High Noon in der Berliner Westernstadt. Die „Old Texas Town“ steht seit 1968 an der Paulsternstraße in Berlin-Spandau. Nun ist sie vom Aus bedroht.

Mehr als 8400 Menschen haben bis Dienstag eine Unterschriftenliste zur Rettung des Vereinsgeländes unterzeichnet. Und jetzt naht auch noch die Kavallerie aus der Berliner Innenstadt: Die Rockband Boss Hoss unterstützt „Old Texas Town“.

„Unsere Westernstadt, unsere Sorgen“ Jetzt redet der Chef von „Texas Old Town“ über das drohende Aus

„Wir brauchen diese kulturelle Vielfalt in der Stadt“, sagt Sascha Vollmer alias „Hoss Power“ beim Besuch in der Westernstadt, die sich im Spandauer Ortsteil Siemensstadt befindet. Das Markenzeichen der Band: Cowboyhüte, Cowboystiefel und Countrysongs.

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Das alles passt auch prima zur Westernstadt in Spandau, auch wenn Vollmer ausgerechnet jetzt seinen Cowboyhut zu Hause vergessen hat. „Eineinhalb Stunden habe ich aus Friedrichshain mit dem Auto hierher gebraucht“, sagt Vollmer und schüttelt den Kopf. „Da wäre ich vermutlich mit dem Pferd schneller gewesen.“ Jetzt aber nicht ärgern. „Kann ich deinen Hut mal kurz leihen?“, sagt er zu einem anderen Cowboy, der in seinem Kostüm gerade vorbeischlurft. „Klaro.“ Vollmer setzt den Hut auf – passt! Das Foto ist schon mal gerettet.

20

Jahre ist Boss Hoss jetzt alt. Die Westernstadt kommt sogar auf 75 Jahre.

Vollmer und sein Bandkollege Alec Völkel alias „Boss Burns“ („Alec ist heute krank und lässt sich entschuldigen“) sind beide seit letztem Jahr sogar Mitglied im Verein. Vor ein, zwei Jahren haben sie den Ort bei einem kleinen Filmdreh eher zufällig entdeckt und waren ganz baff. Das Fort mit den Holztürmchen liegt etwas versteckt am Ende eines Aldi-Parkplatzes, zwischen Burger King und Fitnessstudio.

Das Zugangstor am Aldi-Parkplatz.

© André Görke

Letzten Herbst haben sie den Boss-Hoss-Fanklub hier eingeladen und mit 300 Fans bis in die Nacht gefeiert. „Wir sind die einzige Westernstadt mit einem U-Bahnhof um die Ecke“, sagt der Vereinschef und meint die nahegelegene U-Bahnlinie U7. Und weil man hier im Gewerbegebiet ist, ärgert sich auch niemand über ein lautes „Yeehaw“ in der Nacht.

Wir sind die einzige Westernstadt mit U-Bahn-Anschluss.

Bürgermeister Jack Hunter über die U7

Womöglich könne man ja auch mal ein Benefizkonzert zur Rettung der Westernstadt spielen, sagt Vollmer, als er danach im Saloon gefragt wird. Aber das geht nicht so schnell. Die Band hat Termine, Termine, Termine und geht im Herbst auf Clubtour – es ist das Jubiläumsjahr. Die Musiker aus Prenzlauer Berg haben Boss Hoss 2005 gegründet.

Der Westernverein ist ein paar Jährchen älter. „75 Jahre“ steht auf einem Banner im Saloon. Der Verein wurde 1950 gegründet, allerdings etwas weiter südlich. Als dann der Neubau des Berliner Kraftwerks Reuter hochgezogen wurde, zogen die Cowboys rüber an die Paulsternstraße – direkt neben Siemens-Fabrik und Laubenpieper-Kolonie. „Die Kleingärtner wollten das Gelände aber nicht. Hier ist nichts angewachsen“, sagt Bürgermeister Hunter.

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Und so wuchsen schließlich die Häuser aus der Westernzeit in die Höhe, inklusive Museen und einem urigen Imbiss mit mexikanischer Küche. Die Kirche am Zugangstor wurde von beiden Kirchen offiziell geweiht, deshalb finden hier auch Hochzeiten statt. Aber wie lange noch? Die Kita-Gruppe, die nach einem Besuchstermin gefragt hat, wird Bürgermeister Hunter vermutlich schon mal vertrösten.

Blick in die Westernstadt mit Gefängnis, Saloon, Kirche und Co.

© André Görke 

„Die Menschen leben und lieben das hier, das ist kein Marketinggag oder eine Geschäftsidee, um Geld damit zu verdienen, sondern Vereinsleben, Kultur, ein Treff, um zusammenzukommen“, sagt Musiker Vollmer beim Gespräch im Saloon. „Es gibt einige Westernstädte in Deutschland, aber nur diese hier in Berlin. Da wünsche ich mir als Bürger, dass wir so etwas erhalten.“

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Mehr als 20 Hütten stehen auf dem Vereinsgelände im Spandauer Industriegebiet – vom Gefängnis über den Hufschmied bis zur „Bank of Texas“. Und auch ein Galgen darf nicht fehlen. „Wir sind wie Modellbauer, nur dass wir im Maßstab 1:1 bauen“, so Bürgermeister Jack Hunter, der im bürgerlichen Leben Ralf Keber heißt.

Die Mitglieder vor dem Saloon, in der ersten Reihe Sascha Vollmer von der Band Boss Hoss und Bürgermeister Jack Hunter.

© André Görke

Der Saloon ist der zentrale Treff in der Westernstadt und hat zwei Etagen.

© André Görke 

Blick in den Saloon, wo die Band letzten Herbst ein Fankonzert organisiert hatte.

© André Görke

Die 45 Cowboys um Jack Hunter („im normalen Leben bin ich Rentner in Falkensee“) fürchten akut um ihre Zukunft und erhalten aus allen Parteien im Spandauer Rathaus Unterstützung („Kulturstandort erhalten!“). Die Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich in ihrem Verein und haben die Hütten selbst aufgebaut, aus Holz und Steinen, mit Technik und allem Drum und Dran. „Wir haben Spaß daran. Hier kann man herkommen, tanzen, im Saloon etwas trinken und die Sorgen im Alltag vergessen“, sagt Bürgermeister Hunter.

Yeehaw. Jack Hunter ist der Bürgermeister und im bürgerlichen Leben Rentner in Falkensee.

© André Görke 

Das Gefängnis steht genau gegenüber vom Saloon. Also ja nicht die Zeche prellen!

© André Görke

Am 31. August soll das Grundstück besenrein übergeben werden – ohne Hütten. Dann endet der Pachtvertrag, für den die Cowboys bisher 1 Euro pro Jahr bezahlen. Der Eigentümer – ein Berliner Grundstücksentwickler – will das Grundstück in attraktiver Lage neben dem Siemens-Campus entwickeln und plant ein Rechenzentrum in der Prärie, was der Bezirk wiederum ablehnt. „Wir sind seit 16 Jahren Eigentümer des Grundstücks, auf dem Old Texas Town errichtet wurde. Wir haben Old Texas das Grundstück damals fest für 15 Jahre verpachtet. Die Laufzeit war sowohl Old Texas als auch dem Bezirk von Anfang an bekannt“, haben die Grundstückseigentümer im Tagesspiegel gesagt.

Keine Sorge, nicht in Betrieb: der Galgen.

© André Görke 

Aktuell ist eine Verlängerung des Pachtvertrags um drei Jahre im Gespräch, doch das ist dem Westernverein zu wenig. Sie wollen für immer bleiben. „Sonst haben wir das Problem in fünf, sechs Jahren wieder“, sagt der Bürgermeister. Sorgen um ein Mexican Standoff muss sich aber niemand machen. Die Cowboys wollen eine friedliche Lösung.

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