Der Countdown läuft. In wenigen Tagen, am 1. August, beginnt die wohl aufwändigste Generalsanierung, die es bisher in der Geschichte der Deutschen Bahn gegeben hat. Die 280 Kilometer lange Strecke zwischen den beiden größten deutschen Städten Berlin und Hamburg wird für neun Monate voll gesperrt – eine technische und logistische Herausforderung für die Bahn, ein Albtraum für zehntausende von Pendlern.

Satte 2,2 Milliarden Euro will die Bahn in die Sanierung der Strecke investieren – wobei es schon im Vorfeld Zweifel gibt, ob dieser Milliardenbetrag am Ende ausreichen wird.

Verzicht auf Sicherheitssystem ETCS

„Die Kosten für die Sanierung kann man schon jetzt nur noch als frisiert bezeichnen. Es wird noch ein böses Erwachen geben, wenn die Kosten trotz der ganzen Kürzungen bei der Bauleistung nochmal kräftig steigen werden. Was genau anders als geplant nicht kommen wird, will die Bundesregierung schon nicht mehr verraten. Inzwischen ist das eher Detailsanierung als Generalsanierung und die nächste Vollsperrung ab 2030 wegen der Nachrüstung des ETCS-Systems vorprogrammiert“, kritisiert Christian Görke, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion aus Brandenburg und als langjähriger Bahnfahrer bestens mit dem Thema vertraut, die Projektplanung der Bahn.

Hintergrund: In den vergangenen Wochen hat die Bahn kleinlaut einräumen müssen, dass trotz der langen Bauphase auf den Einbau des europäischen Zugsicherungssystems ETCS, das nicht nur klassische Stellwerke überflüssig macht, sondern auch die Kapazitäten um bis zu 30 Prozent erhöht, verzichten werden muss.

Der Einbau sei aus Erfahrungen bei der Riedbahn-Sanierung im vergangenen Jahr zu komplex und zu aufwändig, so der Tenor aus dem Bahn-Tower. Konsequenz: „In den frühen 30er Jahren kommen wir dann mit dem nachträglichen Einbau um die Ecke“, blicken die Bahnverantwortlichen schon einmal auf die nächste drohende Sperrung zwischen Berlin und Hamburg voraus.

Damit nicht genug der abgespeckten Sanierung: Auf eine Anfrage der Linken an das Bundesverkehrsministerium, wie viele Überleitstellen beziehungsweise Überholgleise ursprünglich bei der Generalsanierung Hamburg-Berlin geplant gewesen seien und wie viele jetzt wirklich  umgesetzt würden, hieß es aus dem Haus von Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU): „Von den ursprünglich geplanten 12 Überleitstellen sollen 6 umgesetzt werden.“

Aus dem Umfeld der Bahn ist zu vernehmen, dass der Einbau des ETCS nicht nur komplex sondern vor allem auch kostenintensiv sei und deshalb auf die Installation vorerst verzichtet worden sei.

Bis zu drei Stunden mehr Fahrzeit

Für Görke ist klar: „Angesichts des Verzichts auf das hochmoderne Zugbeeinflussungssystem ETCS erneuere ich meine Forderung, eine temporäre eingleisige Befahrbarkeit der Bahnstrecke während der Sanierung unbedingt sicher zu stellen. Es ist dreist, wie die Bahn ihren Kunden extreme Flexibilität und geradezu Leidensbereitschaft abverlangt, aber weiterhin den gleichen Preis verlangt. So vergrault man die Menschen nicht nur für die Zeit der Sanierung, sondern auf Dauer.“ Verkehrsminister Schnieder müsse hier eingreifen, immerhin bezahle der Bund die Sanierung.

Und noch etwas brennt dem Linkspolitiker unter den Nägeln. Beim Ersatzverkehr sollten Bahn und Bund die besten Lösungen für die Bevölkerung unterstützen und Probleme nicht auf die Länder abwälzen. An zusätzlichen Zügen sollten sich Bund und Bahn finanziell beteiligen.

Der Bundestagsabgeordnete weiter: „Der derzeit für die besonders von der Vollsperrung betroffenen Flächenländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern geplante Schienenersatzverkehr mit bis zu drei Stunden nur für eine Strecke und gleichzeitig angekündigte Straßensanierungen in den Regionen lassen ein Chaos für die Menschen und Unternehmen erwarten.“