Einen Stillstand gibt es nie. Das kommunale Busunternehmen Eswe Verkehr befördert an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr Passagiere durch die hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Etwa 160 Busse rollen fast immer gleichzeitig über die Straßen und bedienen die mehr als 40 Linien zu den 26 Ortsteilen. Mehr als 230 Busse sind es zu den Spitzenzeiten am frühen Morgen während der Schulzeit. Dann ist der Andrang besonders groß. Der Busverkehr ist das Rückgrat des Öffentlichen Personennahverkehrs in Wiesbaden. Das bleibt auch absehbar so, weil die Mehrheit der Wahlbürger eine Rückkehr der Straßenbahn in das Wiesbadener Stadtbild ablehnt.

Damit der Busverkehr möglichst reibungslos läuft und den Erwartungen von jährlich rund 60 Millionen Passagieren gerecht wird, hat Eswe Verkehr rund 600.000 Euro in eine neue Leitstelle investiert. Kernelement ist die 80 Quadratmeter große Zentrale, dort gibt es vier Arbeitsplätze mit jeweils sechs Bildschirmen. Insgesamt wurden dort mehr als drei Kilometer Netzwerkkabel verlegt.

In dem schallgedämpften Raum wird ruhig und konzentriert gearbeitet. Um übermäßigen Lärm und Wärmeentwicklung zu vermeiden, wurden die Rechner und Computer in einen eigenen Raum ausgelagert. Dafür nimmt die Video-Multifunktionswand aus acht großen Bildschirmen eine ganze Wand ein. Die Livebilder, die dort projiziert werden, stammen von den insgesamt 41 hoch­auf­lö­sen­den Kameras, die Eswe Verkehr im Liniennetz an wichtigen Verkehrsknotenpunkten und den meistfrequentierten Haltestellen hat installieren lassen.

Mitarbeiter reagieren auf Verkehr und Andrang

Aufgezeichnet wird hier nichts, denn es geht bei den Livebildern um die aktuelle Lage im Busverkehr, nicht um eine mögliche Beweissicherung bei Vorfällen gleich welcher Art. Die Liveüberwachung gelinge dank der Güte der Kameras auch nach Einbruch der Dunkelheit, sagt Klaus-Peter Wollny, der Leiter der Verkehrssteuerung. Die 32 Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung, die hier Schichtdienst leisten, können dank dieser Bilder den Andrang der Passagiere auf bestimmten Buslinien erkennen und gegebenenfalls weitere Busse auf den hoch belasteten Routen einsetzen, aber auch Störungen im Verkehrsfluss und notwendige Umleitungen erkennen.

KI-Artikelchat nutzen

Mit der kostenlosen Registrierung nutzen Sie Vorteile wie den Merkzettel.
Dies ist
kein Abo und kein Zugang zu FAZ+
Artikeln.

Sie haben Zugriff mit Ihrem Digital-Abo.

Vielen Dank für Ihre Registrierung




Aktuell waren es am Montag 14 Umleitungen, die von den Busfahrern zu beachten waren. Bei 5000 Baustellen jährlich in Wiesbaden sind Behinderungen und Umleitungen im Busverkehr keine Ausnahme, sondern „der Normalbetrieb“, sagt Eswe-Geschäftsführerin Marion Hebding. Rettungs- und Feuerwehreinsätze gehen meist mit Straßensperrungen einher und beeinflussen den Busverkehr ebenso wie häufige Demonstrationszüge zum Wiesbadener Landtag, unvermutete Wasserrohrbrüche, schwere Verkehrsunfälle und der Ausbau des Fernwärmenetzes.

Unpünktlich? „Wir sind nicht die Deutsche Bahn“

Die Arbeit der Leitstelle beginnt unmittelbar dann, wenn der Disponent dem Fahrer den Bus zugeteilt hat und dieser den Betriebshof verlässt. Der Standort jedes Busses ist satellitenüberwacht. Sich aufbauende Verspätungen werden in der Leitzentrale in Tabellen und Zahlenkolonnen angezeigt. Von hier aus können auch die Passagiere auf den Displays der Fahrgastinformationen an den Haltestellen über unerwartete Entwicklungen, Verspätungen und Ausfälle informiert werden.

Die Fahrer, von denen jeder mit einem Tabletcomputer ausgestattet ist, halten den Kontakt mit der Leitstelle über Funk und Bordrechner. In den videoüberwachten Fahrgastraum der einzelnen Busse aufschalten kann sich die Leitzentrale allerdings nicht. Weniger aus technischen denn aus datenschutzrechtlichen Gründen. Die Aufnahmen werden in den Bussen für 48 Stunden gespeichert und erst dann wieder überschrieben. Das gibt der Polizei gegebenenfalls die Möglichkeit zu Ermittlungen.

Mit der Pünktlichkeit der Busse ist ­Eswe zufrieden: „Wir sind nicht die Deutsche Bahn“, sagt Verkehrsleiter Dietmar Schneider. Allerdings gibt Geschäftsführerin Hebding zu bedenken, dass Eswe Verkehr die Pünktlichkeit der Busse in der Regel nicht beeinflussen kann, weil diese vom Verkehrsgeschehen auf den Wiesbadener Straßen abhängig seien. „Selbst im Griff“ habe Eswe Verkehr lediglich die Ausfallrate, also wenn sich Fahrer krankmelden oder Busse liegen bleiben. Diese Quote sei mit 0,4 Prozent aber erfreulich gering, so die Geschäftsführerin.