In Berlin-Kreuzberg werden schon bald zwei Welten aufeinanderprallen: Die spanische Prinzessin Sofia wird ihr Studium voraussichtlich am Forward College aufnehmen, einer Berliner Privatuni mit Standort mitten im Wrangelkiez. Laut der spanischen Zeitung „La Vanguardia“ soll die 18-Jährige ein Studium der Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen beginnen. Wegen des internationalen Anspruchs des Forward College wird Sofia de Borbon y Ortiz, wie die Prinzessin mit vollem Namen heißt, dann ihre letzten beiden Semester am Berliner Standort der Hochschule verbringen.
Anfang Juli war der Tagesspiegel dort, hat sich den Campus angesehen und mit dem Gründer des Forward College gesprochen. Boris Walbaum schaltete dafür sich per Videokonferenz in einen der Seminarräume. Gerade war er noch in Paris unterwegs, letzte Woche noch in Lissabon. Er muss den Videoanruf auf dem Weg in sein Büro starten, entschuldigt sich halb auf Französisch, halb auf Englisch. Der 53-Jährige hat viel zu tun, schließlich hat er das Forward College erst vor wenigen Jahren gegründet.
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An drei Standorten können Studierende dort ihren Bachelor machen. Das erste Jahr in Lissabon, das zweite in Paris und das dritte in Berlin. Kostenpunkt: mindestens 45.000 Euro. Ist das teuer? Walbaum sieht einen Abschluss an seiner Hochschule als gutes Investment.
Wer sich die Gebühren nicht auf einen Schlag leisten kann, dem bietet die Hochschule einen zinsfreien Kredit sowie Stipendien in Höhe von 2000 Euro pro Jahr und Minijobs am Campus.
Boris Walbaum ist der Gründer und Präsident des Forward College.
© Forward College
Die Idee einer modernen, paneuropäischen Hochschule trug Walbaum längere Zeit mit sicher herum. 2018 fasste er während einer schlaflosen Nacht den Entschluss, sein Leben auf links zu drehen: „Da war einfach etwas in mir drin, was mir gesagt hat, dass ich die Art Universität gründen muss, über die ich schon länger nachgedacht hatte.“
Der Franzose hatte Philosophie an der Sorbonne und Management an der Eliteschule École nationale d’administration (ENA) studiert, für die französische Regierung und für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet.
2021 setzte er seine Vision in die Tat um und gründete das Forward College mit dem Anspruch, eine Ausbildung entsprechend der Möglichkeiten und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bieten.
Sechs Programme gibt es dort, unter anderem Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen. Der Fokus liegt neben dem akademischen Programm, welches von der London School of Economics stammt, auf zwischenmenschlichen Fähigkeiten.
Dabei können die Studenten eine „Rundum“-Evaluierung von Professoren und Universitätsmitarbeitern bekommen, bei der für sie ein Persönlichkeitsprofil erstellt wird.
KI in Hörsaal und Seminar
Das College hat außerdem den Anspruch, Bildung in Zeiten von künstlicher Intelligenz (KI) zu meistern. Universitäten können KI längst nicht mehr aus dem Hörsaal verbannen, das weiß auch Walbaum: „Wir machen uns zur Aufgabe, den richtigen Ort für Mensch und Maschine im Lernprozess zu finden“, sagt er. Die Studierenden müssten den richtigen Umgang damit erst lernen.
Am Berliner Campus galt das in diesem Jahr für 52 Absolventen. Der hiesige Forward-Standort ist dabei gut im Wrangelkiez in Berlin-Kreuzberg versteckt. Mitten in einem Co-Working-Space in der dritten Etage in ein paar Konferenzräumen finden die Seminare statt. In kleinen Gruppen von bis zu 18 Studierenden werden die Lehrveranstaltungen abgehalten.
Elf Professoren lehren dort, auch mithilfe eines hauseigenen KI-Tools, das die Studenten benutzen dürfen. Es vereint Dienste wie ChatGPT und das hochschuleigene Lehrmaterial. Die Eingaben der Studenten werden vom Team des Forward College ausgewertet. Hausarbeiten und Klausuren müssen weiterhin ohne den Einsatz von KI bewältigt werden.
Der Berliner Campus des Forward College befindet sich in einem Co-working-Space.
© Forward College
Entwicklung des College längst nicht abgeschlossen
Ist das nun der große Wurf? Der Vergleich mit anderen Unis fällt schwer: Die staatlichen Unis bieten nicht die internationale Rotation oder die Praxisnähe. Andere private Hochschulen wie ESMT oder Hertie School in Berlin bieten keinen Bachelor – und ihre Master-Programme kosten pro Semester etwa 17.000 Euro.
Die Entwicklung der Hochschule stehe noch am Anfang, so Walbaum. In den nächsten Jahren sollen noch weitere Standorte in Europa dazukommen, danach will er auch außerhalb des Kontinents weiter expandieren. Und auch das Curriculum soll wachsen.
„Wir müssen noch tiefer in das Thema KI und Informatik einsteigen“, sagt Walbaum. Programmierung werde der natürlichen Sprache ähnlicher und somit einfacher, grundlegendes Verständnis von Technologie und ihren Folgen immer wichtiger. „Das ist unsere größte Herausforderung für die Zukunft.“
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Bildungssysteme hängen der sich wandelnden Welt nach – das Forward College dagegen will agil und am Puls der Zeit sein. Doch je weiter die Hochschule wächst, desto träger wird auch sie werden. Ob Walbaums Vision der internationalen, praxisnahen Ausbildung die hohen Studiengebühren rechtfertigt, muss sich noch zeigen.