ist“, sagt Vonberg. „Es sind so einzigartige Gebäude, die es so weltweit nicht noch einmal gibt und die muss man hegen und pflegen. Der Eigenbetrieb Binzer Bucht macht das mit dem Standesamt.“ Das Standesamt in der Düne, früher Rettungsturm 1, jetzt Müther-Turm und ein Wahrzeichen des Ortes. Nicht nur in Deutschland, weltweit sind die mit einer filigranen Leichtigkeit daherkommenden Bauten des Ingenieurs und Bauunternehmers Ulrich Müther zu sehen, so in Finnland, Kuwait und Libyen.

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