Tödlicher Schuss in Leonberg: Wann darf ein Polizist schießen? Der Tatort in der Leonberger Hohheckstraße Foto: SDMG

Wenn ein Polizist auf einen Menschen schießt, dann ermittelt automatisch die Staatsanwaltschaft. Denn es gelten sehr klare Regeln, wann geschossen werden darf.

Ein 44-jähriger Mann schießt am Samstag in Leonberg (Kreis Böblingen) mit einer Schusswaffe auf Gebäude und Passanten. Die Polizei stürmt das Haus, der Mann wird bei dem Einsatz getötet.

Der Fall reiht sich in eine Reihe von tödlichen Polizeischüssen in der Region. Auch wenn die Geschehnisse wohl nicht alle eins zu eins miteinander vergleichbar sind. Anfang Juli etwa schießt ein Polizist in Stuttgart-Ost auf einen mutmaßlichen Straftäter. Der Mann, ein 18-Jähriger, stirbt – nur wenige Tage nachdem er als Asylsuchender nach Deutschland gekommen war. In beiden Fälle steht die Frage im Raum: Durfte der Beamte in dieser Situation schießen? Letztlich klären wird das jeweils ein Ermittlungsverfahren, das umgehend eingeleitet wurde.

Das schreibt das Polizeirecht in Baden-Württemberg vor

Die Schussabgabe wird auf der Grundlage des Polizeirechts zu bewerten sein. Denn darin ist genau geregelt, wann Polizistinnen und Polizisten zur Waffe greifen dürfen.

  • „Es ist immer Ultima Ratio, es darf nur das letzte Mittel sein, wenn sonst nichts mehr hilft“, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. Der Schuss ist eine Form des unmittelbaren Zwangs und im Landespolizeigesetzes geregelt. Das ist die erste Hürde. Denn dieser unmittelbare Zwang – also physische Gewalt – darf nur ausgeübt werden, „wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint“.
  • Ein Polizist oder eine Polizistin darf auf Menschen schießen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss die Situation so sein, dass einfache körperliche Gewalt oder mitgeführte Hiebwaffen und deren Anwendung entweder erfolglos angewendet wurden, oder deren Anwendung nicht den erhofften Erfolg bringt. Auch darf man erst auf Menschen schießen, wenn das Schießen auf Sachen nicht mehr hilft – etwa wenn man ein Auto stoppen will, das auf Menschen zu rast.
  • Wenn eine Person aufgehalten werden muss, die dabei ist oder kurz davor ein Verbrechen zu begehen, darf sie mit einem Schuss gestoppt werden. Das gilt auch für Vergehen, bei denen Schusswaffen oder Sprengstoff verwendet werden.
  • Es darf auch geschossen werden, um ein Person zu stoppen, die vor einer Festnahme flüchtet. Allerdings ist auch dabei zu beachten, um welchen Tatverdacht es geht: Die Person, die ein Verbrechen begangen hat und auf frischer Tat erwischt wird, darf mit einem Schuss gestoppt werden. Das gilt auch, wenn sie „eines Verbrechens dringend verdächtig“ ist, oder eines Vergehens mit Waffen oder Sprengstoff verdächtigt wird.
  • Auch, wer aus dem Gewahrsam flieht, wo eine Freiheitsstrafe oder die Sicherungsverwahrung vollzogen wird, darf mittels Schusswaffe gestoppt werden. Das gilt auch, wenn jemand mit Gewalt eine Person aus dem Gewahrsam befreien will.
  • Ein Schuss, bei dem man davon ausgehen muss, dass er tödlich sein kann, darf nur dann abgegeben werden, wenn er das einzige Mittel ist, um jemanden zu stoppen, der das Leben anderer gefährdet oder sie schwerwiegend verletzen wird.

Beamtinnen und Beamte müssen also abwägen, ob sie einen Menschen, von dem Gefahr ausgeht, zunächst anders als mit einem Schuss stoppen können. Auch spielt es eine Rolle, was der oder die Schießende über die Tat weiß, die vor der Begegnung mit der Tatperson lag. War dies ein Verbrechen, eine schwerwiegende Gewalttat? Und: Ist die Person auf eine andere Art und Weise zu stoppen? Ist ihre Flucht vereitelbar, ohne auf sie zu schießen? All das ist zu berücksichtigen.