Liebe Leserin, lieber Leser,
einem Freund verdanke ich
vier Schmetterlingspuppen, knapp drei Zentimeter lange, mattgrüne Gebilde von
vage spindelförmiger Gestalt. Als ich sie bekam, waren zwei davon noch Raupen.
Nun hängen sie mit feinen, von ihnen selbst gesponnenen Fädchen bewegungslos an
Zweigen der Wilden Möhre, die der Freund in einem durchsichtigen
Plastikbehältnis befestigt hat. Wenn alles gut geht, werden aus den Puppen im
Lauf der nächsten Wochen Schwalbenschwänze schlüpfen. Bis dahin stehen sie wie
zur Dekoration, oder vielleicht auch wirklich zur Dekoration, auf meinem
Wohnzimmertisch. Wo andere Blumen in einer Vase platzieren, wachsen bei mir
Schmetterlinge.
Am Anblick der Schwalbenschwänze, wenn sie wirklich schlüpfen, werden ich
nur ein paar Minuten Freude haben, denn als Schmetterlinge gehören sie
natürlich ins Freie. Unsere Nachbarschaft hat am Straßenrand einen
Wildwuchsstreifen mit allerlei insektenfreundlichen Blumen angelegt. Ansonsten
gibt es Schmetterlingsflieder und Brennnesseln, auf Hochbeeten wachsen Fenchel
und Dill. Die Schwalbenschwänze könnte es schlechter treffen. Meine Exemplare
stammen von einem Möhrenacker im Hamburger Umland, wo sie ohne Eingreifen
meines Freundes der Ernte zum Opfer gefallen wären.
Während die Tierchen ihrem
letzten Lebensstadium entgegenreifen, drängt sich natürlich die Frage nach der
Sinnhaftigkeit dieses Unternehmens auf. Ob sie es bis zur Paarung bringen oder
während ihrer ersten Stunde in Freiheit Singvögeln zum Opfer fallen, werde ich
nicht erfahren. Ökologisch gesehen wäre wohl auch die zweite Möglichkeit nicht
verkehrt. Allerdings finde ich das Verhältnis von Aufwand und Ertrag
ernüchternd – um einen einzigen Meisenring zu ersetzen, bräuchte ich Dutzende
von Schmetterlingen.
© ZON
Newsletter
Elbvertiefung – Der tägliche Newsletter für Hamburg
Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.
Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.
Vor allem aber ist es so,
dass ich vor zehn Jahren, als es in meiner Nachbarschaft weder Blühstreifen
noch Brennnesselrefugien gab, dennoch viel mehr Schmetterlinge als heute
beobachten konnte, und in deutlich größerer Vielfalt. Als ich im vergangenen Jahr
schon einmal Schwalbenschwänze ausgesetzt habe, waren Nachbarn von den Fotos
begeistert, die ich in unseren Blog stellte – aber die Freude rührte eben auch
daher, dass wir echte Schmetterlinge seltener als früher zu Gesicht bekommen.
Vermutlich ist es ein hoffnungsloses Unterfangen, gegen die Naturzerstörung
anzugärtnern. Darum finde ich es gut, dass im Fall der harmlosen, wenn auch
nicht sonderlich ertragreichen Liebesmühe um die vier Schmetterlinge die Tat
ihre Belohnung in sich trägt. Mag sein, dass sie ökologisch sinnlos ist, aber
sie schadet nicht, schmückt meine Wohnung und regt zum Nachdenken an.
Haben Sie einen schönen Tag!
Ihr Frank Drieschner
Wollen Sie uns Ihre Meinung
sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine
E-Mail an hamburg@zeit.de.
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Christian Charisius/dpa
Am Donnerstag beginnen in Hamburg die Sommerferien, ebenso in Berlin und Brandenburg sowie ab dem Wochenende in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. In Schleswig-Holstein etwa
werden Ferienreisende laut ADAC auf der A1 mit Verzögerungen von 30 bis 60
Minuten rechnen müssen, im Großraum Hamburg mit 15 bis 30 Minuten und auf der
A7 mit 30 bis 40 Minuten. An der Grenze zu Dänemark würden Beamte auf
beiden Seiten stichprobenartig kontrollieren, was zu unvorhersehbaren
Wartezeiten führen kann, hieß es.
Der Mann, der in Farmsen-Berne am Wochenende seine Frau und dann sich selbst erschossen haben soll, besaß seine Waffe nach ersten Erkenntnissen der Polizei legal. Nach einem heftigen Streit, so nimmt aktuell die Polizei an, war die 56-jährige Ehefrau am Sonntag vor ihrem 77-jährigen Mann auf ein Nachbargrundstück geflüchtet, auf dem er sie mit mehreren Schüssen getötet haben soll. Die Waffe, einen Revolver, fanden Ermittler am Sonntag neben der Leiche des Mannes auf der Terrasse seines Grundstücks. Die Mordkommission ermittelt.
Vielen Hamburgerinnen und Hamburgern droht Altersarmut – trotz
sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung. Laut einer Anfrage des
Linken-Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch an die Bundesregierung liegt das Bruttomonatsentgelt von knapp 225.500 Beschäftigten in Hamburg bei unter 3.500 Euro. Das entspricht
einem Anteil von 31,7 Prozent der in Hamburg sozialversicherungspflichtig
Vollzeitbeschäftigten. Bundesweit sind es den Zahlen zufolge 41,6 Prozent. Nach
Angaben der Linken ist ein Monatsbruttolohn von mehr als rund 3.300 Euro nötig,
um eine gesetzliche Rente auf dem Niveau der Armutsrisiko-Schwelle zu erhalten.
In aller Kürze
• Für Eltern, Schülerinnen und Schüler mit Zeugnis-Sorgen bieten die regionalen Bildungs- und Beratungszentren der Bildungsbehörde einen telefonischen Zeugnisdienst an. Unter der Telefonnummer 040 42896 8536 stehen von Dienstag bis
Donnerstag jeweils in der Zeit von 8:30 bis 16:00 Uhr Schulpsychologen,
Sozialpädagoginnen und Lehrkräfte für Rat bereit • Auf der Veddel wollte die Hochbahn einen Busbetriebshof mit Nahversorgungs- und Ärztezentrum sowie ein Hostel errichten – wie der NDR berichtet, wird das Projekt aus Kostengründen gestrichen • Heute und morgen
wird es laut Deutschem Wetterdienst bei höchstens 22 Grad Celsius in Hamburg Schauer
und Gewitter geben
AUS DER HAMBURG-AUSGABE
© plainpicture
„Meine größte Angst? Dass unsere Mitarbeiter in die Scheiße gezogen werden“
Im Hamburger Hafen wächst
die Sorge, dass sich Arbeiter mit der Kokain-Mafia einlassen. Jetzt schickt die
Polizei Drogenermittler mit einem Sonderauftrag in die Betriebe. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Artikel von Christoph Heinemann und Kristina Läsker aus dem Hamburg-Teil der ZEIT.
Eine Werkshalle im Hamburger Hafen, groß wie eine Scheune. 23 Männer haben
sich auf Stühlen in den Pausenraum gequetscht, karge Einrichtung, graue Wände.
Die Männer tragen Warnwesten, auf dem Boden liegen ihre roten Helme. Manche
Gesichter sind zerfurcht, manche tiefbraun. Daran sind Sonne, Regen und Wind
schuld, denn diese Männer arbeiten fast immer draußen. Normalerweise würden sie
jetzt Gabelstapler fahren oder Container prüfen und reparieren, von draußen ist
das Schleifen einer Flex zu hören. Stattdessen wurden sie vom Chef zu dieser
Schulung einbestellt, eineinhalb Stunden still sitzen und zuhören, zwischen
Frühschicht und Spätschicht. „Wie in der Schule hier“, murrt einer. Andere
denken wohl Ähnliches, aber sagen nichts. Sie sitzen mit verschränkten Armen
da.
Vor der Gruppe stehen zwei Männer in Jeans, einer trägt ein Paar
Handschellen am Gürtel. Es sind Drogenermittler der Polizei, in diesem Text
sollen sie Peter Müller und Jannis Weber heißen. Die Beamten, der Betrieb und
die Mitarbeiter müssen unerkannt bleiben, das war die Bedingung dafür, dass
heute eine Journalistin zuschauen darf. Sie alle wollen nicht ins Visier der
Kartelle geraten. Das Thema der Schulung: Kokain-Schmuggel.
Seit gut eineinhalb Jahren besuchen die beiden Ermittler Firmen im Hafen,
sie haben fast 2.000 Menschen geschult. Das Ziel ist, die Arbeiter davon
abzuhalten, sich mit der Drogenmafia einzulassen. Die Ermittler warnen vor der
Versuchung durch das schnelle Geld. Denn das kann grausam enden. Nicht nur für
jene, die den Stoff schnupfen, sondern auch für die Arbeiter oder für ihre
Familien. Mit Erpressung, Gewalt oder Gefängnis.
„Moin erst mal“, sagt der Ermittler Weber. Er und sein Kollege arbeiten für
das Hafensicherheitszentrum, erzählt er. „Habt ihr davon schon mal
gehört?“ Einige nicken. Seit 2024 kooperieren Zoll, Polizei und
Hafenbehörde in diesem Zentrum, um den Handel mit Drogen besser bekämpfen zu
können. Es gelange immer mehr Kokain nach Hamburg, erzählt Weber. Um die Ware
nach der Anlieferung zu bergen, sie also aus den Containern zu holen und
unbemerkt aus dem Hafen zu schmuggeln, seien die Kartelle auf Helfer angewiesen.
Etwa auf Fahrer von Lastwagen oder Containerbrücken, auf Logistiker, Planer
oder ITler. Weber nennt sie „Hafeninnentäter“. Die meisten hätten keine
kriminelle Vorgeschichte. „Die führen ein unbescholtenes Leben“, sagt Weber.
„Und auf einmal steigen sie in die Bundesliga der Rauschgift-Kriminalität ein.“
Vor welchen Strategien der
Drogenmafia die Ermittler in den Schulungen warnen, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung des Artikels auf
zeit.de.
DER SATZ
© Robert Radziejewski (Foto Thomas Leidig)
„Ich
nehme auch Hip-Hop-Musiker ernst, die Sandalen tragen. Das war früher nicht so.„
In der ZEITmagazin-Serie „Was ich früher gerne gewusst hätte“ verrät der Hamburger Rapper Jan Delay unter anderem, welches deutschsprachige Album er für das beste hält und welches seiner Musikvideos er schrecklich findet.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Am kommenden Freitag
liest die Hamburger Autorin Isabel Bogdan in der Reihe „Lesungen fürs Ledigenheim“ aus ihrem im Herbst erschienenen Roman „Wohnverwandtschaften“. Das
Ledigenheim ist seit 1913 ein Wohnhaus für alleinstehende Männer in der
Neustadt.
Isabel Bogdan „Wohnverwandschaften“, 25.7., 19
Uhr; Kleiner Michel, Michaelisstraße 5; gerne mit Anmeldung unter anmeldung@stiftungros.de oder
040-29 81 38 88
MEINE STADT
Der eine oder andere weiß das Wetter doch zu schätzen (Klövensteen) © Hilke Suhr
HAMBURGER SCHNACK
In der U-Bahn.
Mir gegenüber unterhalten sich zwei junge Männer, beide Anfang 20, so lautstark
über den Kommunismus, die Rote Flora und 3-Gänge-Menüs in Italien, dass ich meine Kopfhörer aufsetze. Ich höre noch: „Man sieht ja heute nur
noch Leute mit Kopfhörern und mit Handy. Also früher war das mal mein Hobby, so
Leute in der Bahn anschauen, ansprechen, da hatte ich viel mehr approach. In
anderen Kulturen sind die Menschen ja viel offener. Irgendwo random im
hintersten Winkel der Türkei, da kannst du random irgendwelche Gespräche
anfangen, actually.“ Antwortet der andere: „Same.“
Gehört von Katja
Fülscher
Das war die Elbvertiefung, der tägliche
Hamburg-Newsletter der ZEIT. Wenn Sie möchten, dass er täglich um 6 Uhr in
Ihrem Postfach landet, können Sie ihn hier
kostenlos abonnieren