Tess hingegen freut sich, dass ihre auf Nachhaltigkeit angelegte Maßschneiderei gut angenommen wird und die Schauspielerin Sandra Hüller ihr sogar einen Auftrag erteilt. Doch als sie sich aus einer Laune heraus auf eine Affäre mit einer anderen Frau einlässt und mit dieser in den Urlaub fährt, gerät ihre Beziehung mit Moyra in eine schwere Krise. Die „radikale Ehrlichkeit“, die man sich einst schwor, erweist sich als wohltönende Phrase.
Ständige Ruhelosigkeit
Anselm Oelzes Roman, der in geschickt gesetzten Rückblenden zu erläutern versucht, wie seine Akteure zu dem wurden, was sie sind, belässt es nicht bei Beziehungs- und Jobproblemen. In großem, ja übergroßem Maß werden ständig neue Herausforderungen aufgefahren, die die Protagonisten – und auch die Leserinnen und Leser – kaum zur Ruhe kommen lassen.
Da sinnieren Tess und Moyra über ihren Kinderwunsch nach. Da vernachlässigt Tess ihre kranke Mutter in Halberstadt. Da drängt es die einst adoptierte Moyra, mittels eines DNA-Tests nach ihren leiblichen Eltern zu suchen, den Zustand der Welt in Monologen zu beklagen und ihr Seelenheil in einem Yogaseminar zu suchen. Da scheinen die beiden Frauen Opfer eines Versicherungsbetruges zu werden, und da durchforscht Rolf das Internet, um seine Weltverschwörungsgespinste zu untermauern.
Inhaltlich überladen, sperrig geschrieben
Viel Stoff breitet Oelze da aus: Das führt zwangsläufig dazu, dass seine Fähigkeit, anschauliche Szenen zu entwerfen, die Menschen in sie überfordernden Verstrickungen zeigen, zu kurz kommt. Zu rasch wechseln die Problemfelder, zu viel wird behauptet statt geduldig erzählt.
Hinzukommt, dass Oelze seinem Text stilistisch wenig mit auf den Weg gibt. Schon im zweiten Satz waltet eine glanzlose Sperrigkeit: „Aber noch bevor sie dieses Wissen in eine Handlung verwandeln konnte, war es zu spät.“ Wenn von Symptomen die Rede ist, die „womöglich sogar in Bereichen von Moyras Innerstem“ liegen oder „Gewässern an Emotionen“ wundert man sich über diese metaphorische Sorglosigkeit.
Deshalb hinterlässt „Die da oben“ einen zwiespältigen Eindruck, was bedauerlich ist, da sich der Roman mutig darauf einlässt, was Menschen unterschiedlicher Generationen derzeit so aufwühlt und nicht zur Besinnung kommen lässt.