Eine Premiere soll es werden, doch die Erwartungen sind niedrig: Russland und die Ukraine wollen nach Moskauer Angaben diese Woche erstmals über ihre inhaltlichen Vorstellungen für ein Ende des Krieges sprechen.

Beim dritten Treffen der Kriegsparteien in Istanbul in diesem Jahr sollen die Memoranden für eine Friedenslösung auf den Tisch kommen, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ankündigte. Allerdings seien die Entwürfe „diametral gegensätzlich“, sagte Peskow.

Susanne Güsten ist seit 1998 Korrespondentin des Tagesspiegels in der Türkei.

Ein „magischer Durchbruch“ sei nicht in Sicht. Experten rechnen damit, dass in Istanbul kleinere Schritte wie ein weiterer Gefangenenaustausch vereinbart werden können.

Positionen liegen weit auseinander

Unterhändler aus Moskau und Kiew hatten sich im Mai zum ersten Mal seit drei Jahren in Istanbul getroffen und die Gespräche im Juni fortgesetzt. Inhaltliche Fortschritte gab es nicht.

Großer Medienandrang bei den Istanbuler Gesprächen im Mai.

© Imago/SNA/Ramil Sitdikov

Auch vor der dritten Runde, die am Mittwoch oder Donnerstag stattfinden soll, lagen die Positionen weit auseinander. Russland lehnt eine Waffenruhe und die Forderung der Ukraine und des Gastgebers Türkei nach einem Gipfeltreffen der Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj ab.

Die Drohung neuer amerikanischer Sanktionen könnte Druck auf Moskau machen, dürfte sich in Istanbul aber noch nicht auswirken. US-Präsident Donald Trump will die zusätzlichen Sanktionen verhängen, falls es innerhalb einer 50-Tage-Frist bis Anfang September keine Einigung geben sollte.

Thorsten Benner ist Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

„Es war klug von Selenskyj, dieses Treffen zu initiieren“, meint Thorsten Benner, Chef der Berliner Denkfabrik GPPi. Der ukrainische Staatschef zeige Trump damit, dass die Ukraine innerhalb der 50-Tage-Frist ernsthaft verhandeln wolle „und diese nicht einfach aussitzt in der Hoffnung, dass danach von den USA neue scharfe Sanktionen gegen Russland verhängt werden“, sagt Benner dem Tagesspiegel.

Inhaltlich wird es Benner zufolge in Istanbul aber kaum vorangehen. „Mehr als eine Vereinbarung über einen Gefangenenaustausch ist vom Treffen nicht zu erwarten.“

In Istanbul treffen Vertreter der Ukraine und Russlands nun zum dritten Mal bei offiziellen Verhandlungsgesprächen aufeinander.

© Imago/SNA/Alexander Ryumin

Selenskyj sagte, die Ukraine wolle in Istanbul einen Austausch von Gefangenen und die Rückkehr entführter ukrainischer Kinder aus Russland erreichen sowie die Grundlagen für ein Gipfeltreffen der Kriegsparteien legen.

Wie bei den ersten beiden Gesprächen in Istanbul in diesem Jahr wird die ukrainische Delegation vom Chef des Sicherheitsrates in Kiew, Rustem Umjerow, geleitet, die russische Abordnung von Kreml-Berater Wladimir Medinski.

Yörük Işık ist türkischer Sicherheitsexperte.

Auch der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Işık rechnet höchstens mit einem neuen Gefangenenaustausch. Allerdings gehe die Ukraine mit einer stärkeren Position in das Gespräch mit Russland als bei früheren Gelegenheiten, sagt Işık.

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Der Westen sei in seiner Unterstützung geeint, weil auch die USA „zumindest derzeit an Bord“ seien. Am Montag hatten westliche Staaten beschlossen, der Ukraine zusätzliche Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot zu beschaffen.

Beim jüngsten Treffen im Juni tauschten Russland und Ukraine ihre Memoranden mit Eckpunkten für eine Lösung des Konflikts aus, redeten aber nicht über die Pläne.

Selenskyj fordert Entschädigungen

Das solle nun nachgeholt werden, sagte Peskow laut der Nachrichtenagentur Tass. „Wir werden unsere Meinungen über diese beiden Vorschläge austauschen und darüber verhandeln“, sagte der Kreml-Sprecher. Derzeit seien die Positionen unvereinbar, deshalb sei „viel Arbeit“ nötig.

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Das russische Memorandum verlangt laut Tass die „Neutralität“ der Ukraine – also das Ende der Westausrichtung des Landes und einen Verzicht auf einen Nato-Beitritt – sowie ein Verbot „jeder Art von ausländischer militärischer Aktivität auf ukrainischem Territorium“. Auch soll die Ukraine vier Gebiete im Osten des Landes abtreten und die Halbinsel Krim als russisches Territorium anerkennen.

Trumps Ultimatum ist unnötig lang.

Yörük Isik, Sicherheitsexperte

Kiew schließt eine Anerkennung russischer Gebietsgewinne aus und will keine Beschränkungen für ukrainische Streitkräfte hinnehmen. Zudem fordert Selenskyj, Russland müsse sein Land für Zerstörungen entschädigen. Peskow ließ nicht erkennen, dass die russische Delegation in Istanbul von den Moskauer Maximalforderungen abweichen könnte.

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Trump, der Druck auf Russland lange gescheut hatte, setzte Moskau vorige Woche eine Frist bis Anfang September, um eine Lösung zu finden. Andernfalls will er neue Sanktionen gegen Russland und Unterstützer von Moskau verhängen, was besonders China und Indien als Großabnehmer von russischem Öl treffen könnte.

Weil Trump bei anderen Themen viele Fristen verstreichen ließ, bleibt offen, ob die USA mit der Drohung Ernst machen würden. Die russische Führung spielte Trumps Ultimatum herunter.

„Trumps Ultimatum ist unnötig lang“, kritisiert Sicherheitsexperte Işık. Russland sei diese Woche in Istanbul nicht unter Druck, sich inhaltlich zu bewegen. Was die Amerikaner nach Ablauf der 50 Tage tun wollten, sei völlig unklar: „Zu den Möglichkeiten gehört ein großes Nichts.“