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Handgemenge zwischen Demonstrant:innen und Polizist:innen in Epping am 20. Juli 2025. © Handgemenge zwischen Demonstrant:innen und Polizist:innen in Epping am 20. Juli 2025.
Neue Anti-Asylbewerber-Krawalle in England lassen die Polizei befürchten, dass weitere schwere Unruhen unmittelbar bevorstehen.
Regierung und Polizei im Vereinigten Königreich fürchten einen neuen „heißen Sommer“, nachdem es in Epping, nördlich von London, in den letzten Tagen mehrfach zu heftigen Zusammenstößen zwischen gewalttätigen Demonstrant:innen und Polizeieinheiten gekommen ist.
Bei den Krawallen in der Nacht auf Montag wurden acht Polizisten verwundet und sechs Demonstrant:innen festgenommen. Die Polizei hatte vorsichtshalber den Eingang zu einem Hotel blockiert, in dem Asylbewerber:innen untergebracht sind. Tagsüber hatten bereits zahlreiche Familien der Gegend und vielfach Frauen mit kleinen Kindern gegen die Präsenz der Asylsuchenden protestiert. „Schickt sie nach Hause!“, skandierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung. Und: „Unsere Kinder brauchen Sicherheit!“
Ausgelöst worden waren die Proteste von der Nachricht, dass ein in dem Hotel lebender 38-jähriger Asylbewerber aus Äthiopien sich demnächst vor Gericht verantworten muss, da ihm sexuelle Übergriffe gegen mehrere Frauen und Mädchen zur Last gelegt werden.
Gegen Abend attackierten teils maskierte und offenbar oft auch betrunkene Männer die Polizei mit Rauchbomben, Flaschen und Steinen. Sie gingen auch tätlich gegen Streifenwagen vor. Insgesamt zählten Reporter:innen über tausend Kundgebungsteilnehmer:innen in Epping. Etliche waren, weil sich die aktuellen Proteste gegen Flüchtlinge und Migranten nun in dem Essex-Städtchen konzentrieren, sogar von weither angereist.
Eine Demonstrantin aus Schottland erklärte gegenüber der BBC, sie habe sich einfach „verpflichtet gefühlt, den Leuten vor Ort dabei zu helfen, die Asylbewerber loszuwerden“. Auch Neil Hudson, der konservative Unterhaus-Abgeordnete für Epping, forderte die sofortige Schließung des Hotels.
Die Polizei versicherte, dass friedliche Proteste selbstverständlich stattfinden könnten. Im Laufe des Tages sei das Ganze aber „in blindwütige Gewalttätigkeit“ ausgeartet.
Ähnlich war es der nordirischen Polizei im Juni im protestantischen Städtchen Ballymena gegangen, als Ortsansässige mehrere Tage lang eingewanderte Roma-Familien verfolgten und einzelne Häuser anzuzünden begannen. Auslösender Faktor war in diesem Fall gewesen, dass zwei 14-jährige rumänische Teenager ebenfalls wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe festgenommen worden waren.
Tatsächlich sind Hunderte der bei den betreffenden Krawallen vertriebenen Rumän:innen und anderen Osteuropäer:innen, die vorher in Ballymena lebten, seither nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Die gegen „die Fremden“ zu Felde gezogen waren, feiern das heute als „echten Erfolg“.
Besondere Aufmerksamkeit – und weithin Entsetzen – erregte vor zwei Wochen auch ein Scheiterhaufen im nordirischen Moygashel, auf dem feierlustige Angehörige des Orangisten-Ordens die Nachbildung eines Flüchtlingsboots mit mehr als einem Dutzend Schaufensterpuppen in Schwimmwesten abfackelten. Obwohl viele Politiker:innen der Provinz die „Hass-Aktion“ vorab verurteilten, wagte niemand, sie zu stoppen, bevor das Boot in Flammen aufging.
Derweil haben mehrere Polizeieinheiten in England erklärt, sie seien dabei, Vorbereitungen für den Fall zu treffen, dass ähnliche Unruhen bei ihnen ausbrächen. Geplant haben rechtsradikale Gruppen angeblich „Randale“ in Dover, Bournemouth, Norwich und Manchester.
Lebhaft in Erinnerung sind noch die Straßenkrawalle des Sommers 2024 in England und Nordirland, als Unruhestifter versuchten, Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen in Brand zu stecken. Damals kamen über 800 Personen in Haft.
Einer neuen Studie des Forschungsinstituts British Future zufolge muss das Vereinigte Königreich in diesem Sommer schon deshalb neue Zusammenstöße befürchten, weil die Probleme der Vergangenheit nie gelöst wurden – und rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung keinerlei oder kaum Kontakt zu Mitbürger:innen anderer Kulturen hat. Das könne die vielverbreitete Sorge über Neuankömmlinge auf der Insel nur verstärken. „Wir sehen uns vor einem langen, heißen Sommer, mit einem Pulverfass sozialer Spannungen, um das sich seit letztem Jahr niemand sonderlich gekümmert hat und das jederzeit wieder explodieren kann“, meint Jake Puddle, einer der Verfasser der Studie.