So richtig herzlich ging es bei den Gipfeltreffen zwischen der EU und China schon lange nicht mehr zu. Diesmal dürfte es nicht besser werden. Im Gegenteil, wenn am Donnerstag die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa in Peking mit Partei- und Staatschef Xi Jinping zusammentreffen, wird die Atmosphäre eher noch frostiger sein als sonst.
Eigentlich wäre Xi in diesem Jahr mit einem Besuch in Brüssel an der Reihe gewesen. Aber er hatte keine rechte Lust, nach Europa zu reisen. Also macht sich nun die EU-Spitze auf den Weg. Und fliegt nach einem Tag wieder zurück. Ursprünglich sollten es zwei Tage werden, doch so viel Zeit wollte Chinas Führung mit den anstrengenden Europäern nicht verbringen.
Dabei gäbe es etwas zu feiern: Vor 50 Jahren nahmen die EU (damals noch die EWG) und die Volksrepublik diplomatische Beziehungen auf. Ein halbes Jahrhundert offizielle chinesisch-europäische Freundschaft – darauf könnte man die Gläser erheben. Aber zum Feiern ist niemandem so recht zumute. Zu schwierig ist das Verhältnis geworden.
Einst waren die Erwartungen hoch: Zwei große, einander auf das Schönste ergänzende Wirtschaftsräume, ohne fundamentale politische Probleme. Die Beziehung hätte viel unkomplizierter werden können als das von bitterer Rivalität geprägte Verhältnis Chinas zu den USA.
Genau dort aber liegt das Problem. Immer wieder hat Chinas Führung versucht, einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben und die EU auf ihre Seite zu ziehen. Was sie bis heute nicht versteht: Dass es von Brüssel aus gesehen keine Äquidistanz zu China und den USA geben kann, dass Europäer und Amerikaner, allen Konflikten zum Trotz, engste Verbündete sind.
Spätestens im Februar 2022 jedoch, als Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine überfiel, war für jedermann sichtbar, wie China und die EU geopolitisch auf Kollisionskurs gerieten. China hält die russische Kriegsmaschine mit seinen Erdölkäufen und der Lieferung militärisch nutzbarer Produkte am Laufen; die Europäer wiederum helfen der Ukraine nach Kräften, sich des russischen Imperialismus zu erwehren. Noch immer spricht China verharmlosend von der „Ukrainekrise“. Die Wahrheit ist: Solange die Volksrepublik den Krieg Putins finanziert, kann es keine Normalität im Umgang mit der EU geben.
Die Führung in Peking kann den Europäern schaden
Zu den geopolitischen Spannungen kommen die geoökonomischen Auseinandersetzungen. Und die sind grundsätzlicher Natur. Ursula von der Leyen gibt sich keine Mühe mehr, den Konflikt schönzureden. Am Rande des G7-Treffens in Kanada warnte sie vor einem „neuen China-Schock“.
© Lea Dohle
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Elektroautos, Batterien oder Sonnenkollektoren – die Volksrepublik überflutet die Welt mit staatlich subventionierten Produkten. Wegen des Handelskriegs mit den USA drängen die chinesischen Konzerne noch aggressiver nach Europa. Zugleich wird den europäischen Unternehmen der Zugang zum chinesischen Markt erschwert. Das Defizit im Handel der EU mit China stieg voriges Jahr auf mehr als 300 Milliarden Euro.
Von chinesischer „Dominanz“ spricht Ursula von der Leyen, gar von „Erpressung“. Und sie verkündet: „Wir werden unsere Firmen verteidigen, wir werden unsere Wirtschaft verteidigen.“ Das soll durch Ausfuhrbeschränkungen, etwa bei Anlagen zur Chipproduktion, erreicht werden oder durch Strafzölle, wie sie im vergangenen Jahr auf chinesische Elektroautos verhängt wurden.
China und EU
China und Europa:
Frostige Stimmung zwischen China und der EU
China :
Wo China den Rest der Welt abhängt
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
China:
Ich lebe gern in China. Ich möchte hier eigentlich nicht leben
Verärgert fordern chinesische Staatsmedien die EU auf, endlich wieder „rationaler“ auf China zu schauen. Und natürlich verfügt auch die Führung in Peking über Druckmittel, mit denen sie den Europäern schaden kann. Würde China etwa den Export von Seltenen Erden weiter begrenzen, könnten in der EU ganze Wirtschaftsbranchen, von der Auto-, über die Energie- bis zur Rüstungsindustrie, in Schwierigkeiten kommen.
Vor allem aber: China ist kein Exporteur von Billigwaren mehr, in manchen Industrien ist es heute Innovationstreiber. Damit verschieben sich die Kräfteverhältnisse. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wies in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf hin, dass Europa zunehmend auf chinesisches Know-how angewiesen sei. „Chinas ökonomischer Erfolg basierte nicht zuletzt auf ausländischen Direktinvestitionen, gekoppelt mit dem erzwungenen Transfer von Forschungs- und Entwicklungsleistungen als Bedingung für den Zugang zum riesigen Markt. Es dürfte bald an der Zeit sein, diesen Prozess umzudrehen. Heute brauchen Deutschland und Europa in einigen Bereichen den Technologietransfer.“
An Selbstbewusstsein mangelt es der chinesischen Führung nicht. In dem von Donald Trump entfesselten Handelskrieg leistet sie, im Unterschied zu allen anderen Ländern, entschiedenen Widerstand. Noch viel weniger als von amerikanischen Sonderzöllen wird sie sich von europäischen Sanktionen beeindrucken lassen.
Als im Jahr 2019 die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen ihre Arbeit aufnahm, sagte die neue Präsidentin: „Europa muss auch die Sprache der Macht lernen.“ Seither haben Wladimir Putin, Donald Trump und Xi Jinping bewiesen, wie recht sie damit hatte. In Peking bietet sich von der Leyen an diesem Donnerstag Gelegenheit, ihr machtpolitisches Wissen zu vertiefen.