Ende 2026 sollen hier Fahrgäste ein- und aussteigen können. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich
Nachdem klar ist, dass sich die Stuttgart-21-Eröffnung bis Ende 2027 hinziehen wird, haben Stadt und Region die neue Lage bewertet. Neben viel Lob gab es auch kritische Stimmen.
Die Landeshauptstadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart sind in Sachen Stuttgart21 in einer ähnlichen Lage. Die Region verspricht sich von dem Projekt Verbesserungen bei der S-Bahn, für die sie zuständig ist; die Stadt will möglichst rasch Zugriff auf die von ihr bereits Ende 2001 erworbenen oberirdischen Bahnflächen. Folgerichtig haben am Montag Regional- und Stadträte in einer gemeinsamen Sitzungen die neue Lage beraten.
S-21-Start zieht sich bis Ende 2027 hin
Denn seit Freitag vergangener Woche, als der Lenkungskreis des Milliardenprojekts zu einer Sondersitzung zusammengekommen ist, steht fest: Stuttgart 21 geht nicht auf einen Schlag in Betrieb, vielmehr zieht sich dieser Prozess von Dezember 2026 bis November 2027 hin. Für die Ziele von Region und Stadt hat das Folgen. Die neue S-Bahnstrecke mit dem zusätzlichen Halt Mittnachstraße – der vielleicht einmal Rosenstein heißen soll – geht erst Mitte 2027 an den Start. Die ersten oberirdischen Bahnanlagen können frühestens zum selben Zeitpunkt zurückgebaut werden.
Bei Stadt- und Regionalräten gab es neben der Erleichterung über das nun vorgestellte Konzept auch einige Kritik. Jan Tielesch, Vorsitzender der CDU/ÖDP-Fraktion in der Region sagte, die Entzerrung sei gut. „Jeder weitere Schritt muss für die Fahrgäste so erträglich wie möglich gestaltet werden“. Dass das möglich ist, zog Michael Lateier, Sprecher der Regions-Grünen im Verkehrssausschuss, in Zweifel. „Wir werden von nun an bis Ende 2027 an jedem Tag Baustellen an den Gleisen in der Region haben“.
Kritik an Streckensperrungen 2027
Auch Thomas Leipnitz, Chef der SPD-Regionalfraktion, erinnerte daran, „dass keine einzige Sperrung entfällt, sondern dass einige nur verschoben wurden“. Zwar begrüße er die Entzerrung. Dass es 2027 zu einer gleichzeitigen Sperrung der S-Bahnstammstrecke und der bislang für diesen Fall als Ausweichstrecke genutzten Panoramabahn kommt, sei aber „besonders misslich. Hier wird die Inbetriebnahme auf dem Rücken der Fahrgäste betrieben“.
Eine Initiative will einen Bürgerentscheid darüber, wie es mit den Gleisflächen weitergehen soll. Foto: IMAGO/imagebroker
Auf Seiten des Stuttgarter Gemeinderats lobte der Christdemokrat Carl‐Christian Vetter die von einer Taskforce aller Projektpartner erarbeiteten sechs Inbetriebnahmeschritte als „eine clevere und intelligente Lösung“. Als Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft freue es ihn, dass der neue Bahnhof beim Airport und der Landesmesse zusammen mit dem Durchgangsbahnhof Ende 2026 in Betrieb gehe. Dass weitere Teile des Bahnknotens hingegen erst 2027 fertig werden, verglich Vetter mit einem in der Gastronomie üblichen „soft-opening“.
Forderung: Ersatzverkehr muss reibungslos laufen
Björn Peterhoff von den Grünen erinnerte daran, dass während der langen Projektlaufzeit – an Stuttgart 21 wird seit mehr als 15 Jahren gebaut – zahlreiche Zusatzprojekte dazu gekommen sein. „Jetzt ist eine gute Entscheidung im Sinne der Fahrgäste getroffen worden“. Wenn es 2027 nochmals zu vielen Streckensperrungen komme, müsse man aber nun schon in die Planung einsteigen, dass die Ersatzbusse staufrei durchkämen. Stefan Conzelmann (SPD) mahnte an, auf den Bahnhof Bad Cannstatt, in dem 2027 nahezu durchgehend gebaut wird, ein besonderes Augenmerk zu legen.
Unterschriften für Bürgerbegehren werden gesammelt
Christoph Ozasek von der Puls-Gruppe im Gemeinderat, wollte von einem „soft-opening“ nichts hören, allenfalls stellten die gestreckten Baustellen für die Fahrgäste „Folter light“ dar. Hannes Rockenbauch von der Linksfraktion warf der Bahn und den Projektbefürwortern vor, schon lange nach dem Prinzip „Augen zu und durch“ zu agieren. „Jetzt müsse sie halt noch ein bisschen länger die Augen vor der Realität verschließen“. Man werde dauerhaft oberirdische Gleise benötigen. Rockenbauch warb für das nun gestartete Bürgerbegehren „Mehr Bahnhof – mehr Zukunft“, mit dem ein Bürgerentscheid über den nächsten Planungsschritt für den Städtebau auf den heutigen Gleisflächen stattfinden soll. Die dafür notwendigen Unterschriften werden seit vergangener Woche gesammelt. Bis zum 10. Oktober muss die Marke von 20000 Stimmberechtigen erreicht werden.