Die biblische Weisheit „Gott liebt alles, was ist“ stand über der Gedenkfeier, die am Montagmorgen auf dem Von-der-Heydt-Platz in Elberfeld zu Ehren der Drogentoten des vergangenen Jahres ausgerichtet wurde. Und ein auf einer schwarzen Stoffbahn aus weißgelben Rosen gebildetes Kreuz symbolisierte den kirchlichen Charakter der rund fünfstündigen Gedenk- und Informations-Veranstaltung, zu der die Sucht- und Drogenhilfeorganisationen der Stadt eingeladen hatten.
Die drei Info-Stände rund um die goldenen Bänke waren schnell Treffpunkt von Menschen, denen das Schicksal der Drogen konsumierenden Menschen nicht gleichgültig ist. Unter ihnen war auch die Mutter eines Mannes in mittleren Jahren, der seit 25 Jahren abhängig ist. „Er ist damals durch falsche Freunde und Neugier mit Drogen in Berührung gekommen und abhängig geworden“, erzählte die Seniorin, die alljährlich am 21. Juli, dem bundesweiten Gedenktag, teilnimmt, Erfahrungen austauscht und Ratschläge gibt. Mit anderen betroffenen Eltern war sie treibende Kraft bei der Einrichtung des „Drogenkonsumraums“ an Gleis 1 am Hauptbahnhof.
„Schützen statt strafen“ lautet das Plädoyer des Frankfurter Professors Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung für humane Drogenpolitik, die nicht den Besitz und Konsum kriminalisieren sollte.
Jacqueline Maikranz, Leiterin der Einrichtung „Gleis 1“ und vom Café Cosa am Döppersberg, gehörte zu den Rednerinnen des gemeinsamen Erinnerns. Sie hob hervor, dass hinter jedem Drogentoten ein menschliches Schicksal steht, und dass jeder Mensch wertvoll ist, unabhängig von Herkunft, Konsumverhalten oder Lebenssituation. Maikranz wies auch auf die begleitende Ausstellung „(Über)leben“ von Daniel Deimel hin, auf deren Seiten Drogen konsumierende Menschen selbst Fotos aus ihrem Alltag erstellt und ihre deprimierende Lebenssituation rund um den Kölner Neumarkt geschildert haben. „Lassen Sie uns heute innehalten für die, die nicht mehr unter uns sind“, appellierte Maikranz an die Zuhörerschaft. Holger Schmidt (54) sorgte mit Gitarre und eindringlichen Songs für die musikalische Untermalung. Er war selbst abhängig, ist aber inzwischen clean und berichtete im persönlichen Gespräch, wie die Sucht in entwürdigende Armut führte und wieviel Disziplin dazu gehörte, den Drogen zu entkommen.
Bianca Euteneuer von der Drogenberatung Wuppertal berichtete, dass immer jüngere Menschen zu ihrer Klientel zählten. „Der Jüngste ist zwölf Jahre alt, und ein 14 Jahre alter Junge hat sich Rat und Trost geholt, weil seine Eltern drogensüchtig sind.“ Auch sie sprach mit großem Bedauern in der Stimme von denen, die in diesem Jahr nicht mehr unter uns weilen. „In Wuppertal waren es 2024 bedauerliche 17 drogenbedingte Todesfälle, zwei mehr als im Jahr zuvor. Und das darf nicht einfach eine statistische Größe sein, sondern ist Teil unserer Stadtgesellschaft.“
Die Gedenkfeier gab auch anonymen Betroffenen Gelegenheit, über ihre noch vorhandene oder überwundene Sucht und ihre Erfahrungen damit zu sprechen, bis Simone Pries, Pfarrerin in der Citykirche Elberfeld, die Wortbeiträge mit einer kurzen Andacht abschloss. Die Seelsorgerin die auch 2024 am 1. Juli an der Gedenkfeier aktiv teilgenommen hatte, ist derzeit in Elternzeit und schilderte Erlebnisse, wenn sie mit ihrer kleinen Tochter im Kinderwagen Spaziergänge unternimmt. „Die Menschen lächeln die Kleine an und strahlen, wenn sie zurücklächelt“, so Simone Pries. „Auch die, deren wir heute gedenken, waren einmal kleine Kinder, die von den Menschen angelächelt wurden. Wir sollten daran denken, wenn wir auf die Suchtkranken herabsehen. Auch sie sind Gottes Kinder und haben Anspruch auf eine würdige Behandlung und sollten nicht ausgesondert werden“, lautete die Aufforderung an die recht zahlreiche Zuhörerschaft auf dem Platz. Bewegende Worte der jungen Pfarrerin, die von starkem Beifall begleitet wurden und sicher auch den Weg in die einen oder anderen Herzen gefunden haben. Mit einem gemeinsam gebeteten „Vaterunser“ wurde die Gedenkstunde abgeschlossen.
Die Beratungsstände mit verständnisvollen und kompetenten Zuhörerinnen und Zuhören waren noch bis 15 Uhr besetzt und wurden stark frequentiert.