Gaea Schoeters, "Das Geschenk"

Stand: 23.07.2025 06:00 Uhr

Nach ihrem Roman „Trophäe“ über Großwildjagd widmet sich Gaea Schoeters erneut dem Afrika-Bild der Europäer mit einer Parabel über 20.000 Elefanten mitten in Berlin.

von Katja Weise

Eigentlich hatte Gaea Schoeters genug von dem Trophäen-Thema. Doch dann lag in einem Bordbistro der Deutschen Bahn im April 2024 eine Zeitung herum: „In dieser Zeitung war ein kleiner Bericht, in dem stand, dass der Präsident von Botswana Deutschland 20.000 Elefanten angeboten hat, weil Deutschland das Importgesetz von Elfenbein stringenter gemacht hat“, erzählt Schoeters. „Kurz danach hatte ich ein Radiointerview, und ich habe mich selbst sagen hören: Das wäre doch eine großartige Eröffnungsszene: Der Bundeskanzler wacht auf, und da stehen tatsächlich 20.000 Elefanten in Berlin – und die Wahl steht bevor.“

Gesagt getan:

Mitten in der Spree badet ein Elefantenbulle. Gemächlich lässt er seinen behäbigen Körper ins Wasser sacken, geht in die Knie und verschwindet unter der Wasseroberfläche. (…) Dann erscheint neben ihm aus dem Nichts ein weiterer Rüssel, wie ein Periskop. Ein zweiter Elefant hebt sich aus dem Fluss. Leise grollend begrüßen sich die beiden Kolosse und schlingen ihre Rüssel umeinander.

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Alles für die Elefanten

Das Video, das ein vorbeikommender Fahrradfahrer ins Netz stellt, geht sofort viral, und Bundeskanzler Hans Christian Winkler hat ein massives Problem. Nicht nur, dass viele Elefanten an verschiedenen Orten in Berlin auftauchen, der Präsident von Botswana macht in einem Telefonat zudem unmissverständlich klar:

Jeder Elefant, dem auch nur ein einziger Stein in den Weg gelegt wird, wird sich verdoppeln. Sie müssen sich frei bewegen können und so viel Platz bekommen, wie sie brauchen. Die Bevölkerung muss sich eben anpassen. Alles für die Elefanten.

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So, wie die Europäer das von seinem Land erwarteten. Es entwickelt sich eine rasante Politsatire: bissig, witzig, surreal. Hektisch wird ein Krisenstab einberufen, Verantwortung hin- und her geschoben und nach einer immer dramatischeren Zuspitzung der Lage eine Ministerin für Elefantenangelegenheiten berufen. Gaea Schoeters beschreibt die im Politikbetrieb üblichen Prozesse genau, ihr Vater ist Politiker: „Mein Vater ist eigentlich ein sehr konsequenter Mensch, aber musste in diesem Raum überleben und deshalb auch diese Spielchen mitspielen. Wenn ich jetzt sehe, wie das Spiel gespielt wird, irritiert es mich, dass man nicht einfach ernsthaft über die echten Probleme nachdenkt, sondern immer wieder versucht, in diesem Spiel zu überleben.“

Eine Frau mit schwarzen kurzen Haaren und einem schwarzen Oberteil, darüber trägt sie eine schwarze Jacke.

In ihrem neuen Roman „Das Geschenk“ beleuchtet die Schriftstellerin erneut das globale Zusammenspiel von Afrika und Europa.

Ein kritischer Blick auf europäische Herausforderungen

In „Das Geschenk“ geht es wie in „Trophäe“ um die Frage, wie die Europäer auf die von ihnen mitverantworteten Probleme auf dem afrikanischen Kontinent schauen, wie stark der Blick immer noch durch die Kolonialzeit geprägt ist. Außerdem dekliniert die Autorin gnadenlos die Hilflosigkeit der europäischen Demokratien angesichts des erstarkenden Rechtspopulismus durch. Bundeskanzler Winkler steht kurz vor den Wahlen, der rechtsextreme Kandidat Fuchs feiert die sensationellen Umfragezahlen seiner Partei, die angesichts der Elefantenkrise immer weiter in die Höhe schießen.

„Wenn ich die Politik dieser Tage anschaue, dann sehe ich, dass wir immer wieder reagieren“, sagt Schoeters. „Wir warten, bis das Problem so groß geworden ist, dass wir etwas machen müssen. Wir versuchen es dann kurzfristig zu lösen, am liebsten, dass es gleich ein Resultat zeigt, dass wir dafür eine politische Belohnung kriegen. Man könnte auch ein bisschen früher anfangen und vorausdenken: Kann man das auch anders angehen?“

„Das Geschenk“: Ein kluger, bissiger Roman

„Das Geschenk“ hat nicht die existentielle Wucht und Tiefe von „Trophäe“. Doch wirft auch dieser Roman brisante Fragen auf – zum Leben in Zeiten des Klimawandels und der Erosion der westlichen Demokratien. Er liest sich leicht, wenngleich ein befreiendes Lachen sich nicht einstellen will. Ein kluges, bissiges Buch und, wie jede gute Komödie, bitter im Abgang.

Buchcover: Gaea Schoeters - "Trophäe“

„Trophäe“ ist schmerzhaft zu lesen, aber ein Roman, der zu den wichtigen Neuerscheinungen dieses Frühjahrs zählt.

Gaea Schoeters, "Das Geschenk"

Das Geschenk

von Gaea  Schoeters

Seitenzahl:
144 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Übersetzt von Lisa Mensing
Verlag:
Zsolnay
ISBN:
978-3-552-07574-0
Preis:
22 €

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Romane