Die Stadt München wird mit ihren Finanzen auch im Jahr 2026 nur haarscharf über der Grenze bleiben, die der Gesetzgeber erlaubt. Sie will zwar rekordverdächtige 9,482 Milliarden Euro einnehmen, am Ende sollen davon aber im laufenden Geschäft der Verwaltung nur sechs Millionen Euro übrig bleiben. Dabei ist das verabredete Sparpaket von 300 Millionen Euro bereits eingerechnet. Das heißt, dass München fast alle Investitionen nur mit weiteren Schulden bezahlen kann. Allein im kommenden Jahr sollen diese etwa zwei Milliarden Euro betragen. So sieht es der Entwurf der Kämmerei für den Haushaltsplan 2026 vor.
Der Stadtrat und die Referate müssen laut der entsprechenden Vorlage, dem sogenannten Eckdatenbeschluss, zittern, dass bei einem schon sehr kleinen Wackler bei den Steuereinnahmen das Geschäft der Verwaltung ins Minus rutscht. Das könnte im schlimmsten Fall bedeuten, dass die Rechtsaufsicht, also die Regierung von Oberbayern, eingreift und zumindest Auflagen erteilt.
Die Regierungskoalition aus Grünen/Rosa Liste/Volt und SPD ist sich der Gefahr bewusst. Nach Informationen der SZ wird gerade hinter den Kulissen darüber gesprochen, die Sparvorgaben für 2026 nochmals zu verschärfen. Dafür könnte die Regierungsmehrheit in der kommenden Vollversammlung des Stadtrats am 30. Juli noch einen Antrag einreichen.
Im Entwurf der Kämmerei stehen den Einnahmen von knapp neuneinhalb Milliarden Ausgaben von 9,285 Milliarden gegenüber. Das ergibt erst einmal einen Überschuss von 197 Millionen Euro. Doch davon muss Kämmerer Christoph Frey (SPD) noch 191 Millionen abziehen, die er für die Tilgung der Schulden benötigt. Es bleiben also sechs Millionen Euro Gewinn.
Dabei haben sich trotz der nun schon jahrelangen Flaute in der deutschen Wirtschaft die Steuereinnahmen in München stets stabil bis positiv entwickelt. Die Stadt rechnet zum Beispiel bei der Gewerbesteuer für 2026 mit einer Zunahme um 200 Millionen Euro auf 3,99 Milliarden Euro.
Das Problem ist, dass die Stadt ihre Ausgaben nicht in den Griff bekommt. Das gilt sowohl im laufenden Geschäft ihrer Verwaltung als auch bei den Investitionen. „Es bedarf daher ganz konkreter und signifikanter Vorschläge für Sparmaßnahmen sowohl im konsumtiven als auch investiven Haushalt aus der Verwaltung, aber auch aus dem Münchner Stadtrat“, schreibt Kämmerer Frey in seinem Beschlussvorschlag.
Jedes Referat muss bei sich nach verzichtbaren Posten suchen
Dabei quälen sich Politik und Verwaltung seit Monaten durch Streichlisten und Sparverhandlungen. Die gewünschten Ausgaben der Referate wurden bereits um 160 Millionen Euro reduziert. Beim Personal beläuft sich der Posten auf gut 40 Millionen Euro. Dazu muss die Verwaltung weitere 100 Millionen Euro streichen, auf Basis der sogenannten Aufgabenkritik. Jedes Referat muss bei sich nach Posten und Tätigkeiten suchen, die verzichtbar sind oder anders oder günstiger geregelt werden können.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat die Verwaltung dazu im Jahr 2024 mit einer Verfügung verpflichtet, doch die 100 Millionen Euro sind noch nicht konkret benannt, sondern in Form einer Pauschale berechnet, „da die Zielvorgabe der o. g. Verfügung durch die Referatsmeldungen leider nicht erreicht werden konnte“, erklärt Frey.
Auch beim notwendigen Kürzen und Streichen von Investitionen kommt die Stadt deutlich schlechter voran als geplant. Für das Jahr 2026 sind Ausgaben von 2,753 Milliarden Euro unter anderem für neue Schulen und den öffentlichen Nahverkehr angesetzt. Dieser Summe stehen nur Mittel von 269 Millionen Euro gegenüber, die hauptsächlich aus Zuschüssen von anderen staatlichen Ebenen kommen. Die Stadt wird also mehr als zwei Milliarden Euro Schulden machen müssen und mit ihrem Rest an flüssigen Mitteln kräftig in die Miesen rutschen. Bis Ende der 2020er-Jahre könnte München bei mehr als 13 Milliarden Euro Schulden landen, rechnet der Kämmerer vor.
Ziel „trotz intensiver Abstimmungen“ nicht erreicht
Dabei hat sich der Stadtrat schon selbst verpflichtet, von 2028 an nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro für Investitionen auszugeben. Nur noch die Steigerung im Baupreisindex soll dazukommen. Doch mit der Umsetzung ist der Kämmerer bisher ebenfalls am Widerstand der Verwaltung gescheitert. Das Ziel „konnte trotz intensiver Abstimmungen mit den betroffenen Fachreferaten noch nicht erreicht werden“, schreibt er.
Bisher neigte die Verwaltung dazu, teure Projekte einfach so weit in die Zukunft zu schieben, dass sie in der konkreten Finanzplanung nicht mehr auftauchten. Diese Taktik müsse ein Ende finden, fordert Frey in der Vorlage. „Ein bloßes Verschieben der Maßnahmen“ reiche nicht mehr, heißt es in der Vorlage, „daher ist ein vollständiger Verzicht auf bestimmte Vorhaben erforderlich“.
Aus dem Rathaus ist zu hören, dass bis auf Weiteres wohl nur noch Projekte gebaut werden könnten, die schon begonnen seien oder in der Planung so weit fortgeschritten, dass ein Abbruch nicht mehr möglich oder zu teuer sei. Die extrem hohe Verschuldung wiederum bedingt, dass auch das laufende Geschäft der Verwaltung noch mehr unter Druck kommt. Denn per gesetzlicher Vorgabe ist die Stadt dazu verpflichtet, einen so hohen Überschuss zu erzielen, dass die Tilgung gedeckt ist. Dafür könnten schon 2029 um die 400 Millionen Euro notwendig sein.
Wie die meisten Kommunen in Deutschland könne auch München viele Leistungen nicht mehr erbringen, wenn nicht „Fortschritte durch Bund und Land bei der Finanzierung kommunaler Aufgaben“ erreicht würden, heißt es dem Papier. Schon für 2026 warnt der Kämmerer, dass trotz intensiver Sparpläne das fragile finanzielle Gleichgewicht schnell kippen könnte. Sollte etwa der Nahostkonflikt weiter eskalieren oder US-Präsident Donald Trump schmerzhafte Zölle verhängen, könnten die erwarteten Steuereinnahmen schlagartig einbrechen.