Steinmetz von der Insel Rügen hilft in Weiditz
Im Giebeldach setzen Lennart und Theresa zunächst Holzstaken in die Fachwerkfenster ein. Dann füllt Steinmetz Sedric die Zwischenräume mit einer Masse aus Lehm, Sand und Stroh auf. Der 22-jährige trägt die klassische Kluft eines Wandergesellen: Ein schwarzer Hut, der Freiheit symbolisiert, ein weißes Hemd und eine bunte Kluft aus Cord. Die Gewerkfarbe gibt einen Hinweis auf das Handwerk: Holz ist schwarz, Textil rot oder in Sedrics Fall als Steinmetz beige für Mineralien. Einen Lehmwickelbau hat er noch nie gemacht: „Ich war darauf eingestellt, dass ich nicht überall als Steinmetz arbeiten werde“, sagt Sedric, „aber das macht Wanderschaft ja auch aus, dass man nicht nur in seinem Handwerk besser wird, sondern auch einfach mal guckt, was noch so geht.“
Sedric kommt von der Insel Rügen. Er ist seit vier Monaten unterwegs. Sein bisher schönstes Erlebnis war der Besuch des Kölner Doms und den dazugehörigen Steinwerkstätten. Wohin er nach der Baustelle in Weiditz reisen wird, weiß er nicht: „Ich mache keine Pläne. Bis vor einem Monat wusste ich auch nicht, dass ich hier sein werde.“ Theresa habe ihm davon erzählt und da er in der Nähe war, sei er hergekommen.
Wanderschaft macht aus, nicht nur im eigenen Handwerk besser zu werden, sondern auch zu schauen, was es sonst noch gibt.
Sedric
Steinmetz auf der Walz
Theresa und Lennart sind so etwas wie die Projektleiter des Arbeitseinsatzes in Weiditz: Gemeinsam haben sie die Baustelle für andere junge Menschen auf Walz vorbereitet. Dafür haben sie mit den Bewohnern des Hofs gesprochen und den Bau geplant, Essen und Schlafplätze organisiert und Material besorgt. Theresa hat zusätzlich mit einem ansässigen Zimmerermeister aus dem Ort bereits Ende Mai die Fachwerkwand errichtet. Hier soll zukünftig ein Kinderzirkus üben.
Auf der Walz gelten viele Regeln
Wer auf Walz gehen möchte, muss auch heute noch verschiedene Regeln beachten: Wer losläuft, muss unter 30 sein, schuldenfrei, unverheiratet und kinderlos. „Man soll als freier Menschen ziehen können, ohne Verantwortung in der Heimat zu haben“, erklärt Lennart. Der 28-jährige kommt aus Ditzum in Niedersachsen. Nicht einmal 700 Menschen leben dort. „Da wollte ich was sehen von der Welt, sehen, wie Schiffe mit anderem Holz für andere Gewässer gebaut werden.“ Eigentlich dürfte er im Oktober zurückkehren. Doch Lennart möchte seine Wanderschaft fortsetzen: „nochmal nach Dänemark und noch einen befreundeten Wandergesellen nach Hause in Tirol bringen.“
Unterwegs dürfen die Wandergesellinnen und Wandergesellen zwar Geld verdienen, aber dieses nicht für Unterkunft und Fortbewegung ausgeben. Handys sind ebenfalls verboten. Die Walz ist auch heute noch eine ziemliche Herausforderung, weshalb Theresa am Anfang ihrer Reise auch ein bisschen Angst hatte. „Es hat mich jedes Mal gestresst, wenn ich nicht wusste, wo ich schlafen soll.“ Unterstützung hat sie dabei von anderen Reisenden bekommen. „Am Anfang wirkten die alle so furchtbar selbstbewusst in ihrem Auftreten. Bis man merkt: Die kochen auch nur mit Wasser und sind auch nur Menschen.“
Für Zimmerin aus Marburg bedeutet Wanderschaft auch Freiheit
Mittlerweile stressen sie die Regeln der Walz nicht mehr so stark. „Die Regelungen sollen ja auch die Freiheit der Walz garantieren“, sagt Theresa, „und diese Freiheit kriegt man ja so nie wieder im Leben.“ Sie freue sich zwar, wieder eine Tür zu haben und irgendwann wieder einen Garten, aber aktuell genießt sie ihr Leben auf Wanderschaft: „Ich möchte jetzt die Freiheit ausleben, solange ich sie habe, um mich dann wirklich setteln zu können irgendwann.“ Wann das sein wird, weiß sie nicht. Vermutlich wird sie ihre Wanderschaft verlängern: „Ich will unbedingt mal noch nach Georgien reisen. Auf Wanderschaft lernt man ein Land ganz anders kennen.“
Man soll als freier Mensch ziehen, ohne Verantwortung in der Heimat zu haben: Keine Schulden, keine Kinder und keine Vorstrafen.
Lennart
Bootsbauer auf Wanderschaft
Bis Anfang August bleiben Lennart, Sedric und Theresa in Weiditz. Für Theresa steht zumindest fest, dass sie erstmal nicht allein reisen wird. „Im Sommer habe ich eine junge Tischlerin losgebracht. Das heißt, ich begleite sie jetzt für drei Monate und zeige ihr, Tricks, wie es sich so auf Wanderschaft lebt.“ Wohin sie dann allerdings reisen, das wissen sie noch nicht.