Ob dumpfe Bässe im Wald, Indie-Sounds auf Burgruinen oder junge Ensembles auf städtischen Bühnen: Die Festivalszene in Brandenburg ist vielfältig – und zunehmend unter Kostendruck. Vier Beispiele zeigen, wie Festivals mit der Krise umgehen und welche Folgen das für Besucherinnen und Besucher hat.
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Als am Wochenende im Havelland wieder bunte Lichter durch Nebel fluteten und sich Tausende vom Takt der Bässe leiten ließen, war es Zeit für die „Nation of Gondwana“ – seit 1995 eine feste Elektro-Größe in Brandenburg. Die rund 8.000 Gäste in diesem Jahr zahlen für ein Ticket etwa 240 Euro. Im Jahr 2019 waren es noch rund 120 Euro. Der Grund: „2019 betrugen die Produktionskosten für die Veranstaltung eine Million Euro netto, 2025 liegen diese Kosten bei 2,2 Millionen Euro netto“, sagt Veranstalter Markus Ossevorth. „Die Kostensteigerungen betreffen nahezu alle Bereiche.“ Beispielhaft nannte er Personal, Kraftstoffe, Lebensmittel und Mieten.
200 Euro und mehr fürs Ticket Betreiber des Technofestivals „Nation of Gondwana“ legt alle Kosten offen Wilde Möhre
Auch an der „Wilden Möhre“ geht die Kostenexplosion in den vergangenen fünf Jahren nicht vorbei. „Was tragisch ist, weil Kultur dadurch weniger zugänglich wird“, sagt Alexander Dettke, Veranstalter des Festivals, das seit 2014 jährlich in Drebkau, südwestlich von Cottbus stattfindet. Für ein Ticket zahlen die rund 5.000 Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr (22. bis 25. August) rund 200 Euro, vor der Corona-Pandemie waren es noch rund 140 Euro.
Melli, Helferin beim „Wilde Möhre“ Festival, gestaltet das Festivalgelände, 2024.
© dpa/Patrick Pleul
„Gleichzeitig bedeutet das auch mehr Druck auf Veranstaltende, die oft seit Jahren an der Belastungsgrenze arbeiten“, sagt der Veranstalter. „Wir beobachten seit Jahren eine tiefgreifende strukturelle Krise in der unabhängigen Festival- und Clubszene.“ Gerade für neue, kreative Formate, die keine Großinvestoren parat haben, sei es schwer.
Ein Weg – oder vielmehr eine Notlösung – sind für viele Festivals Ehrenamtliche, die etwa beim Aufbau unterstützen. Bei der „Möhre“ werde teils mit Ehrenamt gearbeitet, sie „setzen aber bewusst auf faire Vergütung, wo möglich“, sagt Dettke. Reines Ehrenamt werde seltener – die Helferinnen und Helfer erhalten in der Regel ein Ticket und umfassende Versorgung.
Jenseits von Millionen
Beim Indie-Festival „Jenseits von Millionen“ (1. bis 2. August) auf der Burg Friedland in der Niederlausitz spielt Ehrenamt eine große Rolle. Das Festival findet seit 2008 jährlich statt und wird den Veranstaltern zufolge durch den komplett ehrenamtlich arbeitenden Verein „Anderes Festival“ organisiert.
Jenseits von Millionen ist ein kleineres Festival.
© Marvin Girbig
„Ganz ehrlich: ohne Ehrenamt und die ganzen tollen Helfenden gäbe es dieses Kulturangebot nicht“, sagt Mitveranstalterin Anja Tiedemann. „Wir sind selbst immer wieder überglücklich darüber, wie viele Menschen uns mit der Übernahme von teilweise auch etwas undankbaren Schichten unterstützen.“ Der Ticketpreis hat sich trotz Kostensteigerungen in den vergangenen drei Jahren nicht erhöht, regulär zahlen die rund 500 Besucherinnen und Besucher jeweils 69 Euro.
Sound City
Doch es gibt auch Angebote, die ganz ohne Eintritt besucht werden können. Beispielsweise das Sound City Festival der Musik- und Kunstschulen Brandenburg, das seit 1994 alle zwei Jahre mit mehreren Open-Air-Bühnen in einer anderen Stadt stattfindet – in diesem Jahr werden vom 25. bis 27. Juli rund 30.000 Besucherinnen und Besucher in Ludwigsfelde erwartet.
„Die Kostensteigerungen für die Bereiche Logistik, Bühnentechnik, Sicherheit sind erheblich und können nur als gemeinsame Veranstaltung durch Musik- und Kunstschulverband, Gastgeberstadt und Landkreis gestemmt werden“, sagt Katja Bobsin vom Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg. „Das Sound City Festival der Musik- und Kunstschulen Brandenburg ist ja ein gemeinnütziges Projekt der musikalisch-künstlerischen Nachwuchsförderung.“
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Möglich mache das zum einen die öffentliche Förderung, die aber „angesichts klammer öffentlicher Haushalte“ immer wieder unter Druck gerate, sagt Bobsin. Andererseits werde das Event von zahlreichen Ehrenamtlern unterstützt. „Ohne ehrenamtliche Unterstützung könnte das Festival nicht stattfinden.“