Sara hat früher am Staatstheater gespielt, jetzt tritt sie auf einer kleinen Bühne auf. Ina war einmal Seriendarstellerin, bevor es sie in dasselbe kleine Theater verschlug. Und Alex ist gleich ganz im Theater eingezogen, seitdem sein Freund auf seine Heilpraktiker-Prüfung lernt. Drei Künstler an der Einkommensuntergrenze sind sie, die gerade an den Kulturkürzungen, dem Rechtsruck, ach, an den multiplen Krisen weltweit verzweifeln. Doch untergehen wollen sie nicht, also nehmen sie den Kampf auf mit ihren Mitteln, mit denen der Kunst.

Am Theater am Sozialamt (Tams) läuft derzeit diese sehr lustige dreiteilige Reihe mit dem schön vermessenen Titel „Das Tams rettet die Welt“. Ein Schwabinger Hinterhoftheater, das sich ironisch den James-Bond-Glamour zuschreibt. Zugleich blitzt in dem Titel der Idealismus durch, mit dem die Künstler der freien Bühnen in München und anderswo zu Werke gehen, die finanziell an der Existenzgrenze arbeiten und trotzdem ihre wertvollen Produktionen stemmen. Kulturkürzungen und Rechtsruck sind für sie reale Bedrohungen. Doch Jammern, das gibt es in „Das Tams rettet die Welt“ nicht.

Sparen im Münchner Kulturbetrieb

:Den Kammerspielen droht erstmals ein Defizit

Das Geld für die Münchner Kammerspiele wird knapp. Die Rücklagen sind aufgebraucht, ein bleibendes Minus ist zu befürchten. Doch wie damit umzugehen ist, zeichnet sich nicht ab. Im Kulturausschuss gibt es keine Einigkeit.

Carsten Golbeck hat die drei Teile dieser Weltrettung, die man auch einzeln ohne Verständnisverlust anschauen kann, als „Hörspiel-Theater“ konzipiert. Die drei Darstellenden und Musiker Severin Rauch agieren auf der Bühne, als würden sie ein Hörspiel einsprechen. Die Geräusche werden offen produziert, der Text vom Blatt gelesen, überall hängen Mikros. Das Tonstudio ist gleichzeitig das Setting, in dem Axel Röhrle, Irene Rovan und Sophie Wendt schön schräg agieren. Die Ebenen überlagern sich, sind Behauptung und Wahrheit.

Die drei Schauspieler spielen Schauspieler, die mit der Realität und ihren Problemen ringen. Das dürfte nicht allzu fern von ihrer eigenen Lebenslage sein, doch alles auf die Spitze getrieben. So schrauben die drei an einem Revolutionsstück, das sie zwischendurch an Amazon verkaufen wollen, obwohl das Unternehmen für alles steht, was sie verachten. Ina vergiftet ihre Mutter, damit sie den Krankenhausplatz behält, und Alex lässt sich als Autor von einer KI beraten. Jeder verrät die eigenen Ideale und klammert sich an irgendeine Hoffnung. „Das Tams rettet die Welt“ ist ein souverän lustiger Abend über etwas, das eigentlich nicht komisch ist.

Mal sind die vier Performerinnen Tiere, mal nur Singstimme, dann wieder Fremdenführerin wie hier Aleksandra Matlingiewicz in „Wood Wood Wood – Nothing’s ever good“.Mal sind die vier Performerinnen Tiere, mal nur Singstimme, dann wieder Fremdenführerin wie hier Aleksandra Matlingiewicz in „Wood Wood Wood – Nothing’s ever good“. (Foto: Sven Zellner)

Während dieser noch im Tams zu sehen ist, sollte man sich für Februar eine andere Produktion der freien Szene vormerken. Die Performance „Wood Wood Wood – Nothing’s Ever Good“ wurde gerade im Werkraum der Kammerspiele uraufgeführt und wird Anfang 2026 im Hoch X gezeigt. Die Münchner Theatermacherin Christiane Huber erzählt die Geschichte von Krieg und Vertreibung und deren Wiederkehr anhand des Białowieża-Urwalds im Grenzgebiet von Polen und Belarus, entstanden ist eine mit einfachen Mitteln ausgestattete, sehr sinnliche Lehrstunde über Natur, Geschichte und die ewige Hybris der Menschen.

Auf der Bühne existieren lediglich ein paar runde Matten, die Querschnitten aus Baumstämmen gleichen, dazu die vier Performerinnen Małgorzata Biela, Maria Hafner, Amie Georgson, Jammeh und Aleksandra Matlingiewicz sowie Sounddesigner Marcin Lenarczyk. Sie sind Stille und Natur des Waldes, aber auch ihre menschliche Bevölkerung.

Mit zartem Zugriff erzählt Huber Weltgeschichte anhand eines Lebensraumes, es ist ein sehr gelungener Perspektivwechsel. Man hört von Luchsen und Wisenten, die in dem europäischen Urwald leben, denen aber plötzlich eine Mauer zwischen Belarus und Polen ihren Lebensraum zerstört, von kleinen Dörfern, die unter den Nazis ausgerottet wurden, von Hermann Görings Plänen, aus dem Wald ein Reichsjagdgebiet zu machen. Wo Menschen damals und heute im Wald sterben und begraben werden, verändern sich die Pflanzen, mithilfe der forensischen Botanik werden solche Spuren lesbar. Man muss sie nur finden und deuten können, so wie Christiane Huber es geschafft hat, mit „Wood Wood Wood“ ganze historische Zusammenhänge aus dem Wald abzulesen und diese auf der Bühne erlebbar zu machen.

„Das Tams rettet die Welt“, Donnerstag und Freitag, 24. und 25. Juli, 20 Uhr, Tams Theater; „Wood Wood Wood – Nothing’s never good, Wiederaufnahme im Februar 2026, Hoch X