Als Politiker pflegte Manfred Rommel einen ironischen Blick auf die Medien. „Früher musste man noch richtig etwas machen, um in die Zeitung zu kommen“, sagte er einmal. „Heute braucht man bloß noch etwas zu sagen.“ Die Pressefreiheit lobte er mit dialektischem Hintersinn: Die politischen Verhältnisse seien dort am besten geordnet, „wo die Journalisten alles schreiben können, was sie wollen, und wo die Politiker nicht alles tun müssen, was die Journalisten schreiben“.

Rommel wäre selbst beinahe Journalist geworden. Das erzählt er in seinem Buch „Schwäbisches Allerlei“. Demnach hat ihn sein Jurastudium, 1947 in Tübingen begonnen, eher ermüdet. Während einer Vorlesung las er, was auf seiner Bank für ein Spruch eingeritzt war: „Oh, heiliger Sankt Benedikt, ich bin schon wieder eingenickt.“ Rommel dazu: „Dieser Spruch gibt meine Verfassung von damals gut wieder.“

„Bekanntester deutscher Kommunalpolitiker“

Der Schriftsteller und Journalist Hans Habe, befreundet mit Erich Maria Remarque, habe ihm geraten, „die Jurisprudenz an den Nagel zu hängen und Journalist zu werden“. Letztlich hätten ihn seine Heiratspläne und Bedenken seiner Mutter davon abgebracht. Diese habe eingewendet, „dass jemand, der heiraten wolle, einen soliden Beruf brauche“, schreibt Rommel. So sei er erst einmal Jurist geworden.

Von da an war es noch ein längerer Weg, bis er zum „bekanntesten deutschen Kommunalpolitiker“ wurde, so der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert. Rommels Leben war vom Schicksal seines Vaters überschattet. Erwin Rommel war Berufssoldat. Unter Hitler wurde er Generalfeldmarschall, wegen seiner Fortune im Afrika-Feldzug als „Wüstenfuchs“ berühmt. Doch nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 galt Rommel als Mitwisser. Manfred Rommel, damals 15, wurde Zeuge, als die Gestapo den Vater nötigte, Gift zu schlucken. Ansonsten hätte ihm ein Schauprozess gedroht inklusive Sippenhaft für die eigene Familie.

„Ungern OB geworden, aber immer gerne gewesen“

Das Trauma jener Zeit „ist und bleibt das beherrschende Thema seines Lebens“, so schrieb Thomas Borgmann, journalistischer Wegbegleiter Rommels. Nach einer Karriere in der Ministerialbürokratie unter Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) wurde Rommel 1974 zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt gewählt und später zweimal im Amt bestätigt. Er sei „ungern Oberbürgermeister geworden, aber es immer gerne gewesen“, hat Rommel wiederholt bekundet.

Weit über Stuttgart hinaus wurde er bekannt wegen seiner Liberalität. In der Hysterie des „Deutschen Herbstes“ 1977, als Anschläge der „Roten Armee Fraktion“ das Land erschütterten, verteidigte er den Schauspieldirektor Claus Peymann. Dieser hatte einen Aushang im Theater geduldet, mit dem um Spenden für eine Zahnbehandlung der Terroristin Gudrun Ensslin geworben wurde. Rommel bescheinigte Peymann, er sei ein „Virtuose der politischen Ungeschicklichkeit“, stellte sich aber vor ihn. Nach dem Suizid führender RAF-Terroristen in Stammheim sorgte Rommel trotz Widerstands dafür, dass diese auf dem Dornhaldenfriedhof bestattet werden konnten. „Irgendwo muss jede Feindschaft enden“, sagte er, „für mich endet sie nach dem Tod.“

Rommel übersetzt Hegel ins Verständliche

Als Rommel sich aus der Kommunalpolitik verabschiedete, wurde er doch noch eine Art Journalist. Von 1997 bis 2008 schrieb er Kolumnen für die StZ. Mit diesen Texten untermauerte er seinen Ruf als „Rathausphilosoph“. Er kannte keine Scheu vor den Heroen des Tiefsinns. In einem Beitrag widmete er sich den Teilen und dem Ganzen – einem Thema, mit dem sich der Stuttgarter Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel befasst hatte. Rommel dazu: „Böse Zungen sagen, dass er oft versucht hätte, das Ganze in einen Satz hineinzupacken, sodass man den Satz mit zehn Fingern lesen müsse, um die vielen Nebensätze abzudecken, das Verb zu finden und so den eigentlichen Sinn.“

Manche Sentenzen Rommels lesen sich, als seien sie in weiser Voraussicht der heutigen Menschheit ins Poesiealbum geschrieben. So befasst er sich 1999 in einer Kolumne mit der Toleranz. Rommel buchstabiert, was unter Toleranz zu verstehen sei: „Wer jeweils die Meinung seines Gesprächspartners annimmt, ist nicht tolerant, sondern, auf Schwäbisch, ein Rindvieh, auf Hochdeutsch ein Chamäleon. Tolerant ist, wer eine Meinung hat und diese für richtig hält, es aber duldet, dass andere eine abweichende Meinung haben und ebenfalls meinen, diese sei richtig. Eine höhere Stufe der Toleranz erreicht er, wenn er die abweichende Meinung nicht nur duldet, sondern auch dafür eintritt, dass deren Inhaber sie sagen kann. Auf der höchsten Stufe ist er angelangt, wenn er die abweichende Meinung nicht nur für nützlich hält, sondern auf die Argumente hört, die sie begründen, und wenn er den Zweifel an sich heranlässt, ob er selber recht hat.“